Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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Gerichtsherrn zu entrichten waren, waren aus- 
schließlich öffentlich-rechtlichen Charakters und er- 
weisen sich in gewissem Sinne als Fortentwicklung 
der Heerbannsteuer, die von den Bauern für ihre 
Befreiung vom Kriegsdienste erhoben wurde, als 
Entgelt für den durch den Gerichtsherrn geleisteten 
Rechtsschutz. Hier sind auch die sog. Komplexlasten 
zu erwähnen, die unter vielfältigen Namen auf- 
treten (Kirchtrachten, Kirchbrote, Läutkorn, Läut- 
laibe, Läutgarben, Wachsgült, Weihnachtssing- 
gelder, Sterbviertel usw.) und die ihr gemeinsames 
Merkmal darin haben, daß sie öffentlichen Zwecken 
(Kirche, Schule) dienen. 
Die wichtigste Art der Grundlasten war der 
Zehnt. Der Zehnt ist eine Naturalabgabe, welche 
dem Berechtigten einen Anspruch auf einen ali- 
quoten (meist zehnten) Teil des Fruchtertrages 
(Rohertrages) eines Grundstückes gewährt. Die 
absolute Größe der jährlichen Leistung ist demnach 
wechselnd und von dem Ausfall der Ernte ab- 
hängig. Der Zehnt hat sich zunächst als grund- 
herrliche Abgabe zugunsten geistlicher oder welt- 
licher Grundherren entwickelt. Zur Zeit Karls 
d. Gr. wurde der Zehnt durch die weltliche Gesetz- 
gebung als allgemein der Kirche zu entrichtende 
Abgabe eingeführt. Neben dem Kirchenzehnt be- 
stand der Laienzehnt (grundherrliche Zehnt) fort; 
kirchliche Zehnten kamen teils durch Rechtsgeschäft 
teils durch Usurpation auch in den Besitz von 
Laien. Im 11. Jahrh. versuchte die Kirche die da- 
durch entstandene Rechtsverwirrung zu lösen, den 
Laienzehnt abzuschaffen und dem Kirchenzehnt 
alleinige Geltung und Anerkennung zu verschaffen. 
Dieser Versuch ist jedoch gescheitert, so daß sich 
der Gegensatz von Klerikalzehnt und Laikalzehnt 
bis zum heutigen Tage erhalten hat. Der Zehnt 
erstreckt sich entweder nur auf die Feldfrüchte 
(Feldzehnt) oder auch auf die Tierjungen, welche 
auf einem belasteten Gute gewonnen werden 
(Blutzehnt). Beide Arten scheiden sich wieder in 
einen großen und einen kleinen Zehnt. Der Zehnt 
ist ferner ein universeller Zehnt, wenn er auf allen 
Grundstücken eines Bezirkes ruht, ein partikularer 
Zehnt, wenn nur bestimmte Grundstücke beschwert 
erscheinen. Der Universalzehnt ergreift auch neu in 
Anbau genommene Strecken und heißt dann Neu- 
bruchzehnt (Rottzehnt). Der Zehnt kann in eine 
jährlich gleichbleibende Naturalleistung umgewan- 
delt werden (Sackzehnt) oder auch durch eine feste 
Geldabgabe ersetzt werden (Geldzehnt). 
Gegenüber dem Zehnt ist der Grundzins 
(Bodenzins) eine Geld= oder Naturalabgabe von 
jährlich gleichbleibender Größe. Für die einzelnen 
Arten sind die mannigfachsten Bezeichnungen nach 
Gegenstand, Ort, Zeit und Grund der Leistung 
üblich, z. B. Zinskorn, Martinsgans, Leibhuhn, 
Vogthuhn, Halshuhn, Hubgeld usw.; als Natural- 
abgabe heißt der Grundzins vornehmlich Gült. 
Das Wesen des Rentenkaufs besteht darin, 
daß der Gläubiger dem Besitzer eines Grundstückes 
ein Kapital zur Verfügung stellt, wogegen der je- 
  
Grundlasten. 
  
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weilige Inhaber des Grundstückes verpflichtet sein 
soll, einen jährlich gleichbleibenden Betrag (Rente) 
zu entrichten. Der Gläubiger begibt sich des 
Rechtes auf das Kapital, er darf das Kapital 
nicht kündigen; dem Schuldner ist es aber später 
unbenommen geblieben, sich von der ewigen 
Schuld durch Erlegung der Kapitalsumme dauernd 
zu befreien (Reichspolizeiordnungen von 1548 
und 1577). Der Rentenkauf bildete die Form, 
in welcher mit Umgehung des kanonischen Zins- 
verbots ein Kapital nutzbringend angelegt werden 
konnte. Seit dem 17. Jahrh. trat an seine Stelle 
die moderne Hypothek, welche beiden Teilen das 
Kündigungsrecht gewährte. Auch haftet bei der 
Hypothek der Schuldner nicht nur mit dem be- 
treffenden Grundstück, sondern mit seinem Ge- 
samtvermögen. 
Der städtische Grundbesitz befand sich anfäng- 
lich in den Händen weniger; die kleinen städtischen 
Hausbesitzer waren nicht Eigentümer des Bau- 
platzes, sondern besaßen diesen nach dem Rechte der 
Hausleihe gegen einen Grundzins (census areae, 
Wurtzins, Stättegeld, Erbzins), während die 
Gebäude als Eigentum des Beliehenen galten. 
Das Obereigentum des Leiheherrn trat aber immer 
mehr zurück, und schließlich erschien das ganze Ge- 
schäft als Eigentumsübertragung unter Vorbehalt 
einer Rente. Mit Rücksicht auf diesen historischen 
Hergang sprach man auch von gekauften und vor- 
behaltenen Renten. Auch zur Verbesserung und 
Erweiterung wie zur Wiederrichtung im Falle 
der Zerstörung durch Elementargewalt bekam der 
Bürger auf dem Wege der Konstituierung bzw. 
Erhöhung der Rente (Überzins, Nachzins) das 
erforderliche Kapital. 
Als Reallasten kommen noch einige weitere 
Rechtsgeschäfte, so insbesondere der Leibzuchts- 
vertrag (Leibgedinge, Altenteil, Auszug) vor (ogl. 
Abschn. 4). Wie Verpflichtungen waren auch Be- 
rechtigungen aller Art, zumal gewerblicher Natur, 
vielfach mit dem Besitze von Grund und Boden 
verbunden in Form von Monopolen gegenüber 
den Konkurrenten, in Form von Zwangs= und 
Bannrechten gegenüber den Konsumenten. Diese 
Berechtigungen haben an dieser Stelle um des- 
willen Erwähnung zu finden, weil der Berechti- 
gung auf der einen Seite eine über die Person 
hinausgehende, Grundlasten ähnliche Beschränkung 
auf seiten der Verpflichteten entsprach. 
Eine Belastung von Grund und Boden im 
weiteren Sinne stellen schließlich noch die Jagd- 
und Weidegerechtigkeiten auf fremdem Boden und 
ähnliche Beschränkungen dar, die teils — wie 
das Jagdrecht — als Ausfluß von Hoheitsrechten 
betrachtet wurden, teils dem Nachbarrechte oder 
dem früheren Agrarkommunismus (Flurzwang, 
Gemenglage, Retraktsrechte) ihre Entstehung ver- 
danken. 
3. Ablösung. Die zahlreichen Formen von 
Grundlasten und Berechtigungen entsprachen den 
Bedürfnissen der damaligen Wirtschaftsverfassung
	        
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