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nächst livländischer und preußischer und sodann
dalmatinischer, thrazischer, mazedonischer und
orientalischer Diözesen, welche in Form der Ver-
tretung und Hilfeleistung des episcopus proprius
eine mehr oder weniger ausgedehnte Wirksamkeit
ausüben; es lag hier ein ähnliches Verhältnis vor
wie in Spanien, und auch hier wurden, wie dort,
bei dem Tod derselben an ihrer Statt Nachfolger
auf die vakanten Bistümer konsekriert, selbst dann
noch, als nach menschlicher Berechnung alle Hoff-
nung auf eine baldige Rückkehr geschwunden war,
nur zur prinzipiellen Wahrung der rechtlichen An-
sprüche auf jene.
Bei dem großen Umfang der meisten Diözesen
Deutschlands in Verbindung mit dem Umstand,
daß die Bischöfe zugleich Träger der Landeshoheit
waren, mußte eine Hilfeleistung oder Vertretung
derselben insbesondere für die Spendung der
Firmung bald unabweislich erscheinen. Dieses
führte denn auch allmählich dahin, daß Bischöfe,
nach Maßgabe der Vorschrift des Konzils von
Vienne im Jahr 1311 (5. Clem. 1, 3) konsekriert,
zu den Dihzesanbischöfen in ein Verhältnis fort-
dauernder Hilfeleistung traten, welches nach und
nach den Charakter eines bleibenden kirchlichen
Rechtsinstituts erhielt, wenngleich dasselbe wegen
seiner lokalen Beschränkungen nicht gemeinrechtlich,
sondern meist auf dem Weg der Kurialpraxis und
durch Singularbestimmungen geregelt ist.
Danach sind Weihbischöfe solche Bischöfe, welche
auf ein ehemals der katholischen Kirche zugehöriges,
zur Zeit jedoch in dem Herrschaftsgebiet der Un-
gläubigen sich befindendes Bistum konsekriert
werden, den ordo episcopalis aber nicht in
diesem, sondern in dem eines andern Bischofs als
dessen Vertreter und Gehilfen betätigen. Mit
Rücksicht auf ihre Konsekration werden sie epi-
scopi in partibus infidelium oder titu-
lares, in Anbetracht ihrer Betätigung episcopi
auxiliares, suffraganei oder Weihbischöfe ge-
nannt. Wenngleich sie bei der Ausübung ihrer
Potestas ordinis in allseitiger Abhängigkeit von
den Bischöfen stehen, denen sie beigeordnet werden,
so sind sie doch innerlich und an sich Bischöfe wie
diese und nach abstrakt rechtlicher Auffassung auch
Diözesanbischöfe. Daher erklärt es sich, daß be-
züglich ihrer persönlichen Eigenschaften, für ihre
Präkonisation und Konsekration, für ihr Ver-
hältnis zur Diözese ganz dieselben kirchlichen
Rechtsbestimmungen zur Anwendung kommen wie
bei andern Bischöfen.
Solche episcopi titulares oder in partibus
infidelium kommen noch vor in den Missions-
gebieten, d. h. solchen Ländern, in welchen
noch keine feste Diözesaneinteilung besteht, bei
der aber trotzdem hier stattfindenden kirchlichen
Wirksamkeit die Vornahme der den bischöflichen
ordo voraussetzenden Akte ein dringendes Be-
dürfnis ist; sie sind indes in dieser Stellung nicht
vicarü in pontificalibus eines Bischofs, sondern
vielmehr Bevollmächtigte und Vertreter des Pap-
Episkopat.
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stes und werden deshalb auch vicarü apostolici
genannt. — Auch werden Prälaten der römischen
Kurie, namentlich die Nuntien, zu episcopi
oder archiepiscopi titulares promoviert, da ihre
hervorragende Stellung und die Bedeutsamkeit
der mit derselben verknüpften Funktionen die
bischöfliche Würde für sie wünschenswert er-
scheinen lassen.
III. Die Organisation oder Gliederung des
Episkopats. Die hier zu nennenden Verhältnisse
der Über= und Unterordnung bilden kein wesent-
liches Glied des hierarchischen Organismus, son-
dern eine geschichtlich entstandene und bedingte
Verfassungsform innerhalb desselben, die bei ver-
änderter Zuständlichkeit ganz oder teilweise weg-
fallen kann, ohne daf dieser selbst damit eine wesent-
liche Veränderung erlitte. Dieselbe schließt drei
Stufen in sich, von denen die erste und höchste die
Patriarchen, die zweite die Exarchen und
Primaten, die dritte die Metropoliten oder Erz-
bischöfe einnehmen. Zu den ersteren gehören die
Patriarchen von Alexandrien, Antiochien,
Jerusalem und Konstantinopel. In betreff der bei-
den erstgenannten Patriarchen bezeugt das Konzil
zu Nizäa (can. 6), daß sie schon seit langer Zeit
über Bischöfe und Metropoliten kirchliche Gewalt
ausübten und infolgedessen tatsächlich in der hier-
archia iurisdictionis eine höhere Stufe ein-
nahmen als diese. Zu der allmählichen Ent-
stehung des Patriarchats hatten wesentlich zwei
Faktoren bestimmend mitgewirkt. Zunächst war
es das hohe Ansehen der Kirchen von Alexandrien
und Antiochien als direkt apostolischer Stiftungen;
dann aber auch der Umstand, daß die Gründung
der andern bischöflichen und Metropolitankirchen
von ihnen als Stamm= und Mutterkirchen mittel-
bar oder unmittelbar ausgegangen war. Die so-
mit nach und nach entstandene faktische Uberord-
nung wurde auf dem Nizänischen Konzil anerkannt
und rechtlich fixiert und damit ein Teil des kirch-
lichen Verfassungsrechts. Da rücksichtlich der Kirche
von Jerusalem dieselben Bildungsfaktoren mit
noch gesteigerter Kraft vorlagen, so ist es nur dem
tragischen Geschick, welches mit der Zerstörung der
Stadt durch Titus über dieselbe hereinbrach, bei-
zumessen, daß sie erst später zunächst in die faktisch
und auf Grund der Bestimmungen des Konzils
von Chalzedon auch rechtlich gleiche Stellung ein-
trat (Hefele, Konziliengeschichte 1 387 ff).
Bei dem Patriarchen von Konstantinopel
verhält es sich freilich anders. Hier war es vor-
wiegend die politische Bedeutung der Kaiserresidenz
und der weitreichende Einfluß, den die oströmischen
Imperatoren auf die äußere kirchliche Gestaltung
ausübten, wodurch das Ansehen dieses Bischofs-
sitzes zu der Höhe gelangte, daß er eine relativ
zentrale, andern Bischofs= und Metropolitansitzen
übergeordnete Stellung einnahm. Die schon auf
dem Konzil zu Konstantinopel 387 vorbereitete
und auf dem Konzil zu Chalzedon 451 erfolgte
rechtliche Fixierung derselben erhielt allerdings