Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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Garantiegesetz, italienisches, siehe 
t 
apst. 
Garantien, staatsrechtliche. [Allge- 
meine Einleitung. Eid des Monarchen auf die 
Verfassung. Politischer Eid. Rechte der Volks- 
vertretung zur Wahrung der Verfassung, ins- 
besondere Budgetbewilligung und Verfassungs- 
änderung. Ausschüsse und Selbstversammlungs- 
recht. Ministerverantwortlichkeit. Belagerungs- 
zustand. Garantien in Staatenverbindungen.) 
I. Allgemeine Einleitung. Der Gegensatz 
von Verfassungsstaat und absolutem Staat zeigt 
sich vor allem darin, daß dem absoluten Staat die 
sormellen Garantien, die äußeren Schutzmaßregeln 
für die Beobachtung der staatsrechtlichen Normen 
fehlen. Der Verfassungsstaat ist ihm gegenüber 
also der vollkommenere, der ausgebildetere Rechts- 
staat. Damit ist aber nicht gesagt, daß überall 
da, wo man das Bedürfnis nach verfassungs- 
mäßigen Garantien des Rechts empfindet, nun 
auch sofort das politische Verständnis und die 
Gunst der Verhältnisse vorhanden ist, um diese 
Garantien auch technisch allseitig auszubilden. 
Beispiele aus der Geschichte zeigen, daß man sich 
oft mit einzelnen Stücken zeitweise begnügen mußte. 
Die Vollkommenheit des Verfassungsstaates ist also 
nurrelativ und kann sehr abgestuft sein. Die Volks- 
vertretung ist allein kein Kriterium des Verfassungs- 
staates. Nur da sprechen wir von einem Ver- 
fassungsstaat, wo eine organisatorische Sonderung 
von Verwaltung und Zentralverwaltung von der 
Gesetzgebung oder Rechtskontrolle durchgeführt ist, 
also das Prinzip der Teilung der Gewalten, wie 
es schon Locke und Montesquien gefordert hatten. 
Aber als selbständige Gewalt des Staates ist nicht 
nur Gesetzgebung, Verwaltung und Justiz, sondern 
überhaupt die Rechtskontrolle in Form der Re- 
gierungs= und Verwaltungskontrolle anzusehen. 
Also muß die Einrichtung gesonderter Organe 
für Regierung und Verwaltung einerseits, für die 
Rechtskontrolletätigkeiten anderseits gefordert wer- 
den. Die Geschichte der Entwicklung der Ver- 
fassungsformen zeigt, wie vielgestaltig die äußeren 
Garantien des rechtlich anerkannten Zustandes 
sind. Bald tritt die eine bald die andere Ver- 
fassungsform in den Vordergrund, bald bemerken 
wir das Streben nach schriftlicher Fixierung der 
Schranken der Regierung, bald begegnet uns die 
Tendenz, die politische Macht unter zwei selbstän- 
dige Organe zu verteilen und den Gesamtstaat in 
verschiedene über= und untergeordnete Kreise mit 
selbständiger, selbstverwaltender Tätigkeit zu glie- 
dern. Denn auch diese Dezentralisation wirkt in 
dem Gegensatz des Gesamtstaates und der Vielheit 
der Gliedstaaten, des Staates und der Vielheit 
der Provinzen und Gemeinden als gegenseitige 
Kontrolle der politisch tätigen Mächte. Der de- 
zentralisierte Verfassungsstaat ist historisch be- 
trachtet nicht die Ausnahmeerscheinung, sondern 
der politische Normalzustand, in dem das Staats- 
leben sich von Anfang an entwickelte. 
Garantiegesetz, italienisches — Garantien, staatsrechtliche. 
  
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Eine unfehlbare Garantie der rechtlichen Frei- 
heit einer Nation ist weder das geschriebene Gesetz 
noch die Volksvertretung. Die verfassungsmäßige 
Sicherheit der Individuen hängt in erster Linie 
von dem Ausbau der Kontrolle der Bürger und 
Behörden, also von den Formen der Rechtspflege 
ab, deren Organe von denen der Verwaltung und 
Regierung möglichst losgelöst werden sollen. (Vgl. 
R. Schmidt, Allg. Staatslehre 1I (19011 201 ff.) 
Die Verfassungsurkunden der konstitutionellen 
Staaten gewähren als Sicherungsmittel, welche 
das konstitutionelle Staatsrecht als die inneren 
Garantien der Verfassung zum Schutze gegen Ver- 
letzung für nötig erachtet: 1) die Bekräftigung der 
Verfassungspflichten durch Eide, 2) die Volksver- 
tretung selbst und deren Ausschüsse, 3) die Er- 
schwerung der Anderung der Verfassung, 4) die 
Verantwortlichkeit der Minister in Verbindung mit 
dem Beschwerderecht der Volksvertretung, 5) die 
Verkündigung des Belagerungszustandes. 
II. Eid des Monarchen auf die Verfassung. 
Durch die Verfassungen der meisten Staaten ist 
die Leistung des Eides seitens des Herrschers vor- 
geschrieben, aber eine rechtliche Voraussetzung für 
die Regierung ist jener Eid nicht, da dies dem 
monarchischen Sukzessionsprinzip widersprechen 
würde. Anders in Oldenburg, Anhalt, Coburg- 
Gotha, Reuß jüngerer Linie und in Belgien, wo# 
das Ministerium bis zur Verpflichtung des Mon- 
archen auf die Verfassung die Regierungsgewalt 
ausübt. In Preußen lautet der Eid dahin, „die 
Verfassung des Königreichs fest und unverbrüchlich 
zu halten und in Übereinstimmung mit derselben 
und den Gesetzen zu regieren“. Der Wortlaut des 
bayrischen Königseides ist folgender: „Ich schwöre, 
nach der Verfassung und den Gesetzen des Reiches 
zuregieren, so wahr mir Gott helfe und sein heiliges 
Evangelium.“ In Württemberg sichert der neue 
König in einer den Ständen des Königreichs aus- 
zustellenden feierlichen Urkunde die unverbrüchliche 
Festhaltung der Landesverfassung bei seinem könig- 
lichen Worte zu. Diese feierliche Zusicherung bildet 
nur eine verfassungsmäßige Pflicht des Königs, 
keine Voraussetzung für den Regierungsantritt, 
wie z. B. Mohl noch annahm. In England ge- 
hören zum Erwerb der Königskrone die beiden 
scharf getrennten Akte des Regierungsantritts und 
der Krönung. Der neue Monarch betritt unmittel- 
bar nach dem Tode seines Vorgängers die Ver- 
sammlung des Staatsrates, die soeben ihn schrift- 
lich proklamiert hat, und unterschreibt den Eid, 
den er nach der Unionsakte mit Schottland von 
1707 zur Sicherheit der Staatskirche von Schott- 
land sofort nach dem Regierungsantritt zu leisten 
verpflichtet ist. Während der Krönungsakt im 
kontinentalen Staatsrecht, so namentlich im deut- 
schen, als reine Zeremonienfrage ohne juristische 
Bedeutung behandelt wird, ist in England die 
Krönung eine wesentliche Bedingung des Erwerbs 
der Königswürde; und der wichtigste Teil des 
Krönungsaktes ist der Krönungseid, worin sich 
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