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disciplinam et administrationem spectantis)
oder um reine Gnadensachen (res gratiae). Dem-
entsprechend ist das strenge Prozeßverfahren,
das Disziplinar= und verwaltungsge-
richtliche Verfahren und das Verfahren
in Gnadensachen zu unterscheiden.
1. Dasstrenge Prozeßverfahren. Da
die Rota ein wirklicher Gerichtshof ist, kommen
die Regeln des ordentlichen kanonischen Prozesses
mit seinen charakteristischen Merkmalen zur An-
wendung: der festen Terminfolge (ad concordan-
dum de dubüis = litis contestatio, ad defen-
dendum, adrespondendum), dem Artikulations-
Kurie.
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vorschriften in analoger Weise zur Anwendung
(Lex propria tit. I, cap. 3 und cap. 1, can. 11
und 12).
Das Verfahren vor der Signatura ist ein
Mmöglichst einfaches und abgekürztes, doch gelten
die Zitation der Gegenpartei und Anberaumung
eines Termins zur Darlegung der Gründe als
wesentliche Erfordernisse. Handelt es sich um
Strafprozesse gegen Rotarichter, ist die Form des
kanonischen Kriminalprozesses anzuwenden (Lex
Propria tit. II, cap. 2).
Eingehende Vorschriften regeln die Prozeß-
kosten. Der Gebrauch eines Stempelpapiers ist
verfahren, d. h. der Auflösung der einzelnen vorgeschrieben. Auch kann der Auditor ponens
Streitfragen in articuli, und zwar in der Form die vorherige Sicherstellung der Unkosten in Höhe
von dubia, der Zäsur des Prozesses durch die von 100 bis 500 Lire verlangen. Für die Ge-
conclusio in causa in ein getrenntes Beweis= bühren der Advokaten im einzelnen ist eine be-
und Urteilsverfahren. Des weiteren ist das Prinzip sondere Honorarordnung aufgestellt. Durch Be-
der Schriftlichkeit und Mittelbarkeit maßgebend, willigung des Armenrechts können die Gerichts-
d. h. die Richter fällen das Urteil auf Grund der wie Anwaltskosten ganz oder teilweise erlassen
Prozeßakten, nicht auf Grund mündlicher Ver= werden (Lex propria, Appendix).
handlung der Parteien oder deren Vertreter vor 2. Im Gegensatz zu dem Verfahren vor der
Gericht. Doch ist es jetzt in gewissen Fällen auch Rota und Signatura soll das Disziplinar-
zulässig, einen besondern Termin für die münd-- und Verwaltungsverfahren vor den
liche Disputation der Vertreter vor dem Richter-
kollegium anzuberaumen. Beleidigungen, Ungebühr
oder Ungehorsam hierbei werden mit Wortent-
ziehung, bei den Advokaten mit Suspension oder
Amtsentsetzung geahndet. Die bisher üblichen
mündlichen Informationen der Richter sind da-
gegen fortgefallen. Ein Anwaltszwang besteht
nicht. Die Parteien können vielmehr selbst ihre
Sache vertreten und sich hierbei ihrer Muttersprache
bedienen. Der Parteibetrieb ist gewahrt, doch
werden die Schriftstücke ex ofticio zugestellt. Der
Kläger kann in jedem Stadium des Prozesses zu-
rücktreten, jedoch muß dies absolut und bedingungs-
los erfolgen und die Gegenpartei sowie das Gericht
damit einverstanden sein. Sämtliche Akten stehen
den Parteien längere Zeit vor der Verhandlung
zur Einsicht offen. — Das Urteil wird in ge-
heimer Sitzung auf Grund schriftlich abgefaßter,
mit Gründen versehener Voten nach absoluter
Stimmenmehrheit gefällt. Ohne neuen Antrag der
obsiegenden Partei und nochmaligen Gerichts-
beschluß ist es alsdann binnen zehn, höchstens
dreißig Tagen zu publizieren; es muß schriftlich
abgefaßt und bei Strafe der Nichtigkeit mit den
Urteilsgründen versehen sein. — Bestätigt die
Rota ein früheres Urteil, so wird es damit rechts-
kräftig, so daß jede weitere Appellation ausge-
schlossen ist und nur noch die außerordentlichen
Rechtsmittel der querela nullitatis oder der
restitutio in integrum innerhalb dreier Monate
bei der Signatura zulässig sind. Lautet dagegen
das Rota-Urteil abweichend, so kann noch Appel-
lation an den nächstfolgenden Rotaturnus binnen
zehn Tagen nach Zustellung des Urteils eingelegt
werden. — Für das Kriminalverfahren kommen
die allgemeinen Normen des kanonischen Straf-
prozesses und die eben erwähnten besondern Rota-
Kongregationen sine forma et strepitu, ohne
die strengen Formen des Prozesses vor sich gehen.
Infolgedessen fallen die litis contestatio, Zeugen-
vernehmung, Schriftsätze der Verteidiger fort. Die
Parteien müssen dagegen stets gehört und ihre
Beweisstücke geprüft werden. Auch können sie ge-
druckte Schriftsätze bis zu einem bestimmten Um-
fang einreichen. In den Angelegenheiten, die in
der Plenarsitzung zu entscheiden sind, haben die
Beamten der Kongregation einen offiziellen Schrift-
satz (olium officiale) mit einer kurzen Darstellung
des Falles, einer Zusammenstellung der beige-
brachten Urkunden (summarium) und der Auf-
zählung der dubia auszuarbeiten und den Kar-
dinälen zehn Tage vor der Sitzung zuzustellen.
Bei besonders wichtigen oder schwierigen Fällen
sind noch die vota der Konsultoren beizufügen. —
Die Entscheidungen erfolgen durch Mehr-
heitsbeschluß und sind schriftlich abzufassen und
zu publizieren. Eine Appellation gegen die-
selben ist nicht möglich. Doch kann der unter-
legenen Partei auf einen innerhalb der nächsten
zehn Tage erfolgenden Antrag das beneficium
novae audientiae gewahrt werden. Die Ge-
richtskosten hat jede Partei für sich zu tragen.
Eine Wiedererstattung der Gebühren und Un-
kosten findet nicht statt (Norm. pec. c. III, art. 2
und c. IV, § 2/4, 9/11).
3. Die Bewilligung von Gesuchen
um Erteilung von Gnaden, Dispensen,
Fakultäten, Indulten erfolgt entweder mündlich
(hier nur für das forum conscientiae) oder
schriftlich in Form einer Urkunde, nach dem etwa
interessierte Dritte gehört worden sind. Will je-
mand einem Dritten gegenüber die erlangten
Gnaden geltend machen, so hat er den gesetzlichen
Beweis zu erbringen, d. h. die Bewilligungs-