Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

§ 150. Die gegenwärtige Stellung d. preuß. Staates zu den Kirchen 2c. 553 
nict e lebt, 300 M. (Höchstbetrag für alle elternlosen Kinder 
1500 M.). 
Als ein Ausfluß des ius inspiciendi et cavendi des Staats 
bezw. dessen Oberhaupts können noch folgende Rechte gegenüber der 
katholischen Kirche bezeichnet werden: 
Bei der wichtigen Stellung, die den deutschen Bischöfen zukommt, 
hat der Staat ein großes staatliches Interesse, eine Mitwirkung bei 
der Besetzung eines vakanten Bischofstuhls zu besitzen. Eine derartige 
Mitwirkung hat sich der Staat in der Regel auf vertraglichem Wege 
mit der römischen Kurie gesichert. Diesem Zwecke dienen auch die 
von dem preußischen Staat mit der römischen Kurie im Anfang des 
19. Jahrhunderts abgeschlossenen Zirkumstkriptionsbullen. 
Für Hannover hat der Landesherr Preußens nach der Zirkum- 
fkriptionsbulle Impensa Romanorum vom 26. März 1824, staatlich 
genehmigt durch Gesetz vom März 1824 c. XIII, das Recht, bei der 
Wahl eines neuen Bischofs aus der Liste von allen den Kandidaten, 
die das Domkapitel für die Besetzung in Aussicht genommen und in 
die Liste ausgenommen hat (sogen. Listensystem oder irischer Wahl- 
azusg: die personae minus gratae aus der Liste zu streichen bis 
auf zwei. 
Für Alt-Preußen ist durch die Zirkumskriptionsbulle de salute 
animarum vom 16. Juli 1821 und zwar in dem Explikatiobreve 
Quod de fldelium vom 16. Juli 1821 über die Besetzung der 
bischöflichen Stühle dem Kapitel zwar das Recht eingeräumt, die 
Wahl des Bischofs vorzunehmen, aber eine Vorwahl stattfinden zu 
lassen, durch welche eine Einigung über den vorzuschlagenden Kandi- 
daten rrielt werden soll. Ist diese erzielt, dann hat das Kapitel die 
gratitudo regia bezüglich seines Kandidaten vertraulich zu erkunden 
und darf erst dann zur definitiven Wahl schreiten, bei der jedoch keine 
persona minus grata gewählt werden darf (Vorwahlsystem). 
Endlich findet sich für die Oberrheinische Kirchenprovinz 
durch die Bulle vom 11. April 1827 und das Explikatiobrere Re 
sacra vom 28. Mai 1827, gerichtet an das Domkapitel von Freiburg 
wegen Besetzung des erzbischöflichen Stuhles, die Bestimmung, daß dieses 
eine Liste der Kandidaten für die Bischofswahl einreichen muß, vorher 
jedoch vertraulich sich zu vergewissern hat, ob die auf die Liste zu 
setzenden Kandidaten dem Landesherrn genehm sind. Aus der Liste kann 
der Landesherr noch diejenigen streichen, welche ihm weniger genehm sind 
(kombiniertes System). Jeder neugewählte Bischof hat dem Landesherrn 
Treue und Gehorsam zu schwören. Durch V. vom 6. Dezember 1873 
(GS. S. 479) und V. vom 13. Februar 1887 (GS. S. 111) ist der Eid 
normiert, den die katholischen Bischöfe vor der staatlichen Anerkennung zu 
leisten haben. Nach Ableistung des Eides erhält der Bischof die staat- 
liche Anerkennungsurkunde. Auch bei Besetzung eines Teiles der Stellen 
im Domkapitel ist eine Mitwirkung der Staatsregierung vorgesehen. 
Bezüglich der Vermögensverwaltung in den katholischen 
Kirchengemeinden bestimmt das Gesetz vom 20. Juni 1875 (GS. 
S. 241), daß in jeder katholischen Pfarrgemeinde die kirchlichen Ver-
	        
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