1361
Schiffspapiere gefährdet werden können. Findet
die Untersuchung an Bord des angehaltenen
Schiffes statt, so wird ein Visitationskommando,
bestehend aus einem oder zwei Offizieren mit zwei
oder drei Mann, mittels Boots nach jenem ent-
sendet. Diesem sind die Schiffsdokumente zur
Einsicht vorzulegen, damit zunächst die Natio-
nalität des Schiffes konstatiert werden kann.
Welche Papiere zum Ausweis der Nationalität
erforderlich sind, bestimmt sich nach den Gesetzen
desjenigen Landes, welchem das Schiff angehört.
Das wichtigste Papier ist das Zertifikat. In
Ermanglung eines Zertifikats können als Beweis-
mittel für die Nationalität des Schiffes in Betracht
kommen: der Seepaß, das Flaggenattest, der Beil-
brief, der Meßbrief, das Reedereiverzeichnis und
anderweitige Eigentumsurkunden; für die Prüfung
der Reisezwecke der Schiffspassagiere die Muster-
rolle, da diese Namen und Nationalität des an
Bord befindlichen Personals verzeichnet, endlich
auch das Schiffstage= oder Logbuch, Journal,
welches ein fortlaufendes Bild über die Reisetour
zu geben hat. Abgangsort und Bestimmung des
Schiffes werden auch nachgewiesen durch die Mu-
sterrolle, die Pässe, die Zolldeklarierungsdokumente
und die Ladungspapiere. Die letzteren geben über
den Inhalt der Ladung, das Eigentumsrecht an
derselben, deren Herkunft und Bestimmungsort
Auskunft. Der Mangel der wichtigeren Papiere
macht ein Schiff verdächtig. Sind die Papiere in
Ordnung, so ist dem Schiff die Fortsetzung der
Reise unter Ausstellung eines Attestes über die
stattgehabte Prüfung und deren Ergebnis oder
eines bezüglichen Vermerkes auf den Schiffspapieren
zu gestatten. Nur wenn sich das Schiff der Visi-
tation widersetzt hatte, oder wenn die Prüfung der
Papiere dem feindlichen Marineoffizier Veran-
lassung zu dem Verdacht gibt, daß sie gefälscht
oder unregelmäßig sind, ist die Durchsuchung des
Schiffes zulässig. Diese hat unter Zuziehung des
Schiffers möglichst schonend stattzufinden. An-
zuhalten und aufzubringen, d. h. dem Prisengericht
des eigenen Staates zur Aburteilung zuzuführen,
sind nach dem preußischen Prisenreglement von
1864 nur Schiffe, deren Ladung aus Kriegskonter-
bande besteht, die für den Feind oder einen feind-
lichen Hafen bestimmt ist; Schiffe, welche doppelte
oder wahrscheinlich gefälschte Papiere führen;
Schiffe, welche keine Papiere führen, oder welche
ihre Papiere beseitigt haben; Schiffe, welche auf
die Aufforderung des Kreuzers nicht beilegen oder
stoppen oder sich der Durchsuchung von Räumen
und Behältnissen widersetzen, in welchen sich mut-
maßlich Kriegskonterbande oder Popiere befinden;
Schiffe, welche sich über ihre Nationalität nicht
gebührend auszuweisen vermögen; Schiffe, welche
des versuchten Blockadebruchs überführt oder ver-
dächtig sind, vorausgesetzt, daß ihnen der Blockade-
zustand des Hafens bekanntistz ferner Schiffe, welche
feindliche Mannschaften, Depeschen für oder von
dem Feind transportieren. Besteht die Ladung
Durchsuchungsrecht.
1362
nur zum Teil aus Kriegskonterbande, so kann nach
einzelnen Reglements der Schiffer durch Löschen
derselben auf der Stelle oder im nächsten Hafen
das Schiff von der Aufbringung befreien.
Welche Gegenstände Kriegskonterbande
sind, steht völkerrechtlich nicht fest. Das Deutsche
Reich bezeichnet als Kriegskonterbande Kanonen,
Mörser, Waffen, Bomben, Granaten, Kugeln sowie
überhaupt alle Gegenstäude, welche sich unmittelbar
für den Krieg verwenden lassen, sofern sie nicht
zum Gebrauch für das Schiff selbst dienen.
England rechnet dazu Kohlen, Dampfmaschinen
und jeden andern Gegenstand, dessen Bestimmung
für feindliche Kriegszwecke sich in dem besondern
Falle ergebe. Lebensmittel aller Art, Kleidungs-
stücke usw. sind von seinen Prisengerichten für
Kriegskonterbande erklärt worden. Damit wird
neutrales Eigentum zur See tatsächlich dem feind-
lichen gleichgestellt. Das Haager Abkommen will
Lebensmittel und Feuerungsmaterial behufs Er-
reichung des Heimathafens freigegeben wissen.
Begriffsgemäß können Kriegskonterbande nur für
den Krieg geeignete und zugleich für eine der
Kriegsparteien bestimmte Waren oder Personen
sein. Die Entscheidung hängt von den Umstän-
den des einzelnen Falles ab, soweit nicht unter
den Kriegführenden ein ausdrückliches Einver-
ständnis über die Gegenstände, die sie als Konter-
bande zu behandeln beabsichtigen, erzielt ist. Auch
über den objektiven Tatbestand des Blockade-
bruchs ist noch keine Einigung erzielt. So-
bald die Blockade rechtsbeständig, d. h. auf diplo-
matischem Weg notifiziert und tatsächlich vor-
handen ist, soll nach einer in der Praxis noch
vielfach vertretenen Auffassung eine Präsumtion
nicht bloß dafür vorhanden sein, daß der Sach-
verhalt auf dem neutralen Schiff bekannt gewesen
ist, welches auf dem Weg nach dem blockierten
Hafen hin betroffen wird, sondern auch dafür, daß
dieses Schiff einen Blockadebruch wirklich beab-
sichtigt hat. Für die Aufbringung eines derartigen
Schiffes gilt daher jenes Reiseziel für genügend.
Diese Auffassung ist irrig, weil die rechtliche Exi-
stenz einer Blockade zugleich mit der tatsächlichen
Einschließung aufhört; ein Schiff kann daher sehr
wohl bona side die Reise nach einem blockierten
Hafen unternehmen, erwartend, daß bis zu seiner
Ankunft die Blockade aufgehoben sei. Die Auf-
bringung eines Schiffes ist daher nur dann zu-
lässig, wenn dasselbe tatsächlich versucht, durch List
oder durch Gewalt in den blockierten Hafen zu
gelangen. Dieser in der bewaffneten Neutralität
von 1800 ausgesprochene Grundsatz wird von
England nicht anerkannt.
Ergibt die Durchsuchung des Schiffes Kriegs-
konterbande, so ist es aufzubringen (croit
de saisir). Der Befehlshaber des Kreuzers hat
unter Zuziehung des Schiffers oder Steuermanns
des aufgebrachten Schiffes die Ladung, soweit
tunlich, unter Siegel oder Verschluß zu legen und
die Schiffspapiere nebst einem von ihm und dem