Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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gewisse Garantie, daß die Verfassung als Ganzes 
und in all ihren Teilen von seiten der Regierung 
unverbrüchlich gehalten und kein Gesetz verfassungs- 
widrig ausgelegt wird. Indes zeige der Verlauf 
des preußischen Militärbudgetkonfliktes der 60er 
Jahre des vergangenen Jahrhunderts, daß auch 
diese Garantie keine absolut sichere ist. Näheres vgl. 
die Art. Steuerbewilligung und Steuerverweige- 
rung, Staatshaushalt. 
V. Ausschüsse. Zur Wahrung der Rechte der 
Repräsentativkörper während der Zeit, wo diese 
nicht versammelt sind, sehen die Verfassungen 
mehrerer deutschen Staaten sog. landständ ische 
Ausschüsse vor, bestehend aus einer Anzahl ge- 
wählter Mitglieder und dem Präsidenten der letzten 
Session. Diesen Ausschüssen liegt z. B. ob die 
Vorbereitung von Vorlagen für den Landtag und 
meist eine Kontrolle der Finanzverwaltung. Die 
Tätigkeit eines solchen Ausschusses beschränkt sich 
auf die Verteidigung und Wahrung der ständischen 
Garantien, staatsrechtliche. 
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raumes stattfindet. Demgemäß verfügt die Re- 
vidierte Verfassungsurkunde (von 1852, Art. 150, 
§§ 1 u. 2) des Großherzogtums Oldenburg wie 
folgt: „Nach einer Auflösung des Landtages müssen 
die neuen Wahlen innerhalb zwei Monaten aus- 
geschrieben werden. Der Landtag ist auf einen 
Tag einzuberufen, welcher innerhalb der auf die 
Wahlausschreibung folgenden drei Monate fällt. 
Unterbleibt das eine oder das andere, so treten die 
Mitglieder des aufgelösten Landtages bis zum 
Zusammentritt der neugewählten Abgeordneten in 
ihre früheren Rechte und versammeln sich ohne 
Einberufung baldtunlichst zur Wahrung des 
Staatsgrundgesetzes.“ Ahnlich verfügt Sachsen- 
Weimars Revidiertes Verfassungsgesetz von 1850 
§5 34. Auch für den Fall des Todes des Landes- 
herrn (Oldenb. Verf.-Urk. v. 1852, Art. 198, 
§2; Sachsen-Coburg und Gotha, Verf.-Urk. v. 
1852 8§ 158) oder des gänzlichen Erlöschens der 
Dynastie (Sachsen-Coburg und Gotha, Verf.-Urk. 
  
  
und der Volksrechte. Er ist zu diesem Behufe be= v. 1852 § 160) kommt ein Selbstversammlungs- 
fugt, Vorstellungen, Verwahrungen und Beschwer= recht der Landesvertretung vor. Der Wert solcher 
den beim Staatsministerium einzureichen; er hat Ausschüsse und des sofortigen Zusammentritts des 
ferner das Recht, um Einberufung eines außer= Landtags ist unverkennbar. 
ordentlichen Landtages zu bitten; er übt ferner VI. Ministerverantwortlichkeit. In jedem 
eine Aufsicht gegenüber der Finanzverwaltung aus; Verfassungsstaate besteht für den Monarchen die 
ferner steht ihm gewöhnlich zu die Aufsicht und Verpflichtung, seine Regierungsgewalt nur durch 
Leitung der Verwaltung der Staatsschuldentil= seine Minister ausüben zu lassen. Da der Monarch 
gungskasse. Solche landständische Ausschüsse überall unverletzlich, also unverantwortlich ist, so 
kennt die württembergische Verfassung, die badische folgt daraus, daß alle Regierungsakte.des Mon- 
Verfassung, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Alten= archen von einem Minister mitunterzeichnet sein 
burg, Sachsen-Coburg und Gotha, Braunschweig, müssen, der dann dafür die volle Verantwortlich- 
Oldenburg, Anhalt, Schwarzburg-Sondershausen keit hat. Er ist für die Handlungen des Monarchen 
und Schwarzburg-Rudolstadt, die beiden Reuß so verantwortlich, als wären es seine eigenen Hand- 
und Schaumburg-Lippe. In Sachsen-Weimar 
werden diese Befugnisse teils durch den Landtags- 
vorstand teils durch den Rechnungsausschuß wahr- 
genommen. 
Das Selbstversammlungsrecht des 
Landtages ist nur in einigen deutschen Kleinstaaten 
anerkannt, und auch in diesen nur in ganz ver- 
einzelten Fällen. Jede gesetzlich nicht ausdrücklich 
für zulässig erklärte Selbstversammlung des Land- 
tages ist verfassungswidrig, die Beschlüsse einer 
solchen Versammlung sind nichtig. Ein umfassenderes 
Selbstversammlungsrecht gewährt die Braunschwei- 
gische Neue Landesordnung von 1881 § 113 und 
das Gesetz vom 26. März 1888 § 3. Danach 
darf die Ständeversammlung in ganz bestimmten 
Fällen ohne landesherrliche Berufung zusammen- 
treten und Beschlüsse fassen, z. B. auf Veranlas- 
sung einer plötzlichen allgemeinen Landesgefahr, 
wenn das Landesgrundgesetz verletzt wird und An- 
träge zu dessen Schutz zu machen sind, insbeson- 
dere wenn der Landtag nicht binnen drei Jahren 
berufen wird usw. In andern Verfassungsurkunden 
ist die Selbstversammlung der Volksvertretung in 
gewissen Fällen sogar zur Pflicht gemacht worden. 
Dies ist z. B. der Fall, wenn nach vorgängiger 
Auflösung des Landtages die Einberufung eines 
neuen nicht innerhalb des verfassungsmäßigen Zeit- 
lungen, überall ohne den Entlastungsgrund des 
geleisteten Gehorsams. „Niemals kann der Mini- 
ster der Verantwortlichkeit dadurch entgehen, daß 
er sich auf den Befehl des Monarchen beruft; der 
Monarch kann den Minister nicht decken, vielmehr 
soll der Minister den Monarchen mit seiner Ver- 
antwortlichkeit decken“ (Anschütz a. a. O. II 568), 
und zwar haftet der Minister nicht nur für die 
Rechtsgültigkeit, sondern auch für die Zweckmäßig- 
keit der von ihm gegengezeichneten Regierungs- 
handlungen; demnach ist der Minister auch ver- 
antwortlich für reine Ermessungsakte, wie Be- 
gnadigungen, Beamtenernennungen, Beförde- 
rungen, Auszeichnungen, diplomatische Aktionen. 
Dasselbe gilt von der Stellung des Reichskanzlers; 
„er ist ein verfassungsmäßig notwendiger, nicht 
zu umgehender Beamter und Regierungsgehilfe 
des Kaisers“, der nur durch ihn staatsrechtlich 
gültige, ohne Verfassungsbruch vollziehbare Ent- 
schließungen fassen kann. Nach Art. 17 der Reichs- 
verfassung bedürfen die Anordnungen und Ver- 
fügungen des Kaisers zu ihrer Gültigkeit der 
Gegenzeichnung des Reichskanzlers, welcher da- 
durch die Verantwortlichkeit übernimmt. Gegen- 
ständlich erstreckt sich die Verantwortlichkeit des 
Reichskanzlers auf den Gesamtbereich der kaiser- 
lichen Regierungsgewalt, dagegen nicht auf die
	        
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