Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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wiederkehrende oder eine solche, die nur bei einem 
außerordentlichen, näher bezeichneten Anlasse zu 
entrichten ist. Der Reichnispflicht auf der einen 
Seite entspricht die sog. Reallastberechtigung auf 
der andern Seite. 
Die durch die Rezeption des römischen Rechts 
veranlaßte Neigung, alles nur vom Gesichtspunkte 
dieses Rechts aus zu beurteilen, und das hieraus 
sich erklärende Bestreben, jedes Rechtsinstitut unter 
einen römisch-rechtlichen Begriff zu bringen, hat 
vielfach zu einer falschen, das Wesen der Real- 
lasten verkennenden Darstellung ihrer rechtlichen 
Natur geführt. Bald sah man in den Grundlasten 
hypothekarisch gesicherte Forderungsrechte (Carp- 
zov), bald Rechte besonderer Art (iura sui ge- 
neris), die weder Forderungsrechte noch dingliche 
Rechte seien und deren Wesen in einer Abgabe- 
erhebungsgewalt beruhe (Heusler); andere bezeich- 
neten sie als deutsch-rechtliche Servituten (Grund- 
dienstbarkeiten, s. unten), wieder andere waren 
der Meinung, es handle sich um ein zwischen 
dem Forderungsrechte und dem dinglichen Rechte 
liegendes, die Natur beider vereinigendes Gebilde. 
Für das gemeine Recht verdient jedoch die Theorie 
den Vorzug, welche die persönliche Natur der 
Reallast festhält. Diese Auffassung trägt dem 
innern Wesen wie der historischen Entwicklung 
des Instituts Rechnung. Wenn man einwendet, 
die Last sei „an das Grundstück angeknüpft“, so 
ist dies eine irrige Vorstellung, die das innere 
Wesen verkennt, welches darin besteht, daß eine 
persönliche Verpflichtung vorliegt, bei welcher die 
Person des Verpflichteten durch einen Zustand, 
ein Verhältnis, den Besitz eines Grundstücks, be- 
stimmt wird. Zwar gelten für Entstehung und 
Untergang des Rechts die Grundsätze des Im- 
mobiliarsachenrechts; allein mit Recht wird dar- 
auf hingewiesen, daß für das Wesen eines Rechts 
nicht die Grundsätze der formellen Entstehung 
und des Untergangs ausschlaggebend sind, son- 
dern daß hierfür allein der Inhalt des Rechts 
Maß zu geben habe (Sohm). Inhaltlich aber 
erscheint das Recht bzw. die Verpflichtung als 
etwas Persönliches, wobei der äußere Bestand des 
Rechts und der Pflicht von dem Bestande einer 
Sache abhängt (Savigny, Gerber, Stobbe). 
Das B. G. B. (88 1105/1112) zieht nur die 
privatrechtlichen Reallasten in den Bereich der 
Reglung und beschränkt sich auch hierbei auf die 
Aufstellung allgemeiner Bestimmungen. Die recht- 
liche Natur der Reallasten wird dahin bestimmt, 
daß sie als dingliche Belastungen angesehen werden 
(§81105), auf Grund deren aus einem Grundstücke 
wiederkehrende Leistungen zu entrichten sind. Da- 
neben ist aber (§ 1108) eine persönliche Haftung 
des Eigentümers des belasteten Grundstücks für 
die während der Dauer seines Eigentums fällig 
werdenden Leistungen statuiert, soweit nicht ein 
anderes verabredungsgemäß bestimmt ist. 
Im römischen Recht finden sich bereits An- 
klänge an das Institut. Die spätrömische Ent- 
Grundlasten. 
  
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wicklung kam schließlich an einem Punkte an, der 
nicht mehr allzuweit von der Ausbildung des Bene- 
fiziums entfernt war. Schon die Emphyteuse und 
Superficies stellen erbpachtähnliche Verhältnisse 
dar, bei denen der Inhaber des Grundstückes eine 
ähnliche Stellung einnahm wie der Eigentümer 
(rei vindicatio utilis), dem er jedoch einen Jah- 
reszins (vectigal, solarium) zu entrichten hatte. 
Die Emphyteusis (Erbpacht) war die rechtliche 
Form, in welcher von den Kaisern wie später von 
der Kirche die Urbarmachung öder Länderstrecken 
Kolonisten überlassen wurde, welche die faktische 
Stellung des Eigentümers innehatten, jedoch dem 
Obereigentümer tributpflichtig waren. In der 
späteren Kaiserzeit finden sich Wegebauverpflich- 
tungen, Frumentationsfronden. Spanndienst- 
leistungen behufs Versorgung des Heeres und 
öhnliche öffentlich-rechtliche Verpflichtungen, die 
als Grundlasten behandelt wurden. Zu einer um- 
fassenden Ausbildung und allgemeinen Bedeutung 
sind die Reallasten im römischen Rechte aber nicht 
gelangt. Der ausgeprägte individualistische Zug 
des römischen Rechts, die frühe Anerkennung des 
Sondereigentums in Verbindung mit dem abso- 
luten Charakter des römischen Eigentumsbegriffes 
mußten der Entwicklungeines Rechtsinstitus hinder- 
lich sein, welches in seiner konkreten Erscheinung so 
mannigfache Beziehungen zu politischen und wirt- 
schaftlichen Organisationsformen aufweist. 
Die eigentliche Ausbildung des Instituts war 
dem deutschen Recht vorbehalten. Zu den durch 
die Naturalwirtschaft der ältesten Zeit bedingten 
Verhältnissen und herrschenden öffentlich-rechtlichen 
Zuständen trat die veränderte christliche Auffassung 
von der Bedeutung des Eigentums. Nach christ- 
licher Auffassung erscheint der Eigentümer nicht 
bloß als unumschränkter rechtlicher Herr seiner 
Sache, sondern er ist hiernach gleichzeitig für sein 
Gebaren sittlich verantwortlich; auf dem Eigentum 
ruhen demnach moralische, soziale Pflichten. Diese 
ursprünglich rein sittliche Verantwortlichkeit ver- 
dichtete sich bei der zunehmenden allgemeinen Herr- 
schaft christlicher Grundsätze nach und nach im 
Leihe= und Lehnswesen zur Rechtspflicht; dem 
Grundeigentum speziell wurde weniger der Cha- 
rakter eines ausschließenden Rechts als der eines 
verantwortungsvollen Amtes beigelegt (Gerber). 
Diese Auffassung brachte es mit sich, daß der 
Eigentümer von Grund und Boden nicht bloß auf 
Grund von Gewaltverhältnissen (Eroberung, Ge- 
walt des Königs) Beschwerungen seines Eigentums 
sich gefallen ließ, sondern im Bewußtsein seiner sitt- 
lichen Verantwortlichkeit Belastungen von Grund 
und Boden, die höheren Interessen, Gemeinschafts- 
zwecken dienten, ruhig hinnahm. 
Wohl zu unterscheiden von den Grundlasten 
(Reallasten) sind die Grunddienstbarkeiten 
(Grundgerechtigkeiten). Man bezeichnet 
mit Dienstbarkeiten (Servituten) dingliche Rechte 
an fremden Sachen, demzufolge diese in gewisser 
Beziehung der unmittelbaren Herrschaft eines
	        
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