Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

39. 
so wichtige Verfassungsveränderungen und so 
radikale Umgestaltungen, wie es die Auflösung 
der ursprünglich demokratischen Regierungsform 
und an ihrer Statt die Einsetzung eines aristokra- 
tischen Regimentes und wieder die Beseitigung 
dieses letzteren und dafür der Eintritt einer zunächst 
konstitutionell monarchischen und sodann absolut 
monarchischen Regierung sind, in einem verhältnis- 
mäßig kurzen Zeitraum, in erstaunlich rascher Auf- 
einanderfolge und überall unter Bestrebungen und 
Bewegungen, die dieselbe Veranlassung hatten, 
den gleichen Verlauf nahmen und mit denselben 
Ergebnissen endigten, sich vollzogen haben, ohne 
daß die Geschichte derartiger Vorgänge Erwäh- 
nung tut, noch sich irgendwie Spuren der doch 
mindestens hie und da unvermeidlichen Wider- 
sprüche und Gegenbestrebungen auffinden lassen. 
Der Hinweis auf analoge Entwicklungen auf dem 
politischen Gebiet kann nicht entscheidend sein, da 
die Verfassungsentwicklungen der politischen Ver- 
bände verschiedene und lokal eigentümliche waren, 
die einzelnen Stadien derselben große Zeiträume 
umfassen und die Endresultate immer unter lang- 
wierigen Kämpfen errungen sind. Gerade an- 
gesichts der überall gleichmäßigen Resultate auf 
kirchlichem Gebiet muß der besonnene und un- 
befangene Historiker zu dem Schlusse kommen, daß 
es sich hier um etwas von vornherein Gegebenes, 
nicht allmählich erst Entstandenes handelt, um 
etwas, das sein Wesen in allmählicher geschicht- 
licher Entwicklung entfaltet, aber keineswegs das 
Produkt derselben ist. 
II. Das Wesen des Epistopats und seine 
äußere Betätigung. Ist der Episkopat eine 
Fortsetzung des Apostolats, so muß er, um dieses 
sein zu können, auch wesentlich dasselbe sein, was 
der Apostolat ist. Das Amt der Apostel 
war, wie oben des näheren ausgeführt ist, kein 
vorübergehendes; es mußten Erben ihres Amtes 
an ihre Stelle treten. Bei allem Wechsel, der 
sich in stetiger Aufeinanderfolge in den Personen 
als Trägern und Organen desselben vollzieht, 
bleibt es stets dasselbe; denn ihm und nicht jenen 
ist die ununterbrochene Fortdauer bis zum Ende 
der Zeiten göttlich zugesichert. Der hl. Cyprian 
sagt deshalb auf einem Konzil zu Karthago: 
Manifesta est sententia Domini nostri lesu 
Christi apostolos suos mittentis et ipsis 
solis potestatem a patre sibi datam per- 
mittentis, quibus nos successimus adem 
Potestate ecclesiam gubernantes. — Die 
Apostel stellen eine Gesamtheit dar, und in dieser 
Gesamtheit der Apostel oder in dem Apostolat 
ist zugleich eine besondere Gemeinschaft gegeben, 
die sich auf die Berufung zur Stellvertretung 
Christi gründet. Die einzelnen partizipieren an 
dieser gemeinsamen Stellvertretung als Glieder 
der Gemeinschaft, und der hl. Petrus erscheint 
als das Haupt oder als der Einheits= und Mit- 
telpunkt derselben, nicht als eine Idee innerer 
Vereinigung, die sich in allmählicher Verkörpe- 
Episkopat. 
  
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rung zu objektivieren strebt, nach und nach ge- 
worden, sondern als das sie mit konstituierende 
und deshalb wesentliche Moment von Christus 
gesetzt. Die persönliche Vielheit der gottverord- 
neten Vertreter, der Apostel, wird durch Christi 
Wort aufgehoben und durch ihn in der Fürstung 
Petri zur Einheit gestaltet (s. d. Art. Papst). 
Kommt deshalb allen Aposteln als Mitgliedern 
der apostolischen Gemeinschaft sowohl die Fülle 
wie Allgemeinheit der von Christus übertragenen 
Gewalt zu, so dem hl. Petrus allein die Unab- 
hängigkeit und Souveränität bei der Ausübung 
derselben, weil ihm allein diese in der Bestellung 
zum Fundament oder Haupte jener verliehen ist. 
Weil der hl. Petrus, Mitglied des Apostolats wie 
alle andern Apostel, zugleich Träger der Einheit 
und das Haupt derselben ist und allein die Sou- 
veränität besitzt, so folgt daraus, wenn das alles 
kein bloßes Spiel mit Worten sein soll, mit Not- 
wendigkeit, daß die andern Apostel, Glieder des 
Apostolats wie Petrus, oder wie der hl. Cyprian 
sagt, bekleidet mit dem gleichen Anteil an Ehre 
und Vollmacht, bei der Ausübung der allen zu- 
kommenden apostolischen Gewalt zu Petrus in 
einem Verhältnis derartiger Abhängigkeit und 
Unterordnung standen, daß ihre Betätigung in der 
seinigen eine Begrenzung fand, während bei ihm 
dieselbe äußerlich unbegrenzt war. 
In dem Episkopat, der nichts anderes ist als 
der Apostolat oder eine Fortsetzung desselben, 
mußte das gleiche Verhältnis auf die Nachfolger 
der Apostel, auf die Bischöfe, übergehen, und mit 
Rücksicht auf dieses prinzipielle Verhältnis, welches 
ebenso den wesentlichen und organisatorischen 
Grundzug des Apostolats wie Episkopats bildet, 
erhält dieses letztere Wort seiner Bedeutung nach in 
der Art eine Verengerung, daß es die Gesamtheit 
der Bischöse mit Ausschluß des Bischofs von 
Rom, als Trägers des Primats, bezeichnet. Auch 
in dieser engeren Bedeutung ist der Episkopat sach- 
lich unzertrennlich vom Primat; der eine ist und 
bleibt mit dem andern gegeben; es gibt keinen 
Primat ohne den Episkopat, und umgekehrt. Durch 
die Verengerung des Begriffs Episkopat und die 
darin ausgesprochene Gegenüberstellung soll nur 
jenes ihm immanente und auf göttlicher Satzung 
beruhende Verhältnis zum Primat sprachlich zum 
Ausdruck gebracht werden. 
Unter Episkopat versteht man hiernach die Ge- 
samtheit der Hierarchen, welche als Nachfolger der 
Apostel auf Grund göttlicher Anordnung, wie 
diese, Träger der dreifach gestalteten kirchlichen 
Gewalt sind und dieselbe in Einheit mit und in 
Abhängigkeit vom Papst, als Nachfolger Petri, 
auf Grund des kirchlichen Rechts regelmäßig in je 
einem bestimmten kleineren Teil der Kirche aus- 
üben. Die Bischöfe sind Amtsnachfolger der 
Apostel; die Gesamtheit jener sukzediert in die 
Gesamtheit dieser, der Bischof von Rom dem 
hl. Petrus, die übrigen Bischöfe den andern 
Aposteln, und jeder einzelne Bischof ist was jeder
	        
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