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Krieger unterhielten; im nächsten Jahr zogen die
Zurückgebliebenen ins Feld und die andern blieben
daheim (Caesar, De bello gall. 4,1). Die Wehr-
haftmachung des Jünglings, die Swertleite, er-
folgte mit 15 Jahren durch die Gemeinde. Eine
eigentümliche Erscheinung ist die Gefolgschaft
(comitatus). Junge Krieger wurden von dem
Gaufürsten in sein Gefolge mit der Verpflichtung
besonderer Treue und Hingebung ausgenommen;
sie bildeten im Frieden sein Ehrengeleite, im Krieg
seinen Schutz und erhielten dafür vom Gefolgs-
herrn das Kriegspferd, Wehr und Waffen, den
Unterhalt während des Krieges und besondern An-
teil an der Kriegsbeute. Im übrigen hatte jeder
Mann seinen Kriegsdienst unentgeltlich und ohne
Ersatz für Waffen, Kleidung und Verpflegung zu
leisten; der Ertrag seines Anteils am Gemeinde-
acker mußte ihm die Mittel liefern, um seiner
Wehrpflicht zu genügen. Die Hauptstärke der ger-
manischen Heere bildete das Fußvolk; bei den
Grenzstämmen findet sich auch etwas Reiterei.
Für die Feldschlacht stellten sich die Germanen
zum Angriff in keilförmiger Ordnung auf; inner-
halb der Keile kämpften die Familien und Ge-
schlechter nach Hundertschaften und Gauen ge-
ordnet, was nicht wenig zur Erhöhung der Tapfer-
keit beitrug.
2. An die Stelle der germanischen Stammes-
staaten trat das einheitliche fränkische Reich.
Mit der wachsenden Ausdehnung des Reiches
wuchs auch die Macht des Königs. Die Volks-
versammlungen der einzelnen Stämme verschwin-
den, und an ihrer Stelle entscheidet über Krieg und
Frieden des Reiches der König, der unter Ankün-
digung des Heerbannes, einer für den Ungehorsam
angedrohten Geldbuße von 60 solidi, die Wehr-
pflichtigen zur „Heerfahrt" befiehlt (bannitio in
hostem). Behufs Abwehr feindlicher Einfälle
und zur Unterdrückung eines Landfriedensbruches
durften auch Herzoge und Grafen zur „Land-
folge“, „Landwehr“ das Aufgebot erlassen. Wehr-
pflichtig waren alle freien Männer; zur Landfolge
wurden mehrfach sogar die Unfreien herangezogen.
Die Gliederung des Heeres deckte sich mit der
alten staatlichen Einteilung in Herzogsbezirke,
Gaue und Hundertschaften, und wenn mehrere
Volksstämme zu einer Schlachtordnung vereinigt
waren, so stellten sie sich in besonderen Keilen auf.
Die Vorsteher dieser Abteilungen und Gebiete,
die Herzoge, Grafen (grafio, Comes) und Zen-
tenarien, hatten nunmehr das königliche Aufgebot
zu verkünden und an der Spitze ihrer Mann-
schaften ins Feld zu ziehen. Alle diese Führer
waren aber nicht mehr vom Volke gewählte Vor-
steher, sondern vom König ernannte Beamte. Den
Oberbefehl über das Heer führte der König oder
ein von ihm ernannter Feldherr. Der König war
also oberster Kriegsherr. Das militärische Ge-
folge des Königs bildeten unter den Merowingern
die Antrustionen, d. h. Mitglieder der trustis
dominica oder regia (Trost), eine Dienstaristo-
Heerwesen.
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kratie, welche aus der germanischen Gefolgschaft
hervorgegangen war, neben Freien nunmehr auch
Freigelassene, ja sogar einzelne Unfreie umfaßte,
und für ihre Leistungen im Reiterdienst durch
Güterverleihungen belohnt wurde. Merkwürdig
ist, daß schon in dieser Zeit, unter Karl Martell,
die durch Aufgebot aufgebrachten Truppen durch
Söldner (soldari) verstärkt wurden.
3. Infolge der andauernden Kriegszüge wurde
die dem einzelnen Wehrpflichtigen obliegende
Pflicht der selbständigen Ausstattung mit Waffen
und Kleidern auf 6 Monate sowie des eigenen
Unterhaltens im Kriege auf 3 Monate (wobei der
Marsch zu dem oft sehr entfernten Sammelplatz
nicht eingerechnet wurde) zu einer schweren Last,
welche um so mehr drückte, als gleichzeitig die
Grundbesitzverhältnisse sich erheblich verschlech-
terten und den einzelnen Freien vielfach nicht mehr
die für den Kriegsdienst ausreichenden Erträgnisse
abwarfen. Manche Freie hatten überhaupt keinen
Grundbesitz mehr. Deshalb sahen sich die Karo-
linger genötigt, einerseits Vorschriften über die
Bewaffnung der Wehrmänner zu erlassen, ander-
seits aber auch Erleichterungen im Kriegsdienst den
minderbemittelten Freien zu gewähren. Karl d. Gr.
bestimmte im Jahre 807: Nur wer mindestens
drei Hufen Landes besitzt, muß jedesmal ins Feld
ziehen; kleine Grundbesitzer, deren Gesamtbesitz
drei Hufen ausmacht, müssen zusammenlegen, um
einen Mann auszurüsten (coniectus, adiuto-
rium); wer nicht wenigstens eine halbe Hufe be-
sitzt, wird zur gemeinschaftlichen Ausrüstung eines
Mannes nur dann herangezogen, wenn er min-
destens 5 solidi jährlicher Einkünfte bezieht.
Schon im Jahre 811 wurden vier Hufen Eigen-
tum oder Benefizium, und unter Ludwig dem
Frommen fünf Hufen als Mindestmaß des zum
Feldkriegsdienst verpflichtenden Vermögens fest-
gestellt. Damit war der Zusammenhang der
Wehrpflicht mit dem Grundbesitz aufgegeben und
die Wehrpflicht zu einer allgemeinen Untertanen-
pflicht gemacht; zugleich hatte die Wehrpflicht
ihren Charakter als einer allgemeinen persönlichen
Dienstleistung verloren.
Mit dem allmählichen wirtschaftlichen Nieder-
gang der Freien hingen noch andere Anderungen
ihrer Stellung zusammen, welche eine völlige Um-
wälzung der Staats= und Heeresverfassung herbei-
führten. Der Freiheitssinn der Germanen hatte
nicht gestattet, daß ein freier Mann einem andern
Freien dauernd sich zu Diensten verpflichte; seit
dem 7. Jahrh. hat aber die Not der Zeit zahl-
reiche Freie veranlaßt, in den dauernden Dienst
eines Großgrundbesitzers, senior, seigneur, als
vassi, vassalli zu treten (se commendare). Am
vornehmsten und zahlreichsten waren die Vasallen
des Königs, welcher der größte Grundbesitzer war.
Als Gegenleistung erhielten die Vasallen ihren
Unterhalt im Hause des senior oder ein Landgut
als beneficium, sodann Ausrüstung und Ver-
pflegung im Krieg; der senior haftete auch für