A. Vergleichende Darstellung des Verwaltungsstreitverfahrens. 637
nach deren Sitz. Hat die Korporation oder öffentliche Behörde ihren Sitz außer-
halb ihreres räumlichen Bezirks, 1) so ist diejenige Behörde zuständig, welcher dieser
Bezirk angehört. Für den Kommunalverband der Provinz Brandenburg ist der
Bezirksausschuß zu Potsdam zuständig ?) (§ 57 letzter Abs. LV G.).
Das Verwaltungsstreitverfahren.
I. Das Berfahren in erster Instanz.
A. Nlage (Antrag auf mündliche Verhandlung).
Zur Einleitung des Verwaltungsstreitverfahrens gehört wie im Zioilprozeß
die Erhebung der Klage vor dem zuständigen Gericht. Das Verwaltungsstreit-
verfahren kennt aber neben dieser regelmäßigen Form noch eine „vereinfachte“
Klage, nämlich den Antrag auf mundliche Verhandlung. Derjenige,
welcher einen solchen Antrag stellt, ist dem Kläger gleichzuachten (OG. E. vom
28. Oktober 1897 in v. Kamptz Bd. 4 S. 1303). Sachlich unterscheidet sich aller-
dings dieser Antrag sehr wenig von der Klage, da er alles enthalten muß, was
nach § 63 LVG. für die Klage ersorderlich ist.
Die Formerfordernisse für die Klage sind im Verwaltungsstreitverfahren freier
und minder streng auszulegen.
Bei dem zuständigen Gericht ist die Klage unter allen Umständen nur
dann einzureichen, wenn die Zuständigkeit des Gerichts sich unmittelbar aus dem
Gesetz ergibt. Bedarf es zur Begründung der Zuständigkeit noch eines besonderen
Verwaltungsaktes, so genügt es, wenn die Partei ihre Klage bei einer Amtsstelle
einreicht, die berufen ist, den fraglichen Akt zu vollziehen oder zu beantragen, also
bei dem Verwaltungsgerichte höherer Instanz oder bei einem der Verwaltungs-
gerichte der unteren Instanz, die als forum rei sitae in Betracht kommen und
als solche die amtliche Pflicht haben, gegebenenfalls die Regelung der Zuständig-
keit durch die höhere Instanz zu betreiben (O#. U. vom 2. März 1894 Bd. 26
S. 480 in v. Kamptz Bd. 4 S. 1284). Ein Gesuch, welches bei einer unzuständigen
Behörde eingegangen, von dieser an das Verwaltungsgericht abgegeben ist, kann
nur dann als Klage angesehen und darauf das Verwaltungsstreitverfahren ein-
geleitet werden, wenn der Antragsteller sich damit einverstanden erklärt, da niemand
wider seinen Willen zum Kläger gemacht werden darf (OVG. E. 25, 430
in v. Kamptz 4, 1299). Ist für die Anstellung der Klage oder Stellung des An-
trages eine Frist gesetzt, so wirkt diese gemäß § 52 LVG. präklusivisch, d. h. mit
der Wirkung, daß bei Versäumung der Klagefrist die Klage abzuweisen ist. Die
Klagefrist kann durch Einreichung einer unvollständigen, aber demnächst vervoll-
ständigten Klage gewahrt werden (O#G. E. 9, 84; 158 in v. Kamptz 2, 498; 4
1296). Die Klagefrist ist für gewahrt erachtet worden, wenn zwar nicht die Urschrift,
aber eine gleichzeitig eingereichte Abschrift unterzeichnet ist (O# G. E. Bd. 45 S. 85
in v. Kamptz Erg. Bd. 8 S. 576).
Bezüglich der Form der Klage ist infolge des Wegfalls des Anwaltszwangs
nur die Unterzeichnung der Klage durch den Antragsteller oder dessen Bevoll-
mächtigten erforderlich. Solange die Unterschrift fehlt, mangelt es an dem deut-
lichen Ausdruck dafür, daß die betreffende Erklärung dem Willen der Partei oder
ihres Bevollmächtigten entspricht. Erst die Namensunterschrift macht die Perfektion
des Willens gewiß und erkennbar, daß das, was niedergeschrieben, die zum Abschluß
gebrachte Erklärung ist (OVG. E. vom 7. Juli 1903, PVBl. 25 S. 197 in
v. Kamptz Erg. Bd. 8 S. 576). Ferner kann die Klage beim Kreisausschusse zu
Protokoll erklärt werden (§ 63 S. 2 LV.).
Die Erfordernisse der Klage bezw. des Antrages bezüglich des Inhalts
wird in § 63 W. dahin näher bestimmt, daß in der Klage ein bestimmter An-
1) Dies trifft zu für den Kreis Teltow und Niederbarnim, deren Verwaltungen
ihren Sitz in Berlin haben.
2) Dieser Bestimmung bedurfte es, weil der Kommunalverband der Provinz
Brandenburg gleichfalls in Berlin außerhalb seines Bezirks seinen Sitz hat; dieser
Bezirk wiederum erstreckt sich aber auf die Bezirke zweier Bezirksausschüsse, zu
Potsdam und Frankfurt a. O.