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nügen, können bzw. müssen die Kinder ander-
weitig in Erziehung gegeben werden. Wenn die
Eltern dies bloß deshalb tun, um die persönliche
Last der Erziehung loszuwerden und ungehin-
dert dem Vergnügen nachgehen zu können, so ist
das eine Pflichtverletzung.
Es ist jedoch, wenn es sich um das Erziehungs-
amt handelt, noch ein weiterer Gesichtspunkt ins
Auge zu fassen. Nach christlicher Anschauung
ist die Kirche die von Gott eingesetzte allgemeine
Erziehungsanstalt für alle Menschen. Aufgabe der
Kirche ist es, die Menschen für ihr ewiges Heil zu
erziehen und sie daher im gegenwärtigen Leben er-
ziehlich zu leiten, damit sie den Weg gehen, „der
zum Himmel führt“. Gilt aber dies im allge-
meinen, so muß diese Erziehung des Menschen von
seiten der Kirche in dem Augenblick beginnen, wo
für den Menschen die Fähigkeit und das Bedürfnis
der Erziehung vorliegt. Demnach erstreckt sich die
erziehliche Wirksamkeit der Kirche auch auf die
Jugend, und zwar auf diese erst recht, weil sie der
erziehlichen Leitung am meisten bedarf. Die
Jugenderziehung ist somit eine wesentliche Auf-
gabe der Kirche. Verhält es sich aber so, dann
haben die christlichen Eltern in der Ausübung
ihres Erziehungsamtes der Kirche gegenüber eigent-
lich keine souveräne Stellung, sondern fungieren
vielmehr als Organe der Kirche, der höchsten Er-
zieherin hienieden, und zwar werden sie durch das
Sakrament der Ehe und in demselben mit der
Aufgabe betraut, im Namen und im Auftrag der
Kirche ihre Kinder nach den Gesetzen der christ-
lichen Ordnung für ihre zeitliche Lebensaufgabe
und für ihr ewiges Heil zu erziehen. Deshalb
stehen die Eltern denn auch in ihrer erziehlichen
Tätigkeit unter dem leitenden Einfluß der Kirche.
4. Verhältnis der Erziehung zum
Unterricht. Zur Erziehung gehört wesentlich auch
der Unterricht (s. d. Art.); dieser ist ein Teil der
Erziehung. Wenn das Kind erzogen werden soll
für seine zeitliche und ewige Bestimmung, dann
ist es unumgänglich notwendig, daß es unter-
richtet werde in dem, was seine ewige Bestim-
mung betrifft, und in dem, was zu wissen sein
zeitlicher Beruf erfordert. Und wenn es der Er-
ziehung obliegt, die Entwicklung aller Seelenkräfte
des Zöglings zu vermitteln, so liegt ihr auch die
Entwicklung seiner intellektuellen Kräfte ob, die
eben durch den Unterricht geschieht. Der Unter-
richt ist aber auch ein Mittel der Erziehung. Denn
durch diese soll ja der Zögling dazu herangebildet
werden, daß er im Alter der Reife mit Eifer und
Begeisterung für das Wahre und Gute einsteht,
und daß ihm das sittliche Streben, sowie die treue
und gewissenhafte Erfüllung seines Berufes im
sittlichen Interesse als die Hauptaufgabe seines
Lebens gilt. Aber eine solche edle Haltung im
Leben ist wesentlich bedingt durch die Erkenntnis
der Wahrheit und der Pflichten, welche daraus
hervorgehen. Diese Erkenntnis wird aber dem
Zögling vermittelt durch den Unterricht. — Er-
Erziehung.
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ziehung und Unterricht sind somit voneinander
untrennbar. Es ist ganz unstatthaft, den Unter-
richt als etwas Selbständiges zu betrachten, das
neben der Erziehung einhergeht, mit dieser aber
nichts zu schaffen hat. Der Unterricht muß, wenn
es sich um die Ausbildung der Jugend handelt,
stets als erziehlicher Unterricht aufgefaßt, er muß
stets im Zusammenhang mit der Erziehung —
als Teil und Mittel der letzteren — gehalten wer-
den; geschieht das nicht, so erreicht keines von bei-
den mehr seinen vollen Zwesk. Die modernen Be-
strebungen, nur den Unterricht offiziell zu pflegen,
die Erziehung aber als etwas Gleichgültiges zu
betrachten, können nur zum Verderben der Jugend
ausschlagen. Wer also erzieht, der muß zugleich
unterrichten, und wer unterrichtet, der muß zu-
gleich unterrichtend erziehen.
Nun sind aber die Eltern zum weitaus größten
Teil ganz außerstande ihren Kindern den er-
ziehlichen Unterricht persönlich zu erteilen, teils
weil ihnen dazu die nötige Vorbildung und die
erforderliche Methode fehlt, teils weil sie durch die
Pflichten ihres Berufes oder durch die Beschaffung
der Lebensnotdurft derart in Anspruch genommen
sind, daß ihnen für den Unterricht ihrer Kinder
weder Zeit noch Neigung bleibt. Dies gilt schon
vom Elementar-, noch mehr aber von dem höheren
Unterricht. Es ist also notwendig, daß hier ein
stellvertretender Erzieher und Lehrer für die Eltern
einspringt, um dasjenige zu leisten, was diese für
sich allein nicht vermögen. Und wenn nun diese
Stellvertretung in der Weise organisiert wird,
daß ein von einer Gesamtheit von Familien be-
rufener Lehrer die Kinder während einer bestimm-
ten Zeit des Tages um sich sammelt, um sie ge-
meinsam zu unterrichten und unterrichtend zu
erziehen, so entsteht dadurch die Schule. Diese
ist somit die natürliche Ergänzung der elterlichen
Erziehung und findet sich daher in irgend einer
Form bei allen Kulturvölkern.
Damit ist nun aber von selbst auch im wesent-
lichen bereits gesagt, daß die Schule der Familie
gegenüber keine souveräne Stellung hat, als wäre
sie ein dem Elternhaus übergeordnetes Institut, in
welches die Eltern ihre Kinder zu geben hätten, um
sie für Zwecke zu erziehen, die der Familienerzie-
hung fremd sind. Diese modern-pädagogische An-
schauung ist völlig haltlos. Die Schule ist vielmehr
wesentlich die Stellvertreterin des elterlichen Hau-
ses; der Lehrer ist in der Schule der Stellvertreter
der Eltern. Die Schule ist da, um namens und
anstatt der Eltern dasjenige zu leisten, was die
elterliche Erziehung für sich allein genommen nicht
zu leisten vermag. Dies gilt namentlich von den
Schulen, für die ein Staatszwang besteht. —
Weiter ergibt sich hieraus, daß der wesentliche
Charakter der Schule der einer Erziehungsanstalt
ist, die also der Erziehung zu dienen hat. Aller-
dings ist es zunächst Sache der Schule, zu unter-
richten; aber der Unterricht ist ja, wie wir gesehen,
nur ein Teil bzw. Mittel der Erziehung. Die