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wiederkehrende oder eine solche, die nur bei einem
außerordentlichen, näher bezeichneten Anlasse zu
entrichten ist. Der Reichnispflicht auf der einen
Seite entspricht die sog. Reallastberechtigung auf
der andern Seite.
Die durch die Rezeption des römischen Rechts
veranlaßte Neigung, alles nur vom Gesichtspunkte
dieses Rechts aus zu beurteilen, und das hieraus
sich erklärende Bestreben, jedes Rechtsinstitut unter
einen römisch-rechtlichen Begriff zu bringen, hat
vielfach zu einer falschen, das Wesen der Real-
lasten verkennenden Darstellung ihrer rechtlichen
Natur geführt. Bald sah man in den Grundlasten
hypothekarisch gesicherte Forderungsrechte (Carp-
zov), bald Rechte besonderer Art (iura sui ge-
neris), die weder Forderungsrechte noch dingliche
Rechte seien und deren Wesen in einer Abgabe-
erhebungsgewalt beruhe (Heusler); andere bezeich-
neten sie als deutsch-rechtliche Servituten (Grund-
dienstbarkeiten, s. unten), wieder andere waren
der Meinung, es handle sich um ein zwischen
dem Forderungsrechte und dem dinglichen Rechte
liegendes, die Natur beider vereinigendes Gebilde.
Für das gemeine Recht verdient jedoch die Theorie
den Vorzug, welche die persönliche Natur der
Reallast festhält. Diese Auffassung trägt dem
innern Wesen wie der historischen Entwicklung
des Instituts Rechnung. Wenn man einwendet,
die Last sei „an das Grundstück angeknüpft“, so
ist dies eine irrige Vorstellung, die das innere
Wesen verkennt, welches darin besteht, daß eine
persönliche Verpflichtung vorliegt, bei welcher die
Person des Verpflichteten durch einen Zustand,
ein Verhältnis, den Besitz eines Grundstücks, be-
stimmt wird. Zwar gelten für Entstehung und
Untergang des Rechts die Grundsätze des Im-
mobiliarsachenrechts; allein mit Recht wird dar-
auf hingewiesen, daß für das Wesen eines Rechts
nicht die Grundsätze der formellen Entstehung
und des Untergangs ausschlaggebend sind, son-
dern daß hierfür allein der Inhalt des Rechts
Maß zu geben habe (Sohm). Inhaltlich aber
erscheint das Recht bzw. die Verpflichtung als
etwas Persönliches, wobei der äußere Bestand des
Rechts und der Pflicht von dem Bestande einer
Sache abhängt (Savigny, Gerber, Stobbe).
Das B. G. B. (88 1105/1112) zieht nur die
privatrechtlichen Reallasten in den Bereich der
Reglung und beschränkt sich auch hierbei auf die
Aufstellung allgemeiner Bestimmungen. Die recht-
liche Natur der Reallasten wird dahin bestimmt,
daß sie als dingliche Belastungen angesehen werden
(§81105), auf Grund deren aus einem Grundstücke
wiederkehrende Leistungen zu entrichten sind. Da-
neben ist aber (§ 1108) eine persönliche Haftung
des Eigentümers des belasteten Grundstücks für
die während der Dauer seines Eigentums fällig
werdenden Leistungen statuiert, soweit nicht ein
anderes verabredungsgemäß bestimmt ist.
Im römischen Recht finden sich bereits An-
klänge an das Institut. Die spätrömische Ent-
Grundlasten.
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wicklung kam schließlich an einem Punkte an, der
nicht mehr allzuweit von der Ausbildung des Bene-
fiziums entfernt war. Schon die Emphyteuse und
Superficies stellen erbpachtähnliche Verhältnisse
dar, bei denen der Inhaber des Grundstückes eine
ähnliche Stellung einnahm wie der Eigentümer
(rei vindicatio utilis), dem er jedoch einen Jah-
reszins (vectigal, solarium) zu entrichten hatte.
Die Emphyteusis (Erbpacht) war die rechtliche
Form, in welcher von den Kaisern wie später von
der Kirche die Urbarmachung öder Länderstrecken
Kolonisten überlassen wurde, welche die faktische
Stellung des Eigentümers innehatten, jedoch dem
Obereigentümer tributpflichtig waren. In der
späteren Kaiserzeit finden sich Wegebauverpflich-
tungen, Frumentationsfronden. Spanndienst-
leistungen behufs Versorgung des Heeres und
öhnliche öffentlich-rechtliche Verpflichtungen, die
als Grundlasten behandelt wurden. Zu einer um-
fassenden Ausbildung und allgemeinen Bedeutung
sind die Reallasten im römischen Rechte aber nicht
gelangt. Der ausgeprägte individualistische Zug
des römischen Rechts, die frühe Anerkennung des
Sondereigentums in Verbindung mit dem abso-
luten Charakter des römischen Eigentumsbegriffes
mußten der Entwicklungeines Rechtsinstitus hinder-
lich sein, welches in seiner konkreten Erscheinung so
mannigfache Beziehungen zu politischen und wirt-
schaftlichen Organisationsformen aufweist.
Die eigentliche Ausbildung des Instituts war
dem deutschen Recht vorbehalten. Zu den durch
die Naturalwirtschaft der ältesten Zeit bedingten
Verhältnissen und herrschenden öffentlich-rechtlichen
Zuständen trat die veränderte christliche Auffassung
von der Bedeutung des Eigentums. Nach christ-
licher Auffassung erscheint der Eigentümer nicht
bloß als unumschränkter rechtlicher Herr seiner
Sache, sondern er ist hiernach gleichzeitig für sein
Gebaren sittlich verantwortlich; auf dem Eigentum
ruhen demnach moralische, soziale Pflichten. Diese
ursprünglich rein sittliche Verantwortlichkeit ver-
dichtete sich bei der zunehmenden allgemeinen Herr-
schaft christlicher Grundsätze nach und nach im
Leihe= und Lehnswesen zur Rechtspflicht; dem
Grundeigentum speziell wurde weniger der Cha-
rakter eines ausschließenden Rechts als der eines
verantwortungsvollen Amtes beigelegt (Gerber).
Diese Auffassung brachte es mit sich, daß der
Eigentümer von Grund und Boden nicht bloß auf
Grund von Gewaltverhältnissen (Eroberung, Ge-
walt des Königs) Beschwerungen seines Eigentums
sich gefallen ließ, sondern im Bewußtsein seiner sitt-
lichen Verantwortlichkeit Belastungen von Grund
und Boden, die höheren Interessen, Gemeinschafts-
zwecken dienten, ruhig hinnahm.
Wohl zu unterscheiden von den Grundlasten
(Reallasten) sind die Grunddienstbarkeiten
(Grundgerechtigkeiten). Man bezeichnet
mit Dienstbarkeiten (Servituten) dingliche Rechte
an fremden Sachen, demzufolge diese in gewisser
Beziehung der unmittelbaren Herrschaft eines