Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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vom 28. März 1872, die Entziehung und Beschrän- 
kung des Grundeigentums für jedes dem öffentlichen 
Nutzen gewidmete Unternehmen durch Enteig- 
nungsgesetz vom 24. Juni 1902 geregelt. Baden 
erhielt ein Expropriationsgesetz am 28. Aug. 1835, 
welches ergänzt und abgeändert ist durch die Ge- 
setze von 1838, 1858 und 1879 (5 113). Die 
Enteignung ist nunmehr allgemein geregelt durch 
das diese Gesetze aufhebende Enteignungsgesetz vom 
26. Juni 1899 und die Novelle vom 5. Okt. 1908. 
In Bayern wurde die Zwangsabtretung von 
Grundeigentum für öffentliche Zwecke durch Gesetz 
vom 17. Nov. 1837 geregelt, zu welchem die Ge- 
setze über die Errichtung eines Verwaltungsgerichts- 
hofes vom 8. Aug. 1878 Art. 8, Nr 10 und 
Art. 47, sowie das allgemeine Gesetz zur Zivil- 
prozeßordnung vom 23. Febr. 1879 Art.45/55 und 
das Ausf.Ges. z. B.G.B. Art. 189 Ergänzungen 
enthalten. Daneben ist durch Gesetz vom 27. Mai 
1852 die Enteignung für Wasserläufe, durch Gesetz 
vom 20. März 1849 die für Bergbau und durch 
Gesetz vom 29. Mai 1886 die für Wege geregelt. 
Auch Preußen beschränkte sich anfangs auf eine 
Reglung für einzelne Zwecke. Grundlegend wurde 
das Eisenbahngesetz vom 3. Nov. 1838, welchem 
das Deichgesetz vom 28. Jan. 1848, das Berg- 
gesetz vom 24. Juni 1865 und erst am 11. Juni 
1874 ein allgemeines Enteignungsgesetz folgten. 
Neben diesem allgemeinen Gesetze gelten die Spe- 
zialgesetze in einzelnen Punkten fort und sind weitere 
Spezialgesetze über die Enteignung von Grund- 
eigentum zu Zwecken der Landestriangulation 
(7. Okt. 1865, 7. April 1869 und 3. Juni 1874), 
der Baufluchtlinie (2. Juni 1875), der Gemein- 
heitsteilungen und Ablösungen sowie der Schlacht- 
häuser (18. März 1868), zum Schutz von Quellen 
(14. Mai 1908) und zur Förderung des Deutsch- 
tums in Posen erlassen. Für Hessen ist die Zwangs- 
enteignung der Grundstücke durch Gesetz vom 
27. Mai 1821 und vom 21. Juni 1884 und für 
Württemberg durch Gesetz vom 20. Dez. 1888 
geregelt. Frankreich hatte das Enteignungsrecht 
durch das Gesetz vom 3. Mai 1841 geordnet, 
welches Gesetz für Elsaß-Lothringen in Bezug auf 
die Feststellung der Entschädigung durch Gesetz 
vom 20. Juni 1887 abgeändert worden ist. Die 
Gesetzgebung des Deutschen Reichs enthält Ent- 
eignungsvorschriften für Leistungen zu Militär- 
zwecken (Ges. v. 13. Juni 1878), für die Abwehr 
und Unterdrückung von Viehseuchen (Gesetz vom 
7. April 1869 und 23. Juni 1880) und der Reb- 
laus (Ges. v. 27. Febr. 1878), für Eisenbahnen 
(Verf.-Urkunde Art. 41) und für Festungen (Ges. 
v. 21. Dez. 1871). Eine kaiserliche Verordnung 
vom 14. Febr. 1903 regelt die Enteignung in den 
Kolonien. 
In Österreich darf in das Privateigentum 
nicht eingegriffen werden, wenn nicht erwiesene 
öffentliche Rücksichten es notwendig machen. Ein 
allgemeines Enteignungsgesetz fehlt. Es bestehen 
Sondergesetzeüber die Enteignung beim Wasserbau 
Enteignung. 
