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so wichtige Verfassungsveränderungen und so
radikale Umgestaltungen, wie es die Auflösung
der ursprünglich demokratischen Regierungsform
und an ihrer Statt die Einsetzung eines aristokra-
tischen Regimentes und wieder die Beseitigung
dieses letzteren und dafür der Eintritt einer zunächst
konstitutionell monarchischen und sodann absolut
monarchischen Regierung sind, in einem verhältnis-
mäßig kurzen Zeitraum, in erstaunlich rascher Auf-
einanderfolge und überall unter Bestrebungen und
Bewegungen, die dieselbe Veranlassung hatten,
den gleichen Verlauf nahmen und mit denselben
Ergebnissen endigten, sich vollzogen haben, ohne
daß die Geschichte derartiger Vorgänge Erwäh-
nung tut, noch sich irgendwie Spuren der doch
mindestens hie und da unvermeidlichen Wider-
sprüche und Gegenbestrebungen auffinden lassen.
Der Hinweis auf analoge Entwicklungen auf dem
politischen Gebiet kann nicht entscheidend sein, da
die Verfassungsentwicklungen der politischen Ver-
bände verschiedene und lokal eigentümliche waren,
die einzelnen Stadien derselben große Zeiträume
umfassen und die Endresultate immer unter lang-
wierigen Kämpfen errungen sind. Gerade an-
gesichts der überall gleichmäßigen Resultate auf
kirchlichem Gebiet muß der besonnene und un-
befangene Historiker zu dem Schlusse kommen, daß
es sich hier um etwas von vornherein Gegebenes,
nicht allmählich erst Entstandenes handelt, um
etwas, das sein Wesen in allmählicher geschicht-
licher Entwicklung entfaltet, aber keineswegs das
Produkt derselben ist.
II. Das Wesen des Epistopats und seine
äußere Betätigung. Ist der Episkopat eine
Fortsetzung des Apostolats, so muß er, um dieses
sein zu können, auch wesentlich dasselbe sein, was
der Apostolat ist. Das Amt der Apostel
war, wie oben des näheren ausgeführt ist, kein
vorübergehendes; es mußten Erben ihres Amtes
an ihre Stelle treten. Bei allem Wechsel, der
sich in stetiger Aufeinanderfolge in den Personen
als Trägern und Organen desselben vollzieht,
bleibt es stets dasselbe; denn ihm und nicht jenen
ist die ununterbrochene Fortdauer bis zum Ende
der Zeiten göttlich zugesichert. Der hl. Cyprian
sagt deshalb auf einem Konzil zu Karthago:
Manifesta est sententia Domini nostri lesu
Christi apostolos suos mittentis et ipsis
solis potestatem a patre sibi datam per-
mittentis, quibus nos successimus adem
Potestate ecclesiam gubernantes. — Die
Apostel stellen eine Gesamtheit dar, und in dieser
Gesamtheit der Apostel oder in dem Apostolat
ist zugleich eine besondere Gemeinschaft gegeben,
die sich auf die Berufung zur Stellvertretung
Christi gründet. Die einzelnen partizipieren an
dieser gemeinsamen Stellvertretung als Glieder
der Gemeinschaft, und der hl. Petrus erscheint
als das Haupt oder als der Einheits= und Mit-
telpunkt derselben, nicht als eine Idee innerer
Vereinigung, die sich in allmählicher Verkörpe-
Episkopat.
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rung zu objektivieren strebt, nach und nach ge-
worden, sondern als das sie mit konstituierende
und deshalb wesentliche Moment von Christus
gesetzt. Die persönliche Vielheit der gottverord-
neten Vertreter, der Apostel, wird durch Christi
Wort aufgehoben und durch ihn in der Fürstung
Petri zur Einheit gestaltet (s. d. Art. Papst).
Kommt deshalb allen Aposteln als Mitgliedern
der apostolischen Gemeinschaft sowohl die Fülle
wie Allgemeinheit der von Christus übertragenen
Gewalt zu, so dem hl. Petrus allein die Unab-
hängigkeit und Souveränität bei der Ausübung
derselben, weil ihm allein diese in der Bestellung
zum Fundament oder Haupte jener verliehen ist.
Weil der hl. Petrus, Mitglied des Apostolats wie
alle andern Apostel, zugleich Träger der Einheit
und das Haupt derselben ist und allein die Sou-
veränität besitzt, so folgt daraus, wenn das alles
kein bloßes Spiel mit Worten sein soll, mit Not-
wendigkeit, daß die andern Apostel, Glieder des
Apostolats wie Petrus, oder wie der hl. Cyprian
sagt, bekleidet mit dem gleichen Anteil an Ehre
und Vollmacht, bei der Ausübung der allen zu-
kommenden apostolischen Gewalt zu Petrus in
einem Verhältnis derartiger Abhängigkeit und
Unterordnung standen, daß ihre Betätigung in der
seinigen eine Begrenzung fand, während bei ihm
dieselbe äußerlich unbegrenzt war.
In dem Episkopat, der nichts anderes ist als
der Apostolat oder eine Fortsetzung desselben,
mußte das gleiche Verhältnis auf die Nachfolger
der Apostel, auf die Bischöfe, übergehen, und mit
Rücksicht auf dieses prinzipielle Verhältnis, welches
ebenso den wesentlichen und organisatorischen
Grundzug des Apostolats wie Episkopats bildet,
erhält dieses letztere Wort seiner Bedeutung nach in
der Art eine Verengerung, daß es die Gesamtheit
der Bischöse mit Ausschluß des Bischofs von
Rom, als Trägers des Primats, bezeichnet. Auch
in dieser engeren Bedeutung ist der Episkopat sach-
lich unzertrennlich vom Primat; der eine ist und
bleibt mit dem andern gegeben; es gibt keinen
Primat ohne den Episkopat, und umgekehrt. Durch
die Verengerung des Begriffs Episkopat und die
darin ausgesprochene Gegenüberstellung soll nur
jenes ihm immanente und auf göttlicher Satzung
beruhende Verhältnis zum Primat sprachlich zum
Ausdruck gebracht werden.
Unter Episkopat versteht man hiernach die Ge-
samtheit der Hierarchen, welche als Nachfolger der
Apostel auf Grund göttlicher Anordnung, wie
diese, Träger der dreifach gestalteten kirchlichen
Gewalt sind und dieselbe in Einheit mit und in
Abhängigkeit vom Papst, als Nachfolger Petri,
auf Grund des kirchlichen Rechts regelmäßig in je
einem bestimmten kleineren Teil der Kirche aus-
üben. Die Bischöfe sind Amtsnachfolger der
Apostel; die Gesamtheit jener sukzediert in die
Gesamtheit dieser, der Bischof von Rom dem
hl. Petrus, die übrigen Bischöfe den andern
Aposteln, und jeder einzelne Bischof ist was jeder