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sterium für Ackerbau; 11) Ministerium für die
Kolonien; 12) Ministerium für Arbeit und soziale
Fürsorge, von dem auch die Statistik ressortiert.
Einigen Ministerstaatssekretären stehen Unter-
staatssekretäre zur Seite. — Unter dem Vorsitz
des Siegelbewahrers ist ein Staatsrat (con-
seil d'Etat) eingerichtet, der nach dem Gesetz vom
24. Mai 1872 über die Entwürfe von Gesetzen
und Dekreten, über die Verwaltungsreglements so-
wie über alle Fragen, die ihm durch den Präsiden-
ten der Republik oder durch die Minister vorgelegt
werden, sein Gutachten abgibt (woran aber die
höheren Verwaltungsbehörden durchaus nicht ge-
bunden sind) und über Berufungen in Verwal-
tungsstreitsachen sowie über Nichtigkeitsklagen gegen
angebliche Amtsüberschreitung seitens der ver-
schiedenen Verwaltungsbehörden als oberste In-
stanz erkennt. Er besteht aus dem Justizminister
als Vorsitzenden, 1 Vizepräsidenten, 5 Abteilungs-
präsidenten, 26 ordentlichen, 18 außerordentlichen
Staatsräten, 30 Berichterstattern über Anträge
(maitres desrequetes), 1 Generalsekretär, 36 Au-
ditoren und 1 besondern Abteilungssekretär für
Verwaltungsrechtsstreite. Erledigte ordentliche
Staatsratsstellen besetzt der Präsident der Repu-
blik (Gesetz vom 28. Febr. 1875) nach Anhören
des Ministerrats, und die also ernannten Staats-
räte können nur durch ein im Ministerrate be-
schlossenes Dekret abgesetzt werden. Uber Kom-
petenzkonflikte zwischen den Verwaltungsbehörden
und den Gerichten entscheidet der Kompetenz-
gerichtshof.
Für die innere Verwaltung war Frankreich bis
1790 in 35 Provinzen oder Gouvernements ein-
geteilt, deren Namen noch heute vielfach gebräuch-
lich sind. Die Revolution setzte an ihre Stelle die
viel kleineren, meist nach Gebirgen und Flüssen
benannten Departements, die in Arrondissements
(2—7),diese wieder in Kantone geteilt sind. Heute
zählt Frankreich 86 Departements und das Terri-
torium Belfort (der Rest des ehemaligen Departe-
ments Haut-Rhin) mit 362 Arrondissements, 2908
Kantonen und (1907) 36 222 Gemeinden. Jedes
Departement wird von einem Präfekten (preket),
jedes Arrondissement von einem Unterpräfekten
(sous-prefet), jede Gemeinde von einem Maire
verwaltet. Das Fehlen von Zwischengliedern zwi-
schen den Departements und der Regierung be-
günstigt die überall durchgeführte Zentralisation
der Verwaltung.
Der Präfekt ist der Repräsentant der voll-
ziehenden Gewalt und der Vertreter der Interessen
des Departements; er wird vom Präsidenten der
Republik auf Vorschlag des Ministers des Innern
ernannt und stützt sich auf den Präfekturrat (Be-
hörde) und den Generalrat (Departementsver-
tretung). Im Arrondissement führt die Verwal-
tung der Unterpräfekt (in den Departementshaupt-
städten der Präfekt unmittelbar), der ebenfalls vom
Präsidenten der Republik ernannt wird und dem
auch ein erwählter Rat (conseil d’arrondisse-
Frankreich.
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ment) und ein Steuereinnehmer zur Seite stehen.
Die Kantone (les cantons) haben keine admini-
strative Bedeutung, sondern sind nur die Bezirke
der Friedensrichter und dienen als Grundlage für
Wahlen und Rekrutenaushebungen. — An der
Spitze der Gemeinden stehen die Bürgermeister
(malres), die den doppelten Charakter von Re-
gierungsbeamten und Vertretern der Gemeinden
in sich vereinen. Sie werden mit den Beigeord-
neten (adjoints; 1—12) vom Munizipalrate in
geheimer Wahl auf drei Jahre bestellt, müssen
25 Jahre alt sein und sind unbesoldet. In den
Hauptorten der Departements, Arrondissements
und Kantone werden die Maires und ihre Bei-
geordneten aus der Zahl der Mitglieder des Muni-
zipalrates durch Dekret des Präsidenten der Re-
publik ernannt. In Paris und Lyon, welche 20
bzw. 6 Gemeindearrondissements zählen, versieht
der Departementspräfekt die Funktionen eines
Zentralmaire. Als Vertreter der Regierung hat
der Maire deren Aufträge zu vollziehen, die Aus-
führung der Gesetze zu überwachen und sowohl die
allgemeine wie die Ortspolizei (außer in Städten
von über 40 000 Einwohnern) zu handhaben.
Seine Beschlüsse müssen zum Teil vom Präfekten
oder Unterpräfekten bestätigt werden; auf Strafen
darfer nicht erkennen. Als Vertreter der Gemeinde
leitet er deren Verwaltung, führt den Vorsitz im
Munizipalrate, vertritt die Gemeinde vor Ge-
richt usw.; auch ist er Zivilstandsbeamter, doch
unter Aufsicht der Justizbehörde (Staatsproku-
rator). Sein' Gehilfe und Stellvertreter ist der
Adjunkt.
Die allgemeine Polizei wird unter Oberauf-
sicht des Ministeriums des Innern von den Prä-
fekten unter Mitwirkung von Polizeikommissaren
(in den größeren Orten) ausgeübt; die Gemeinde-
polizei vom Maire unter Aufsicht der oberen Ver-
waltungsbehörden.
Die Grundlage des gesamten öffentlichen und
privaten Rechts in Frankreich bilden noch heute
die „ceind Codes“: Code civil des Français
(1804, später Code Napoléon), Code de pro-
cédure civile (1807), Code de commerce
(1808), Code d’instruction criminelle und Code
pénal (1811), wozu gewöhnlich noch ein Code
forestier und ein Code rural gerechnet werden.
Die Gerichtsverfassung beruht ebenfalls noch auf
dem Organisationsgesetze vom 24. Aug. 1790,
welches durch die Gesetze vom 17. März 1800,
20. April 1810, 11. April 1838, 3. Mai 1840 u. a.
ergänzt und erweitert worden ist. In der Zivil-
gerichtsbarkeit ist zunächst für jeden Kanton ein
Friedensrichter (juge de paix) bestellt, dem jede
Zivilklage erst zur vergleichsweisen Erledigung
(conciliation) vorzulegen ist. Der Friedens-
richter ist auch erkennender Richter in bürgerlichen
Rechtsstreitigkeiten bis zu einem Wertbetrage von
100 Francs ohne Appellation gegen seine Ent-
scheidung und bis zu 200 Francs mit Appellation.
Diese geht an die (362) Arrondissementsgerichte