A. Vergleichende Darstellung des Verwaltungsstreitverfahrens. 641
unter der Verwarnung geladen, daß beim Ausbleiben nach Lage der Verhandlungen
werde entschieden werden. Das Gericht kann zur Aufklärung des Sachverhältnisses
das persönliche Erscheinen einer Partei anordnen (§ 68 Abs. 1 und 2 2.).
Zwangsmittel zur Befolgung der getroffenen Anordnung besitzt das Gericht nicht.
Wohl aber können die ausbleibende Partei Rechtsnachteile insofern treffen, als das
Gericht befugt ist, beim Ausbleiben der betreffenden Partei die von der Gegenseite
vorgebrachten Tatsachen als zugestanden zu erachten (§ 79 LV).
Den Parteien steht es frei, ihre Erklärungen, auch ohne dazu besonders auf-
gefordert zu sein, vor dem Termine schriftlich einzureichen und zu ergänzen. Das
Duplikat solcher Erklärungen ist der Gegenpartei zuzufertigen. Kann dies nicht
mehr zum Termin vor der mündlichen Verhandlung bewirkt werden, so ist der
wesentliche Inhalt der Erklärungen in dieser Verhandlung mitzuteilen (§ 68 Abf 8.
LVG.). Werden die Erklärungen lediglich zu den Akten geschrieben, und ist im
Verhandlungstermine niemand erschienen, so bleibt, wenn der Gerichtshof die neu
behaupteten Tatsachen für erheblich erachtet, nur Uübrig, die Verhandlung zu ver-
tagen und die Partei unter Mitteilung des Schriftstücks anderweit zu laden (O##G.
E. 17, 14 in v. Kamptz Bd. 4, 1335).
In der mündlichen Verhandlung sind die Parteien oder ihre mit Vollmacht ver-
sehenen Vertreter zu hören. Dieselben können ihre tatsächlichen oder rechtlichen
Anführungen ergänzen oder berichtigen und die Klage abändern, insofern durch die
Abänderung nach dem Ermessen des Gerichts das Verteidigungsrecht der Gegen-
partei nicht geschmälert oder eine erhebliche Verzögerung des Verfahrens nicht her-
beigeführt wird (§ 71 LVG.). Mit dieser Maßgabe wäre auch im Verwaltungs-
fircitverfahren eine Klageänderung unzulässig. In der Berufungs= und Revisions-
instanz ist eine Abänderung der Klage (des Klageantrages, wie des Klagegrundes)
ausgeschlossen (§§ 92, 95 LVG. vgl. O#G. E. 2, 275; 4, 356; 6, 223; 7, 283;
8. 287; 16, 207; 21, 390; 22, 126 lv. Kampt 4, 1308j)). Aus der im §71 W.
zugelassenen Ergänzung, Berichtigung und Anderung der Klage ist zu ersehen, daß
im Interesse der Aufklärung der gesamte Streitstoff nach Möglichkeit berücksichtigt
werden soll, und nicht die Grundsätze der Eventualmaxime zur Anwendung gelangen
sollen. Die Parteien sind auch verpflichtet, ihre sämtlichen Beweismittel anzugeben
und, soweit dies nicht bereits geschehen, die schriftlichen ihnen zu Gebote stehenden
Beweismittel vorzulegen, auch können von ihnen Zeugen zur Vernehmung vorge-
führt werden. Der Vorsitzende des Gerichts hat dahin zu wirken, daß der Sach-
verhalt vollständig aufgeklärt und die sachdienlichen Anträge von den Parteien ge-
stellt werden. Er kann einem Mitgliede des Gerichts gestatten, das Fragerecht
auszuüben. Eine Frage ist zu stellen, wenn das Gericht diese für angemessen er-
achtet (§ 71 LV.).
Was die Stellung der Bewollmächtigten der Partei anlangt, so sind die
Parteien in der Wahl derselben nicht beschränkt. Ein Anwaltszwang besteht nicht.
Die Vollmacht ist schriftlich vorzulegen und ist deren Vorhandensein von Amts
wegen zu prüfen. Die einem Vertreter zur Erhebung der Klage erteilte Vollmacht
ermächtigt ihn zugleich zur Vertretung in den weiteren Instanzen (O G. E. Bd. 48
S. 88). Prozeßhandlungen eines Nichtbevollmächtigten sind gültig, falls die Voll-
macht bis zum Erlasse des Urteils beigebracht wird. Gemeindevorsteher, welche als
solche legitimiert sind, bedürfen zur Vertretung ihrer Gemeinden einer besonderen
Vollmacht nicht. Das Gericht kann Vertreter, welche, ohne Rechtsanwälte zu sein,
die Vertretung vor dem Gericht geschäftsmäßig betreiben, zurückweisen. Eine An-
fechtung dieser Anordnung findet nicht statt (§ 73 Abs. 2 LVG.). Mit der Parteie
erschienene Beistände sind gleichfalls zur mündlichen Berhandlung zuzulassen (O# G.
E. 7, 394 in v. Kamptz 4. 1249).
Über den bei Beteiligung einer öffentlichen Behörde oder zwecks Wahrnehmung
öffentlicher Interessen zu bestellenden Kommissar s. oben.
Die mündliche Verhandlung erfolgt in öffentlicher Sitzung des Gerichts
(§ 72 Abs. 1 LVGE.). Diese Vorschrift findet keine Anwendung auf das Diszi-
plinarverfahren wegen Entfernung aus dem Amte (§ 157 Nr. 2 des Ges. und § 35
des Disziplinarges. vom 21. Juli 1852). In Sachen, in welchen auf Grund der
§§ 20, 21 der Gew. O. verhandelt wird, kann nach Nr. 5 des § 21 in d. F. d.
Nov. vom 1. Juli 1883 (RGBl. S. 159) die Offentlichkeit gemäß §§ 173—176
GV. ausgeschlossen oder beschränkt werden, jedoch muß über die Ausschließung
Altmann, Handbuch der Verfassung I. 41