Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

634 Anhang. 
zu versehen (§ 50 Abs. 8 LVG.). Beschwerde, Klage (Antrag auf mündliche Ver- 
handlung) haben aufschiebende Wirkung (Ausnahmen §8§ 19, 70 der KrO. u. § 75 
K#.), jedoch können Verfügungen, Bescheide, Beschlüsse, auch wenn ihre An- 
fechtung durch das eine oder andere Rechtsmittel erfolgt ist, zur Ausführung 
gebracht werden, sofern letztere nach dem Ermessen der Behörden ohne Nachteil für 
das Gemeinwesen nicht ausgesetzt bleiben kann (§ 53 LVG.), mit Ausnahme der 
an Stelle der Geldstrafen substituierten Haftstrafen (§ 133 Abs. 3 LVG.). Den 
Verwaltungsgerichten ist die Befugnis durch Erlaß einstweiliger Anordnungen, die 
Zwangsvollstreckung einstweilen einzustellen, nicht eingeräumt (OVG. Berf. vom 
19. Januar 1898 in v. Brauchitsch, Verwaltungsges. Bd. 1 Anm. 89 zu § o3 
LVG. (120. Aufl.] S. 75). 
10. Die Fristen im Verwaltungsstreitverfahren. 
In der Regel beträgt die Frist für die Anbringung der Beschwerde, der Klage 
(des Antrages auf mündliche Verhandlung) im Verwaltungsstreitverfahren zwei 
Wochen (§ 51 LVG.). Die Frist ist präklusivisch und beginnt mit der Zustellung, 
sofern die Gesetze nicht anderes vorschreiben (§ 52 LG.). 
Sowohl diese Präklusivfristen im Streitverfahren, wie auch sonstige Fristen, 
z. B. die aus § 37 des Z. sind im Interesse der öffentlichen Ordnung 
gesetzlich eingeführt. Danach steht den Parteien im Streitverfahren nicht die Be- 
fugnis zu- über die Beobachtung dieser in das öffentliche Recht eingeführten Fristen 
sich zu einigen, und der Richter im Streitverfahren ist nicht befugt, über ihre Ver- 
säumnis hinwegzusehen, weil die Gegenpartei von der Rüge derselben absieht. Ferner 
kann auch die Nichtbeobachtung dieser Präklusiofristen unmöglich als ein nicht 
wesentlicher Mangel des Verfahrens angesehen werden, da das Gesetz die Frist aus- 
drücklich als eine präklusiovische und so die Fristversäumnis als das ganze Klage- 
recht zerstörend bezeichnet (§ 52 Abs. 1 LVG). (OG. E. vom 15. Januar 1887 
Bd. 14 S. 190 ([195] in v. Kamptz Bd. 4 S. 1218). 
Was den Beginn der Frist anbetrifft, so läßt diese das Gesetz von der Zustellung 
ab eintreten. Bezüglich dieser Zustellung hat sich das OVG. dahin ausgesprochen, 
daß, da das bestehende Recht keine allgemeinen, gesetzlichen Vorschriften über das 
Verfahren bei Behändigungen von Verfügungen, Bescheiden u. dgl. m., die auf dem 
Gebiete der allgemeinen Landesverwaltung ergehen, kennt, in gewissen Beziehungen 
stets die für gerichtliche Zustellungen in Kraft stehenden gesetzlichen Normen analog 
anzuwenden sind, so namentlich zur Beantwortung der Frage, wem und wie 
behändigt werden kann. Anders verhält es sich nach der Rechtsprechung des OG. 
mit den Beweismitteln und sonstigen Formalien der Behändigung. In dieser 
Beziehung sind die formellen Vorschriften der deutschen Zivilprozeßordnung niemals 
für maßgebend auf dem Gebiete der Verwaltung erachtet worden und sie können 
nicht maßgebend sein, weil die tatsächlichen Voraussetzungen und Bedürfnisse auf 
den Gebieten der Rechtspflege und Verwaltung nicht dieselben sind, indem z. B. 
vielfach die Behändigung durch die Post in dem rein lokalen Verkehr in Wegfall 
kommt, auch mündliche Anordnungen und Bescheide zulässig sind. Es muß daher 
ieder Beweis für eine Anordnung und Behändigung genügen, und insbesondere 
sind die Vorschriften der deutschen Zivilprozeßordnung über die Erteilung von Ab- 
schriften der Zustellungsurkunde an den, dem zugestellt werden soll, für das Gebiet 
der Verwaltung nicht maßgebend. Dieselben sind daher auch in den Regulativen 
für den Geschäftsgang und das Verfahren bei dem Kreis-(Stadt-hausschuß, Be- 
zirksausschuß, Provinzialrat und OVG. nicht berücksichtigt worden. Dagegen enthalten 
die vorgedachten Regulative besondere Bestimmungen über die Behändigung der 
Endurteile, Beschlüsse usw. im Verwaltungsstreit= und Beschlußverfahren (OVG. E. 
vom 4. April 1894 Bd. 26 S. 438 in v. Kamptz Bd. 4 S. 1270). 
Danach erfolgen, soweit das Gesetz nicht anderes bestimmt, die von Seiten des 
Verwaltungsgerichts zu bewirkenden Zustellungen durch besonders beauftragte Be- 
amte des Gerichts oder nachgeordneter Behörden oder durch die Post, wobei letzteres 
die Regel bilden soll. Im wesentlichen schließen sich in den Bestimmungen über 
die Legitimation der zur Empfangnahme der zuzustellenden Urkunden Berechtigten 
die Regulative an die zivilprozessualen Vorschriften an, jedoch mit folgenden Ab- 
weichungen, daß die Zustellungen im Verwaltungsstreitverfahren nicht an die für
	        
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