Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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tungen, dann für einzelne Handlungen ihrer Or- 
gane bei Verwaltung ihres Amtes, welche für den, 
der sie in Anspruch nehmen muß, zugleich von 
einem gewissen Wert sind, mannigfaltige Ver- 
gütungen, welche man unter dem Namen Ge- 
bühren zusammenfaßt. Zur ersten Art gehören 
die Gebühren für Benutzung von Schulen, Mu- 
seen, Schlachthäusern, Volksbibliotheken, Lese- 
hallen; zur zweiten Art die Gebühren für die 
Genehmigungen und Beaussichtigungen auf dem 
Gebiete der Baupolizei, für die Handhabung der 
Ordnungs= und Feuerpolizei bei Märkten, Messen. 
öffentlichen Aufführungen, Schaustellungen, Lust- 
barkeiten, für Eintragung und Auszugserteilung 
bei den Zivilstandsregistern, im Hafen-, Werft- 
und Lagerhausverkehr, bei der Anrufung gemeind- 
licher Gerichte. Ferner erheben die Gemeinden 
behufs Deckung der Kosten für Herstellung und 
Unterhaltung von Veranstaltungen, welche durch 
das öffentliche Interesse erfordert werden, dabei 
aber doch einzelnen Mitgliedern der Gemeinde be- 
sondere wirtschaftliche Vorteile bringen, Bei- 
träge zu den Kosten dieser Veranstaltungen; so 
Gemeinde. 
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vermögen, daß er ohne Steuern auskommen kann, 
in Preußen z. B. nur 670 von rund 50 000 Ge- 
meinden. Daraus ergibt sich die hohe Bedeutung 
des gemeindlichen Steuerwesens. Unter Gemeinde- 
steuern sind diejenigen Geldbeträge zu verstehen, 
welche die Gemeinde auf Grund ihrer obrigkeit- 
lichen Gewalt von ihren sämtlichen Mitgliedern 
nach festen allgemeinen Verteilungsgrundsätzen 
zur Deckung des gesamten Gemeindeaufwandes 
oder des Fehlbetrages desselben erhebt. An und 
für sich steht der Gemeinde das gesamte System 
der indirekten und direkten Steuern zu Gebote, 
wie dem Staat, und selbständige gemeindliche 
Steuereinrichtungen neben den staatlichen sind 
nicht selten. Doch sind von Staats wegen oft be- 
schränkende Bestimmungen getroffen, indem ge- 
wisse Steuern aus finanzpolitischen Gründen dem 
Staate vorbehalten, andere aus Rücksicht auf das 
sallgemeine Staatswohl der Gemeinde versagt 
werden. Meistens ist auch ein staatliches Geneh- 
migungsrecht für die von der Gemeinde zu er- 
hebenden Steuern vorbehalten. 
5. Das rasche Anwachsen der Gemeindeaus- 
  
die Beiträge für Anlage von Straßen, Plätzen gaben, welches bewirkt hat, daß die Höhe der Ge- 
und Kanälen, welche von den anliegenden Grund= meindesteuern häufig die Höhe der Staatssteuern 
eigentümern erhoben werden, ferner für die Be= um ein Vielfaches überstieg und die weitere Aus- 
nutzung der Kanäle, für die Unterhaltung der dehnung des gemeindlichen Steuereinkommens 
Straßenreinigungund Straßenbeleuchtung. Eigen= unmöglich wurde, hat dazu geführt, daß mehrfach 
artig sind die Vergütungen, welche in Bade= und der Staat aus den staatlichen Mitteln den Ge- 
sonstigen Kurorten von den Kurgästen erhoben meinden gewisse Beträge überweist, entweder 
werden für die Herstellung und Unterhaltung ihrer für bestimmte Zwecke oder ohne Zweckbestimmung 
zu Kurzwecken getroffenen Veranstaltungen (Kur- 
taxen). Diese Einnahmen stellen sich vom wirt- 
schaftlichen Standpunkt als Gegenwert, wenn auch 
keineswegs als voller Gegenwert für die Leistungen 
der Gemeinde dar. Vom staatsrechtlichen Stand- 
punkt aus sind sie eine Gebühr, d. h. eine Abgabe 
auf Grund des Besteuerungsrechts der Gemeinde, 
welche im Anschluß an bestimmte Leistungen oder 
Akte der Gemeindetätigkeit eingezogen wird, an- 
statt wie die Steuern auf alle Gemeindemitglieder 
nach gleichen Sätzen verteilt zu werden. Sie decken 
häufig nur einen Teil der der Gemeinde durch die 
einzelnen Akte verursachten Kosten. Ihr Ertrag 
ist regelmäßig ein im Verhältnis zum gesamten Ge- 
meindeaufwand geringer, in einzelnen Fällen aber 
recht bedeutend. Die Höhe, in welcher solche Bei- 
träge erhoben werden, sollte nicht übertrieben 
werden, weil immerhin doch nicht nur die zur 
Zahlung herangezogenen Grundbesitzer allein an 
den betreffenden Veranstaltungen interessiert sind, 
sondern auch alle andern Gemeindemitglieder, 
und weil solche Beiträge einen Einfluß auf die 
Höhe der Wohnungemieten nicht vermeiden lassen, 
welher für die unteren Volksklassen unbillig sein 
ann. 
4. Soweit diese Einnahmen zur Deckung des 
Gemeindebedarfs nicht ausreichen, ist die Gemeinde 
angewiesen auf das Erheben von Steuern. Nur 
ein kleiner Teil der Gemeinden hat in den zivili- 
sierten Staaten Europas ein so großes Nutzungs- 
zur allgemeinen Erleichterung der Gemeindelasten. 
Eine teilweise innere Berechtigung gewinnen diese 
UÜberweisungen, wenn man sie betrachten kann als 
Entgelt für die Erfüllung derjenigen staatlichen 
Aufgaben, welche der Staat der Gemeinde über- 
tragen hat und welche diese für denselben und in 
dessen Namen leistet. — Für Preußen kommt hier 
zunächst in Betracht das von dem Abgeordne- 
ten Freiherrn v. Huene vorgeschlagene Gesetz vom 
14. Mai 1885 (lex Huene), nach welchem ein 
Teil des auf Preußen entfallenden Betrages der 
Reichsgetreide= und Viehzölle zunächst den Kreisen 
und innerhalb dieser den Gemeinden überwiesen 
wurde, und das Gesetz vom 14. Juni 1888 mit 
Ergänzung durch Gesetz vom 31. März 1889, 
nach welchem der Staat den Gemeinden aus all- 
gemeinen Staatsmitteln einen Beitrag zu den den 
Gemeinden obliegenden Kosten des Volksschul- 
wesens leistet. Man kann diese Erscheinung, so 
wohltätig sie auch für die derzeitigen Verhält- 
nisse wirkt, vom rein theoretischen Standpunkt 
aus nur als eine Anomalie betrachten. Man wird 
sagen müssen, daß grundsätzlich der Staat nur so 
viel an Steuern erheben soll, als er bedarf, da- 
gegen aber den Gemeinden durch gesetzliche Ein- 
richtungen die Möglichkeit bieten muß, ihren ge- 
samten Bedarf selbst aufzubringen. Eine sub- 
sidiäre Pflicht des Staates, leistungsunfähige Ge- 
meinden allgemein oder zu einzelnen Zwecken zu 
unterstützen — so für Schulzwecke, wie nach Preu- 
  
 
	        
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