Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

636 Anhang. 
Wegen der sinngemäßen Anwendung derzivilprozessualen 
Vorschrift des 8 41 Nr. 1 ZPD. sind für das Verwaltungsstreitverfahren 
nachfolgende Entscheidungen des OVG. von Wichtigkeit. 
Das Mitglied einer beklagten Behörde, welches für diese im Streitverfahren Er- 
klärungen abgegeben hat, ist vom Richteramt in demselben Streitverfahren ausge- 
schlossen (Beschl. vom 16. Dezember 1887, E. Bd. 16 S. 428 in v. Kamptz Bd. 4 
S. 1235). Der Regierungspräsident ist ausgeschlossen, wenn er den als Partei 
beteiligten Fiskus vertritt (OVG. E. Bd. 35 S. 208 und E. vom 6. Juni 1903 
PVBl. 24 S. 808); dasselbe gilt, wenn er als Vertreter der als Partei oder als Bei- 
geladene beteiligten Regierung an einer Prozeßhandlung, insbesondere der Ausstellung 
einer Prozeßvollmacht, teilgenommen hat (OVG. E. vom 22. Juni 1889 Bd. 18 
S. 177 in v. Kamptz Bd. 4 S. 1232). 
Besonderes gilt noch im Beschlußverfahren. In diesem ist ein Mitglied 
nur dann von der Beratung und Abstimmung ausgeschlossen, wenn der Gegenstand 
der Verhandlung dieses selbst, oder seine Verwandten und Verschwägerten in auf- 
oder absteigender Linie, oder bis zum dritten Grade der Seitenlinie betrifft. Eben- 
sowenig darf ein Mitglied bei der Beratung und Beschlußfassung über solche Ange- 
legenheiten mitwirken, in welchen es in anderer als öffentlicher Eigenschaft ein Gut- 
achten abgegeben hat, oder als Geschäftsführer, Beauftragter oder in anderer als 
öffentlicher Stellung tätig gewesen ist (§ 115 LVG.). Wird infolge des gleich- 
zeitigen Ausscheidens mehrerer Mitglieder die Behörde beschlußunfähig, und kann 
die Beschlußunfähigkeit auch nicht durch Einberufung unbeteiligter Stellvertreter her- 
gestellt werden, so wird von dem Regierungspräsidenten bezw. Ober- 
präsidenten oder Minister des Innern, je nachdem es sich um einen 
Kreis= (Stadt--hausschuß, Bezirksausschuß oder Provinzialrat handelt, ein anderer 
Kreis= oder Stadtausschuß, Bezirksausschuß oder Provinzialrat mit der Beschluß- 
fassung beauftragt. Für den Stadtkreis Berlin steht die Beauftragung an Stelle 
des Regierungspräsidenten dem Oberpräsidenten zu (§ 116 LV). 
12. Zuständigkeit. 
Im allgemeinen ist vorweg zu betonen, daß das Verwaltungsstreitverfahren keine 
ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung über den Gerichtsstand kennt, viel- 
mehr ist die Zuständigkeit des angegangenen Gerichts in jeder Instanz von Amts wegen 
zu prüfen (OVG. E. vom 21. Oktober 1902 Bd. 42 S. 163 in v. Kamnptz Erg. 
Bd. 2. S. 327). 
Die örtliche Zuständigkeit für das Verwaltungsstreit= und Beschlußverfahren 
regelt sich nach folgenden Grundsätzen: 
In Angelegenheiten, welche sich auf Grundstücke beziehen, ist die Behörde der 
belegenen Sache zuständig (§ 57 Ziffer 11 LVG.). Sind die Grundstücke in 
mehreren Bezirken belegen, oder ist es zweifelhaft, zu welchem Bezirken sie gehören, 
so wird die zuständige Behörde 
a) für das Verwaltungsstreitver fahren durch den Bezirksausschuß, 
und wenn die Grundstücke in verschiedenen Bezirken liegen, durch das Oberver- 
waltungsgericht, 
b) für das Beschlußver fahren durch den Regierungspräsidenten, den 
Oberpräsidenten oder den Minister des Innern, je nachdem die betreffenden Bezirke 
demselben Regierungsbezirke, derselben Provinz, aber verschiedenen Regierungs- 
bezirken, oder verschiedenen Provinzen angehören, 
endgültig bestimmt. 
Dasselbe findet statt, wenn die Personen oder Korporationen, deren Angelegen- 
heit den Gegenstand der Entscheidung oder Beschlußfassung bildet, in mehreren Be- 
zirken wohnen oder ihren Sitz haben (§ 58 L6.). 
Vorstehende Bestimmungen über den dinglichen Gerichtsstand weichen insofern 
von den zivilprozessualen Vorschriften ab, als das Verwaltungsrecht keine Unter- 
scheidung zwischen persönlichen und dinglichen Ansprüchen macht (vgl. Stier-Somlo, 
Kommentar z. LVG. Berlin 1902 S. 68 zu § ö7 LW.). 
In allen berechtigten Fällen bestimmt sich die Zuständigkeit nach dem Wohn- 
sitze des in Anspruch Genommenen, im Beschlußverfahren nach dem Wohnsitze 
desjenigen, auf dessen Angelegenheit sich die Beschlußfassung bezieht. Bei Korpo- 
rationen bezw. öffentlichen Behörden bestimmt sich die Zuständigkeit entsprechend
	        
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