  
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und der Ausübung des Wasserrechts (30. Mai 
1869), beim Eisenbahnbau (18. Febr. 1878 und 
18.Juli 1892), bei Einziehung der Privatmauten, 
bei der Salzgewinnung, bei Tierkrankheiten 
(29. Febr. 1880 u. 17. Aug. 1892), bei Katastral- 
vermessungen, bei Straßenbauten (2. Mai 1818 
und 11. Okt. 1821), bei Schulbauten, beim Berg- 
bau (23. Mai 1854), bei Triftbauten und bei 
Bergung von Forstprodukten (2. Dez. 1852), 
bei Lagerhäusern (28. April 1889), bei Abwehr 
der Reblaus (3. April 1895), bei militärischen 
Anlagen (11. Juni 1879) sowie bei der Zusam- 
menlegung von Grundstücken und Waldenklaven 
(7. Juni 1883). 
In Frankreich bildet das Gesetz vom 3. Maie 
1841 in Verbindung mit den Gesetzen v. 30. März 
1831, 19. Jan., 17. März, 13. April 1850, 
27. Juli 1870, 4. April 1882 und 29. Dez. 1892 
die Grundlage des Enteignungerechts. 
Das englische Enteignungsrecht beruht auf 
den Gesetzen vom 8. Mai 1845, 20. Aug. 1860 
und 30. Juli 1842. 
3. In Bezug auf die juristische Konstruk- 
tion des Enteignungsrechts, die nicht ohne Ein- 
fluß auf die Entscheidung von Einzelfragen ist, 
stehen sich vier Ansichten gegenüber. Nach der einen 
Auffassung (preuß. Allg. Landrecht TI I, Tit. 11, 
88 34 ff) ist die Zwangsenteignung ein Zwangskauf, 
dessen Besonderheit dem freiwilligen Kauf gegen- 
über darin besteht, daß sowohl der Kaufgegenstand 
wie der Preis nicht von den Parteien, sondern von 
Dritten bestimmt wird. Diese Anschauung ist jetzt 
aufgegeben. Laband, Grünhut und v. Roth fassen 
die Enteignung als einen Eigentumserwerb kraft 
Gesetzes, als Legalerwerb auf. Das Objekt der 
Zwangsenteignung gehe von selbst auf den Er- 
werber über, der ein auf dem Gesetze beruhendes 
Recht auf den Erwerb der Sache habe, während 
dem Eigentümer die auf dem Gesetze beruhende 
Verpflichtung obliege, die Enteignung vor sich 
gehen zu lassen; diese sei somit nicht eine abgelei- 
tete, sondern eine originäre Erwerbsart. Sie be- 
stehe aus zwei einseitigen Rechtsverhältnissen, dem 
Eigentumsübergang kraft Gesetzes infolge eines 
einseitigen Staatsaktes und dem Forderungsrecht 
des Enteigneten auf Erstattung des Wertes der 
enteigneten Sache. Nach Beselers Ansicht ist die 
Enteignung ein Zwangsvergleich. Nach einer 
vierten Ansicht ist das Prinzip der Enteignung 
das eines abgeleiteten Eigentumserwerbs durch 
einseitige Erklärung des zur Enteignung Berech- 
tigten. Die Enteignung ist ein öffentlich-rechtlicher 
Vorgang. Aber das Gesetz allein genüge nicht, 
um den Eigentumserwerb im Einzelfall herbei- 
zuführen; dazu werde eine besondere Tätigkeit der 
Parteien oder der Behörden erfordert. Regelmäßig 
sei ein Akt der Verwaltungsbehörde zur Vollziehung 
des Eigentumsübergangs erforderlich, welcher den 
Charakter eines rechtsbegründenden Verwaltungs- 
aktes habe (G. Meyer und das Reichsgericht, beson- 
ders Gierke, Deutsches Privatrecht). Durch diesen 
 
	        
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