Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

1141 
Krieger unterhielten; im nächsten Jahr zogen die 
Zurückgebliebenen ins Feld und die andern blieben 
daheim (Caesar, De bello gall. 4,1). Die Wehr- 
haftmachung des Jünglings, die Swertleite, er- 
folgte mit 15 Jahren durch die Gemeinde. Eine 
eigentümliche Erscheinung ist die Gefolgschaft 
(comitatus). Junge Krieger wurden von dem 
Gaufürsten in sein Gefolge mit der Verpflichtung 
besonderer Treue und Hingebung ausgenommen; 
sie bildeten im Frieden sein Ehrengeleite, im Krieg 
seinen Schutz und erhielten dafür vom Gefolgs- 
herrn das Kriegspferd, Wehr und Waffen, den 
Unterhalt während des Krieges und besondern An- 
teil an der Kriegsbeute. Im übrigen hatte jeder 
Mann seinen Kriegsdienst unentgeltlich und ohne 
Ersatz für Waffen, Kleidung und Verpflegung zu 
leisten; der Ertrag seines Anteils am Gemeinde- 
acker mußte ihm die Mittel liefern, um seiner 
Wehrpflicht zu genügen. Die Hauptstärke der ger- 
manischen Heere bildete das Fußvolk; bei den 
Grenzstämmen findet sich auch etwas Reiterei. 
Für die Feldschlacht stellten sich die Germanen 
zum Angriff in keilförmiger Ordnung auf; inner- 
halb der Keile kämpften die Familien und Ge- 
schlechter nach Hundertschaften und Gauen ge- 
ordnet, was nicht wenig zur Erhöhung der Tapfer- 
keit beitrug. 
2. An die Stelle der germanischen Stammes- 
staaten trat das einheitliche fränkische Reich. 
Mit der wachsenden Ausdehnung des Reiches 
wuchs auch die Macht des Königs. Die Volks- 
versammlungen der einzelnen Stämme verschwin- 
den, und an ihrer Stelle entscheidet über Krieg und 
Frieden des Reiches der König, der unter Ankün- 
digung des Heerbannes, einer für den Ungehorsam 
angedrohten Geldbuße von 60 solidi, die Wehr- 
pflichtigen zur „Heerfahrt" befiehlt (bannitio in 
hostem). Behufs Abwehr feindlicher Einfälle 
und zur Unterdrückung eines Landfriedensbruches 
durften auch Herzoge und Grafen zur „Land- 
folge“, „Landwehr“ das Aufgebot erlassen. Wehr- 
pflichtig waren alle freien Männer; zur Landfolge 
wurden mehrfach sogar die Unfreien herangezogen. 
Die Gliederung des Heeres deckte sich mit der 
alten staatlichen Einteilung in Herzogsbezirke, 
Gaue und Hundertschaften, und wenn mehrere 
Volksstämme zu einer Schlachtordnung vereinigt 
waren, so stellten sie sich in besonderen Keilen auf. 
Die Vorsteher dieser Abteilungen und Gebiete, 
die Herzoge, Grafen (grafio, Comes) und Zen- 
tenarien, hatten nunmehr das königliche Aufgebot 
zu verkünden und an der Spitze ihrer Mann- 
schaften ins Feld zu ziehen. Alle diese Führer 
waren aber nicht mehr vom Volke gewählte Vor- 
steher, sondern vom König ernannte Beamte. Den 
Oberbefehl über das Heer führte der König oder 
ein von ihm ernannter Feldherr. Der König war 
also oberster Kriegsherr. Das militärische Ge- 
folge des Königs bildeten unter den Merowingern 
die Antrustionen, d. h. Mitglieder der trustis 
dominica oder regia (Trost), eine Dienstaristo- 
Heerwesen. 
  
1142 
kratie, welche aus der germanischen Gefolgschaft 
hervorgegangen war, neben Freien nunmehr auch 
Freigelassene, ja sogar einzelne Unfreie umfaßte, 
und für ihre Leistungen im Reiterdienst durch 
Güterverleihungen belohnt wurde. Merkwürdig 
ist, daß schon in dieser Zeit, unter Karl Martell, 
die durch Aufgebot aufgebrachten Truppen durch 
Söldner (soldari) verstärkt wurden. 
3. Infolge der andauernden Kriegszüge wurde 
die dem einzelnen Wehrpflichtigen obliegende 
Pflicht der selbständigen Ausstattung mit Waffen 
und Kleidern auf 6 Monate sowie des eigenen 
Unterhaltens im Kriege auf 3 Monate (wobei der 
Marsch zu dem oft sehr entfernten Sammelplatz 
nicht eingerechnet wurde) zu einer schweren Last, 
welche um so mehr drückte, als gleichzeitig die 
Grundbesitzverhältnisse sich erheblich verschlech- 
terten und den einzelnen Freien vielfach nicht mehr 
die für den Kriegsdienst ausreichenden Erträgnisse 
abwarfen. Manche Freie hatten überhaupt keinen 
Grundbesitz mehr. Deshalb sahen sich die Karo- 
linger genötigt, einerseits Vorschriften über die 
Bewaffnung der Wehrmänner zu erlassen, ander- 
seits aber auch Erleichterungen im Kriegsdienst den 
minderbemittelten Freien zu gewähren. Karl d. Gr. 
bestimmte im Jahre 807: Nur wer mindestens 
drei Hufen Landes besitzt, muß jedesmal ins Feld 
ziehen; kleine Grundbesitzer, deren Gesamtbesitz 
drei Hufen ausmacht, müssen zusammenlegen, um 
einen Mann auszurüsten (coniectus, adiuto- 
rium); wer nicht wenigstens eine halbe Hufe be- 
sitzt, wird zur gemeinschaftlichen Ausrüstung eines 
Mannes nur dann herangezogen, wenn er min- 
destens 5 solidi jährlicher Einkünfte bezieht. 
Schon im Jahre 811 wurden vier Hufen Eigen- 
tum oder Benefizium, und unter Ludwig dem 
Frommen fünf Hufen als Mindestmaß des zum 
Feldkriegsdienst verpflichtenden Vermögens fest- 
gestellt. Damit war der Zusammenhang der 
Wehrpflicht mit dem Grundbesitz aufgegeben und 
die Wehrpflicht zu einer allgemeinen Untertanen- 
pflicht gemacht; zugleich hatte die Wehrpflicht 
ihren Charakter als einer allgemeinen persönlichen 
Dienstleistung verloren. 
Mit dem allmählichen wirtschaftlichen Nieder- 
gang der Freien hingen noch andere Anderungen 
ihrer Stellung zusammen, welche eine völlige Um- 
wälzung der Staats= und Heeresverfassung herbei- 
führten. Der Freiheitssinn der Germanen hatte 
nicht gestattet, daß ein freier Mann einem andern 
Freien dauernd sich zu Diensten verpflichte; seit 
dem 7. Jahrh. hat aber die Not der Zeit zahl- 
reiche Freie veranlaßt, in den dauernden Dienst 
eines Großgrundbesitzers, senior, seigneur, als 
vassi, vassalli zu treten (se commendare). Am 
vornehmsten und zahlreichsten waren die Vasallen 
des Königs, welcher der größte Grundbesitzer war. 
Als Gegenleistung erhielten die Vasallen ihren 
Unterhalt im Hause des senior oder ein Landgut 
als beneficium, sodann Ausrüstung und Ver- 
pflegung im Krieg; der senior haftete auch für
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.