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des Souveräns und ihrer Gefolgschaft beigelegt.
Die Exterritorialität umfaßt: 1) Die persönliche
Immunität. Das Staatsoberhaupt ist auch außer-
halb seines Staates in Friedenszeiten unverletz-
lich. Nur die äußerste Notwendigkeit könnte die
Anwendung von Gewalt wider dasselbe recht-
fertigen. 2) Die Exemtion von jeder Gerichts-
barkeit des fremden Staates. Diese Ausnahms-
stellung ist so zu verstehen, daß der Staatschef
vor die Gerichte eines andern, befreundeten Staates
überhaupt nicht gezogen werden kann (mit Aus-
nahme der dinglichen Klagen betreffs des un-
beweglichen Gutes), auch nicht als Privatperson;
denn auch in letzterem Fall würde die Frage hin-
sichtlich seiner exterritorialen Eigenschaft den Ge-
richten des Auslands schon wegen Feststellung der
Kompetenz überantwortet sein. 3) Die Befreiung
von allen Steuern und Abgaben, soweit diese nicht
auf Grundeigentum in dem fremden Staatsgebiet
ruhen. 4) Die Unbetretbarkeit der Wohnung, so
daß auch alle dasselbst befindlichen Gegenstände
dem Zugriff des Aufenthaltsstaates entzogen sind.
5) Auch der unbeschränkte Verkehr mit dem eigenen
Staate, namentlich das Brief= und Schriften-
geheimnis, wird durch die Exterritorialität gedeckt.
Der Paypst ist exterritorial wie jeder andere
Souverän, und das vielberufene italienische Ga-
rantiegesetz vom 13. Mai 1871 konnte Souveräni-
tätsrechte weder verleihen noch aberkennen. Es ist
auch von keinerlei völkerrechtlichem Belang. Vom
Apostolischen Stuhl in allen seinen Zugeständ-
nissen zurückgewiesen, ist es mehr darauf angelegt,
den übrigen katholischen Souveränen Beruhigung
zu verschaffen, als geeignet, für die Souveränität
des Papstes eine Unterlage zu bieten. Im Hin-
blick auf die seit 1870 eingetretene veränderte Ge-
staltung der internationalen Verhältnisse des
Apostolischen Stuhles bestehen nunmehr erhebliche
Meinungsverschiedenheiten. Während die Mehr-
zahl der Völkerrechtslehrer und Kanonisten der
Ansichtzuneigt, die weltliche, monarchische Stellung
des Papstes habe mit der Einverleibung des
Kirchenstaates in das Königreich Italien tatsächlich
aufgehört, da weder Staatsgebiet noch Staatsvolk
mehr vorhanden ist, wird auf anderer Seite die
Meinung geäußert, Kirchenstaatsgebiet und Unter-
tanen seien doch vorhanden (Vatikan, Lateran,
Castelgandolfo), wenn auch noch so beträchtlich
verringert. Eine dritte Ansicht geht dahin, daß in
der obersten Gesetzgebung und Verwaltung des
apostolischen Primats in Kirchensachen die spiri-
tuelle Souveränität begründet sei, weshalb von
diesem Standpunkt aus der Papst auf die welt-
liche Herrschaft verzichten könnte, ohne dadurch
das Wesen der geistlichen Herrschaft irgendwie zu
beeinträchtigen oder auch nur zu berühren. In-
dessen dürfte völkerrechtlich die tiefer liegende
Rechtsquelle für die souveräne Stellung des Papst-
tums die durch Jahrhunderte fortgesetzte, unwider-
sprochene, auf Herkommen und Observanz be-
ruhende Ausübung der souveränen Gerechtsame
Exterritorialität.
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sein, wodurch erprobte, auf innerer und äußerer
Notwendigkeit beruhende Ubung zu einem wirk-
lichen Recht wird.
Ad c) Die Exterritorialität der diplomatischen
Vertreter ist nach Art und Maß gegeben und be-
grenzt durch deren völkerrechtlichen Verkehrsberuf.
Um diesem voll und ganz entsprechen zu können,
ist der Gesandte eximiert von der Territorial-=
gewalt des Empfangsstaates. Er bleibt trotz seines
Aufenthalts im fremden Staate den Gesetzen seines
Heimatlandes unterworfen, setzt sein bisheriges
Domizil fort und hat in diesem seinen Gerichts-
stand. Er genießt die persönliche Immunität, so-
weit nicht das Recht der Notwehr und des Not-
standes auch ihm gegenüber zur Geltung kommt;
die Befreiung von der Herrschaft des Privat= und
Strafrechts (ausgenommen den ausschließlichen
dinglichen Gerichtsstand, ferner den Fall, daß der
Gesandte auf die Befreiung in einem einzelnen
Rechtsstreit mit Genehmigung seiner Regierung
verzichten oder mit Zustimmung seines Absende-
staates im Empfangsstaat Handel oder Gewerbe
betreiben würde), weiter die Lokalimmunität für
die Wohnung, das Mobiliar, das Archiv u. a. m.
Die sog. Hotelfreiheit schließt kein Asylrecht in sich.
Das Wohngebäude des Gesandten als Auslands-
boden zu bezeichnen, mag historisch nicht unrichtig
sein, allein in der Gegenwart kann die Exterri-
torialität nicht mehr den großen Umfang der
früheren Rechte beanspruchen. Es bedarf einer
solchen Einkleidung dieses Ausnahmerechts, wenig-
stens unter den westländischen Staaten, nicht.
Der Satz: die exemte Stellung der gesandtschaft-
lichen Wohngebäude istvölkerrechtlich gewährleistet,
deckt sich vollkommen mit dem praktischen Bedürf-
nis. Die Behauptung, das Gesandtenhotel sei als
außerhalb des Staatsgebietes gelegen zu betrachten,
müßte wieder zurückleiten zum alten Asylrecht
und seinen Unzuträglichkeiten. Eine Konsequenz
der. Exterritorialität ist auch die Befreiung von
allen persönlichen Steuern und Abgaben, wohl
auch von Zöllen für dasjenige, wofür der Ge-
sandte im eigenen Land keinen Zoll zu bezahlen
hätte (nicht aber von Grundsteuern, indirekten
Steuern und überhaupt Abgaben, welche für
Gegenleistungen entrichtet werden), endlich das
unbedingte Brief= und Depeschengeheimnis.
Die dem Gesandten selbst (Chef der Mission)
gewährte Exterritorialität erstreckt sich aber weiter
auch auf die mit ihm wohnenden Mitglieder seiner
Familie, auf das ganze Personal der Gesandt-
schaft sowie auf die Familien dieser Personen,
dann auf das administrative und technische Per-
sonal und auf die Dienerschaft, sofern Personen
dieser letzten beiden Kategorien nicht etwa An-
gehörige des Empfangsstaates sind. Die Ein-
schränkung der Exemtion namentlich von der Ge-
richtsbarkeit auf einen enger zu ziehenden Personen-
kreis ist ein Gedanke, welcher der in den Kultur-
staaten immer regelmäßiger und übereinstimmen-
der funktionierenden Rechtsordnung entspricht.
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