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Entscheidungen und vor den ersteren dem Richter Halt zu machen
gebiete, die letzteren zu ignorieren erlaube. In dieser Beziehung
wird in den Motiven!” zu $ 260 (im Entwurf 221) folgendes aus-
geführt: „Von der Frage, inwieweit das zivilgerichtliche Urteil
für den Strafrichter beweisend und darum bindend sei, ist ganz
verschieden und unabhängig die Frage, ob das zivilgerichtliche
Urteil nicht als eine Rechte und Pflichten begründende Tatsache
in Betracht komme, und ob nicht deshalb schon die Existenz
desselben einen Einfluss auf die strafrichterliche Beurteilung
äussern müsse. Einen solchen Einfluss wird aber ein vor Be-
gehung der erfolgten Tat ergangenes zivilrechtliches Urteil überall
da haben müssen, wo dasselbe unter den Parteien ein ihrer Ver-
fügung unterworfenes Rechtsverhältnis für die Zukunft feststellt
und wo die Wirkung des Erkenntnisses soweit geht, dass selbst
ım Fall seiner materiellen Unrichtigkeit, der in ihm anerkannte
Rechtszustand für die Folge wirklich bestehen muss. Eine solche
Wirkung hat das Erkenntnis des Zivilrichters vorzugsweise auf
dem Gebiete der Vermögensrechte. Daher kann z. B. derjenige, der
einer Grenzverrückung beschuldigt ist, sich nicht mehr darauf
berufen, dass er die richtige Grenze hergestellt habe, wenn bereits
vor der Tat durch ein zwischen ihm und seinem Grenznachbar
ergangenes zivilgerichtliches Urteil die Unrichtigkeit seiner Behaup-
tung anerkannt und die Grenze in anderer Weise festgestellt
worden ist ... .... Der Entwurf hat nun im Absatz 1 des $ 221
die Regel aufgestellt, dass auch die Entscheidung zivilrechtlicher
Vorfragen Sache des Strafrichters sei. Er hat aber ferner ge-
glaubt, einer ausdrücklichen Vorschrift darüber, unter welchen
Voraussetzungen schon die blosse Existenz eines vor der Tat
ergangenen zivilgerichtlichen Urteils auf die Entscheidung des
Strafrichters von Einfluss sein müsse, nicht zu bedürfen, da diese
Frage von dem Strafrichter in jedem einzelnen Fall nach all-
gemeinen Rechtsgrundsätzen beurteilt und entschieden werden
1? Hann, Materialien zur StPO. Bd. I S. 201.