Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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lichen Unterricht, die dem Staate seinem ganzen 
Wesen nach nicht zuerkannt werden kann. 
Den Rechten des Staates in Bezug auf die 
Schule entspricht dann aber auch die Pflicht, das 
Schulwesen finanziell zu ermöglichen und zu 
fördern. Früher hat die Kirche ihre Schulen aus 
ihren eignen Mitteln erhalten; wo die Kommunen 
Schulen errichteten, haben sie im Verein mit der 
Kirche für die Beschaffung der materiellen Mittel 
gesorgt. Die Verhältnisse sind gegenwärtig andere 
geworden; die Kirche hat ihr Vermögen verloren, 
und die Schulstiftungen sind gleichfalls zumeist 
untergegangen; es wird also, wo es notwendig 
ist, der Staat mit seinem Zwang eingreifen 
müssen, um die Kommunen zur Beischaffung der 
notwendigen Geldmittel für die Schule anzuhal- 
ten. Allerdings liebt man es, daraus, daß der 
Staat das Geld gibt, sein Recht auf die Schule 
abzuleiten. Aber nicht der Staat gibt das Geld, 
sondern das Volk; die Staatsgewalt leiht nur den 
„weltlichen Arm“, um gegebenenfalls den nötigen 
Zwang auszuüben, wenn das Interesse der Schule 
es fordert. 
Mit diesen Rechten hat sich nun allerdings der 
Staat nicht begnügt, wie wir bereits gehört haben. 
Vielmehr hat die mit der Reformation begonnene 
Verweltlichung der Schule teilweise schon im 
18. Jahrh. zu einem regelrechten Staatsschul- 
monopol geführt, dessen Theorie in direktem 
Gegensatz zu den im Vorstehenden ausgeführten 
Grundsätzen steht. Das Staatsschulmonopol legt 
prinzipiell die Schule in die Hand des Staates, 
indem es den Grundsatz aufstellt, daß die Schule 
Sache des Staates sei und daß daher nur der Staat, 
nicht auch die Kirche, die Oberaufsicht und Leitung 
der Schule in Anspruch zu nehmen habe. Das 
wesentliche Korrelat dieses Staatsschulmonopols ist 
dann der Staatsschulzwang, insofern näm- 
lich die Eltern gezwungen werden, ihre Kinder in 
die Staatsschule zu geben, damit das Staatsschul- 
monopol nicht durch den Willen der Eltern durch- 
kreuzt werde. Nun trat das Staatsschulmonopol 
anfänglich allerdings noch in milderer Form auf. 
Die Schule galt doch immer noch als Erziehungs- 
anstalt. Man gestattete anfänglich noch der Kirche 
einen Einfluß auf die Staatsschule, bestellte sogar 
kirchliche Personen zu Organen der staatlichen 
Schulaufsicht. Die Kirche sollte das erziehliche 
Moment in der Schule vertreten, während der 
Staat die didaktische Aufgabe der Schule für sich 
in Anspruch nahm. In solcher Weise sollte also 
in der Schule ein gewisses Kondominium zwischen 
Kirche und Staat obwalten, so aber, daß die Kirche 
zur Pflege der erziehlichen Aufgabe bloß zugelassen 
war, während der Staat die Oberleitung über das 
Ganze der Schule führte. 
„Notgedrungen mußte die Kirche diesen Ver- 
hältnissen sich fügen, weil sie an ihnen nichts 
ändern konnte. Die Staatsschule war da; die 
Kirche konnte den Staat nicht zwingen, von seinem 
Prinzip abzugehen. Um daher die christliche Er- 
Erziehung. 
  
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ziehung der Kinder in der Staatsschule nicht preis- 
zugeben, hat sie sich der „vollendeten Tatsache“ 
anbequemt und mit dem Einfluß, den ihr der 
Staat auf die Erziehung der Kinder in der Staats- 
schule gewährte, vorläufig begnügt. Sie konnte 
das tun, weil einerseits im Anfang die Tradi- 
tionen der alten christlichen Schule noch fort- 
wirkten, und weil anderseits dem Staat selbst noch 
an einer christlichen Erziehung der Jugend etwas 
lag, wie schon die Aufstellung kirchlicher Organe 
zur Schulaufsicht bewies. 
Andere Verhältnisse sind freilich in neuerer 
Zeit eingetreten. Die moderne Pädagogik will 
vielfach von einer Zulassung der Kirche in die 
Schule nichts mehr wissen. Sie verwirft — und 
das mit vollem Recht — den Grundsatz, daß Er- 
ziehung und Unterricht in der Schule zu trennen 
seien, und behauptet, daß, wer den Unterricht in 
der Schule gibt, auch die Erziehung zu besorgen 
habe. Man brauche somit die Kirche nicht mehr 
zur Erziehung; die Erziehung sei vielmehr in der 
Schule ebenso Sache des Staates wie der Unter- 
richt. Die Kirche müsse daher aus der Schule 
ausgewiesen und die erziehliche und didaktische 
Funktion in der letzteren ausschließlich den mo- 
dernen Staatspädagogen in die Hand gegeben 
werden. Damit haben wir denn nun nicht mehr 
bloß die Verweltlichung, sondern die völlige Ent- 
christlichung der Schule, wie sie in Frankreich und 
Italien bereits konsequent durchgeführt ist. Das 
Staatsschulmonopol gipfelt folgerichtig in der 
„Kommunalschule“, d. h. in einer solchen Schule, 
die allen christlichen Religionsunterricht und alle 
christlich-religiöse Erziehung ausschließt. 
Das Prinzip des Staatsschulmonopols muß 
aber, wenn es konsequent verfolgt wird, noch weiter 
führen. Wenn der Staat die Erziehung und den 
Unterricht der schulfähigen Kinder für sich allein 
in Anspruch nimmt, so ist damit von selbst ge- 
agt. daß der Staat auch entscheide über den 
Zweck, zu dem Schulerziehung und Schulunter- 
richt dienen sollen. Der Staat wird dann die 
Kinder auch erziehen für seine Zwecke und 
Interessen. Das ist aber ein Eingriff in das Er- 
ziehungsrecht der Eltern; dieses wird dadurch aufs 
äußerste beschränkt und geschädigt, ja es wird bis 
zu einem gewissen Grad den Eltern entzogen und 
für den Staat konfisziert. Auf diesem halben 
Weg aber kann zuletzt die Konfiskation des elter- 
lichen Erziehungsrechts von seiten des Staates nicht 
stehen bleiben. Die Konsequenz muß schließlich bis 
zum äußersten drängen, und dies um so mehr, 
als, solange nur noch einiges von dem elterlichen 
Erziehungsrecht stehen bleibt, die Pläne, die der 
Staat in und mit seiner Schulerziehung verfolgt, 
immer noch durchkreuzt werden können. Es muß 
zuletzt notwendig zur vollständigen Konfiskation 
des elterlichen Erziehungsrechts kommen, wonach 
die Kinder als Staatseigentum betrachtet und da- 
her schon von frühester Jugend an aus den Hän- 
den der Eltern genommen werden, um in Staats- 
—
	        
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