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Gerichtsherrn zu entrichten waren, waren aus-
schließlich öffentlich-rechtlichen Charakters und er-
weisen sich in gewissem Sinne als Fortentwicklung
der Heerbannsteuer, die von den Bauern für ihre
Befreiung vom Kriegsdienste erhoben wurde, als
Entgelt für den durch den Gerichtsherrn geleisteten
Rechtsschutz. Hier sind auch die sog. Komplexlasten
zu erwähnen, die unter vielfältigen Namen auf-
treten (Kirchtrachten, Kirchbrote, Läutkorn, Läut-
laibe, Läutgarben, Wachsgült, Weihnachtssing-
gelder, Sterbviertel usw.) und die ihr gemeinsames
Merkmal darin haben, daß sie öffentlichen Zwecken
(Kirche, Schule) dienen.
Die wichtigste Art der Grundlasten war der
Zehnt. Der Zehnt ist eine Naturalabgabe, welche
dem Berechtigten einen Anspruch auf einen ali-
quoten (meist zehnten) Teil des Fruchtertrages
(Rohertrages) eines Grundstückes gewährt. Die
absolute Größe der jährlichen Leistung ist demnach
wechselnd und von dem Ausfall der Ernte ab-
hängig. Der Zehnt hat sich zunächst als grund-
herrliche Abgabe zugunsten geistlicher oder welt-
licher Grundherren entwickelt. Zur Zeit Karls
d. Gr. wurde der Zehnt durch die weltliche Gesetz-
gebung als allgemein der Kirche zu entrichtende
Abgabe eingeführt. Neben dem Kirchenzehnt be-
stand der Laienzehnt (grundherrliche Zehnt) fort;
kirchliche Zehnten kamen teils durch Rechtsgeschäft
teils durch Usurpation auch in den Besitz von
Laien. Im 11. Jahrh. versuchte die Kirche die da-
durch entstandene Rechtsverwirrung zu lösen, den
Laienzehnt abzuschaffen und dem Kirchenzehnt
alleinige Geltung und Anerkennung zu verschaffen.
Dieser Versuch ist jedoch gescheitert, so daß sich
der Gegensatz von Klerikalzehnt und Laikalzehnt
bis zum heutigen Tage erhalten hat. Der Zehnt
erstreckt sich entweder nur auf die Feldfrüchte
(Feldzehnt) oder auch auf die Tierjungen, welche
auf einem belasteten Gute gewonnen werden
(Blutzehnt). Beide Arten scheiden sich wieder in
einen großen und einen kleinen Zehnt. Der Zehnt
ist ferner ein universeller Zehnt, wenn er auf allen
Grundstücken eines Bezirkes ruht, ein partikularer
Zehnt, wenn nur bestimmte Grundstücke beschwert
erscheinen. Der Universalzehnt ergreift auch neu in
Anbau genommene Strecken und heißt dann Neu-
bruchzehnt (Rottzehnt). Der Zehnt kann in eine
jährlich gleichbleibende Naturalleistung umgewan-
delt werden (Sackzehnt) oder auch durch eine feste
Geldabgabe ersetzt werden (Geldzehnt).
Gegenüber dem Zehnt ist der Grundzins
(Bodenzins) eine Geld= oder Naturalabgabe von
jährlich gleichbleibender Größe. Für die einzelnen
Arten sind die mannigfachsten Bezeichnungen nach
Gegenstand, Ort, Zeit und Grund der Leistung
üblich, z. B. Zinskorn, Martinsgans, Leibhuhn,
Vogthuhn, Halshuhn, Hubgeld usw.; als Natural-
abgabe heißt der Grundzins vornehmlich Gült.
Das Wesen des Rentenkaufs besteht darin,
daß der Gläubiger dem Besitzer eines Grundstückes
ein Kapital zur Verfügung stellt, wogegen der je-
Grundlasten.
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weilige Inhaber des Grundstückes verpflichtet sein
soll, einen jährlich gleichbleibenden Betrag (Rente)
zu entrichten. Der Gläubiger begibt sich des
Rechtes auf das Kapital, er darf das Kapital
nicht kündigen; dem Schuldner ist es aber später
unbenommen geblieben, sich von der ewigen
Schuld durch Erlegung der Kapitalsumme dauernd
zu befreien (Reichspolizeiordnungen von 1548
und 1577). Der Rentenkauf bildete die Form,
in welcher mit Umgehung des kanonischen Zins-
verbots ein Kapital nutzbringend angelegt werden
konnte. Seit dem 17. Jahrh. trat an seine Stelle
die moderne Hypothek, welche beiden Teilen das
Kündigungsrecht gewährte. Auch haftet bei der
Hypothek der Schuldner nicht nur mit dem be-
treffenden Grundstück, sondern mit seinem Ge-
samtvermögen.
Der städtische Grundbesitz befand sich anfäng-
lich in den Händen weniger; die kleinen städtischen
Hausbesitzer waren nicht Eigentümer des Bau-
platzes, sondern besaßen diesen nach dem Rechte der
Hausleihe gegen einen Grundzins (census areae,
Wurtzins, Stättegeld, Erbzins), während die
Gebäude als Eigentum des Beliehenen galten.
Das Obereigentum des Leiheherrn trat aber immer
mehr zurück, und schließlich erschien das ganze Ge-
schäft als Eigentumsübertragung unter Vorbehalt
einer Rente. Mit Rücksicht auf diesen historischen
Hergang sprach man auch von gekauften und vor-
behaltenen Renten. Auch zur Verbesserung und
Erweiterung wie zur Wiederrichtung im Falle
der Zerstörung durch Elementargewalt bekam der
Bürger auf dem Wege der Konstituierung bzw.
Erhöhung der Rente (Überzins, Nachzins) das
erforderliche Kapital.
Als Reallasten kommen noch einige weitere
Rechtsgeschäfte, so insbesondere der Leibzuchts-
vertrag (Leibgedinge, Altenteil, Auszug) vor (ogl.
Abschn. 4). Wie Verpflichtungen waren auch Be-
rechtigungen aller Art, zumal gewerblicher Natur,
vielfach mit dem Besitze von Grund und Boden
verbunden in Form von Monopolen gegenüber
den Konkurrenten, in Form von Zwangs= und
Bannrechten gegenüber den Konsumenten. Diese
Berechtigungen haben an dieser Stelle um des-
willen Erwähnung zu finden, weil der Berechti-
gung auf der einen Seite eine über die Person
hinausgehende, Grundlasten ähnliche Beschränkung
auf seiten der Verpflichteten entsprach.
Eine Belastung von Grund und Boden im
weiteren Sinne stellen schließlich noch die Jagd-
und Weidegerechtigkeiten auf fremdem Boden und
ähnliche Beschränkungen dar, die teils — wie
das Jagdrecht — als Ausfluß von Hoheitsrechten
betrachtet wurden, teils dem Nachbarrechte oder
dem früheren Agrarkommunismus (Flurzwang,
Gemenglage, Retraktsrechte) ihre Entstehung ver-
danken.
3. Ablösung. Die zahlreichen Formen von
Grundlasten und Berechtigungen entsprachen den
Bedürfnissen der damaligen Wirtschaftsverfassung