1285
und Boden des Besitzers beschränkt. Danach konnte,
abweichend von den Grundsätzen des freien Tier-
fangs, nicht jeder überall, sondern nur der Eigen-
tümer auf seinem eigenen Grund und Boden das
Wild sich aneignen, und es mußte derjenige, der
auf fremdem Eigentum ohne Erlaubnis des Be-
sitzers Wild erlegte, dasselbe an letzteren ausliefern.
Dieser Zustand, wonach also das Jagdrecht sich
lediglich als eine Pertinenz des Grundeigentums
darstellt, hat mit der eigenartigen Entwicklung
der Grundeigentumsverhältnisse in Deutschland
ebenfalls seine Anderungen erfahren. Schon mit
der Ausbildung des Unterschieds zwischen echtem
Eigentum, das nur der freie Mann haben konnte,
und dem unvollkommenen Eigentum, das dem
Unfreien zustand, sowie mit der Entwicklung des
Lehnswesens vollzog sich notwendig immer mehr
eine Einschränkung des ursprünglichen ausschließ-
lichen Okkupationsrechts des Eigentümers, bis
schließlich zu Anfang des 16. Jahrh. die schon
seit langem betriebene Ausdehnung der landes-
herrlichen Gerechtsame zu einer völligen Aus-
scheidung des Jagdrechts aus den Befugnissen des
Grundeigentums und zu der allgemeinen Annahme
eines Jagdregals führte, vermöge dessen die
Jagdgerechtigkeit nur dem Landesherrn zustand
und nur von diesem an andere verliehen werden
konnte.
Aus der interessanten Geschichte der Entwick-
lung des Jagdregals ergibt sich, daß vornehmlich
der Forst= und Wildbann mit den landesherrlichen
Wildbahnen der älteren Zeit vorbereitend gewirkt
hat. Schon im 9. Jahrh. und früher hatten die
Landesherren Gelegenheit gefunden, den Wildbann
auch über das Domanialbesitztum auszudehnen, so
daßer schon frühzeitig allegrößeren Waldungen um-
faßte, die nicht ausschließlich durch einzelne Per-
sonen oder Gemeinden benutzt wurden. So kam es,
daß bald ganze Länderstriche unter den Wildbann
gestellt waren, in welchen nun, wie es hieß, „dem
Wilde Frieden gewirkt“ und bei Strafe der Entrich-
tung der Königsbuße es verboten war, ohne landes-
herrliche Erlaubnis zu jagen. Daneben wurden kraft
der hoheitlichen Polizeigewalt Vorschriften zur Be-
obachtung einer gehörigen Forstökonomie bei Be-
nutzung der Holzungen erlassen, die sich auf alle
Waldungen ausnahmslos bezogen und vielerorts
sogar trotz des Widerstands der Bauern, welche
die freie Benutzung ihrer Waldungen verlangten,
bis zu einem förmlichen Anweisungsrecht der
landesherrlichen Forstbeamten, Holzgrafen und
Gerichtsherrschaften führten. Diese von den landes-
herrlichen Beamten geflissentlich geförderte Aus-
dehnung der obrigkeitlichen Gerechtsame bewirkte,
daß es bereits zu Anfang des 16. Jahrh. in
Deutschland als ausgemacht galt, daß der Landes-
herr die Jagd auch auf dem Grund und Boden
der einzelnen Untertanen untersagen könne. Diese
Anschauung aber, die insbesondere von den Juristen
der damaligen Zeit vertreten wurde und der ganzen
Forst= und Polizeigesetzgebung jener Periode zu-
Jagd= und Fischereirecht.
1286
grunde liegt, führte dann weiter zur Annahme
eines wirklichen Jagdregals, das nur dem grund-
besitzenden Adel gegenüber, der vermöge seiner
Landstandschaft seine hergebrachten Rechte besser
zu behaupten in der Lage war, in manchen Di-
strikten insofern einer Beschränkung unterlag, als
es nur auf die hohe Jagd bezogen wurde, wäh-
rend die mittlere und niedere Jagd dem Adel
verblieb.
Obgleich das Regal gemeinrechtlich niemals
förmlich eingeführt worden ist (erst das preußische
Allgemeine Landrecht hat dasselbe ausdrücklich an-
erkannt (TI II, Tit. 16, § 36)), hat dasselbe doch
tatsächlich bestanden bis zum Jahre 1848, das
mit seiner Umwälzung auch hier völligen Wandel
geschaffen, das Jagdrecht auf fremdem Grund und
Boden, und zwar ohne jede Entschädigung, auf-
gehoben und jedem Eigentümer das volle Jagdrecht
auf seinem Grundbesitz eingeräumt hat. Für Preu-
ßen ist dies durch das Gesetz vom 31. Okt. 1848
geschehen, und in gleicher oder ähnlicher Weise
sind auch die Gesetzgebungen der übrigen Staaten
Deutschlands vorgegangen.
Die hierdurch gewährte völlige Freiheit der
Jagd zeigte jedoch bald ihre Unzuträglichkeiten und
ihren unheilvollen Einfluß auf die kleinen Besitzer,
die vielfach ihre Wirtschaft vernachlässigten, um
der Jagd obzuliegen. Überhaupt wurde durchweg
die Ausübung der Jagd in so wüster Weise be-
trieben, daß nicht allein eine gänzliche Vernichtung
des Wildstandes zu befürchten, sondern auch wegen
des allgemeinen Gebrauchs der Schußwaffen die
persönliche Sicherheit und die öffentliche Ordnung
gefährdet war. Die Staatsgewalt war deshalb
genötigt, hier Einschränkungen zu treffen.
In Preußen erschien das Jagdpolizeigesetz vom
7. März 1850, das zwar den Grundsatz von der
Freiheit der Jagd bestehen läßt, im übrigen aber
für die Ausübung der letzteren so wesentlich ein-
schränkende Bestimmungen enthält, daß in Wirk-
lichkeit von Jagdfreiheit nicht mehr die Rede sein
kann. Wesentlich gleiche Gesetze sind auch in den
übrigen Staaten ergangen, so daß trotz der zahl-
reichen, vielfach schon durch die territoriale Ver-
schiedenheit der einzelnen Ländergebiete bedingten
Abweichungen in Einzelbestimmungen doch all-
gemein eine Gleichmäßigkeit in der prinzipiellen
Rechtsauffassung herrscht, wonach zwar das Jagd-
recht an sich jedem Grundeigentümer innerhalb
der Grenzen seines Besitztums zusteht, die Aus-
übung desselben aber aus polizeilichen und
nationalökonomischen Rücksichten an bestimmte
Voraussetzungen und Bedingungen geknüpft ist.
Hierdurch sind auch die Zweifel an derrechtlichen
Natur des Jagdrechts als des ausschließlichen Rechts
auf die Okkupation der für jagdbar erklärten wil-
den Tiere beseitigt. Das Wild ist, solange es in
seiner natürlichen Freiheit lebt, nicht Eigentum des
Grundbesitzers, auf dessen Territorium es sich auf-
hält, sondern dasselbe wird als herrenlose Sache
erst durch die Okkupation des Berechtigten zum
417