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auf dringen, daß 8 1716 des B. G. B. erfüllt wird
(Möglichkeit der Hinterlegung eines gewissen Ali-
mentsbetrages vor der Niederkunft). — b) Auch
der unehelichen Mutter hätte das Gesetz den Schutz
des § 361, Abs. 10 des St. G. B. zu gewähr-
leisten (also Bestrafung auch des unehelichen
Vaters, der sich der Alimentierung entzieht, im
weiteren Ausbau die Möglichkeit seiner Über-
weisung in ein Arbeitshaus). — c) Der § 1717
des B.G.B., wonach bei der „Einrede mehrerer
Zuhälter“ die Alimentierungspflicht aufgehoben
ist, wäre zu streichen (Gründe: die Möglichkeit
dieser Einrede wirkt entsittlichend, weil sie das
sexuelle Verantwortlichkeitsgefühl des Mannes zu
zerstören droht; für das Weib wächst die Gefahr,
zum Objekt klug angelegter männlicher Verfüh-
rungskünste zu werden, was bei der entsprechenden
Reichstagsverhandlung mit folgenden Worten be-
zeichnet wurde: Dieser Paragraph sei eine „Prä-
mie für Wollüstlinge"“; selbst wenn die Vater-
schaft zweifelhaft ist, so hat doch der zur Alimen-
tierung Aufgerufene bewußt alle Vorbedingungen
der Vaterschaft erfüllt, und es ist nicht sein Ver-
dienst, wenn die Folgen ausblieben; es ist sozial-
politisch falsch gedacht, einen Nächstbeteiligten zu
entlasten, weil er möglicherweise nicht der
Vater ist, dafür aber gänzlich Unbeteiligten —
Kassen, Armenverwaltung, Privatwohltätigkeit —
mit der Sorge für Mutter und Kind eine schwere
Last aufzubürden). — d) Es müßte eine gesetzliche
Handhabe geschaffen werden, um den unehelichen
Vater für eine Gesetzesübertretung der Mutter, die
mit Schwangerschaft und Niederkunft zusammen-
hängt (Verbrechen gegen das keimende Leben,
Kindsmord), mit verantwortlich zu machen, wenn
er ihr die erbetene materielle und moralische Hilfe
verweigert hat (siehe hierzu auch die Petition des
Bundes deutscher Frauenvereine zur Reform des
Sttasgesehöuches und der Strafprozeßordnung,
09).
Als ideelles Moment des Mutterschutzes wäre
noch die Abschaffung der Doppelmoral
zu nennen, die für ein von zwei Personen be-
gangenes Unrecht den schwächeren und in physi-
Nachlaß= und Erbschaftssteuern.
1270
scher Hinsicht ohnehin schwer belasteten Teil fast
allein der öffentlichen Verurteilung preisgibt. Im
Volksgewissen muß auch der Mann bürgerlich
geächtet sein, wenn er zwei Wesen im Stich läßt,
deren materielle Not und soziale Minderbewertung
er verschuldet hat. Umgekehrt darf das Volks-
urteil der unehelichen Mutter gegenüber nicht von
der bisherigen, oft namenlosen Härte bleiben; wir
können die sittlichen Grundsätze unserer Religion
sachlich hochhalten, ohne die einzelne Persönlich=
keit, die diese Grundsätze verletzte, in Verruf zu
erklären. Auch das Gesetz müßte hier eine Härte
beseitigen, die auf manchen wohlmeinenden Vor-
satz verbitternd und lähmend wirkt: indem es der
unehelichen Mutter nicht grundsätzlich die elter-
liche Gewalt über ihr Kind abspricht (8 1707
des B.G.B.).
Literatur. Gertrud Bäumer, Agnes Bluhm,
Ika Freudenberg, Anna Kraußneck, Helene Lange,
Anna Pappritz, Alice Salomon, Marianne Weber:
Frauenbewegung u. Sexualethik, Beiträge zur mo-
dernen Ehekritik (1909); Fr. Wilh. Foerster, Se-
rualethik u. Sexualpädagogik, eine Auseinander-
setzung mit den Modernen (21909); Julian Mar-
cuse, Die sexuelle Frage u. das Christentum, ein
Waffengang mit Fr. Wilh. Foerster (1908); Marie
Wegner, Merkbuch der Frauenbewegung (1908);
IJ. Mausbach, Altchristliche u. moderne Gedanken
über Frauenberuf (1906); Marianne Weber, Ehe-
frau u. Mutter in der Rechtsentwicklung (1907);
Ellen Key, über Liebe u. Ehe, Der Lebensglaube
(1906); Carpenter, Wenn die Menschen reif zur
Liebe werden (ohne Jahr); August Buckeley, Zur
Frage der Mutterschaftsversicherung (1908); Alice
Salomon, M. u. Mutterschaftsversicherung (1908);
Camilla Jellinek, Petition des Bundes deutscher
Frauenvereine zur Reform des Strafgesetzbuches u.
der Strafprozeßordnung (1909); Adele Schreiber,
Der Bund für M. u. seine Gegner (1908); Maria
Lischnewska, Unser praktischer M. (1907); Klara
Linzen-Ernst, Stillstuben (1908); Adele Schreiber,
omane aus dem Leben. Aus den Erfahrungen des
Bundes für M. (1908); Nanny Lambrecht, Die
neue Mutter (1909); Gertrud Prellwitz, Vom
Wunder des Lebens (1909); Mausbach, Der christ-
liche Familiengedanke im Gegensatz zur modernen
Mutterschutzbewegung (1908). IH. Dransfeld.])
NA.
Nachlaß= und Erbschaftssteuern sind
Vermögensverkehrssteuern, die aus Anlaß eines
Erbfalles vom Bestande der Erbschaft erhoben
werden. Sie treffen den Vermögensverkehr von
Todes wegen. Sie sind Erwerbssteuern, weil das
ihnen unterworfene Vermögen bei dem Verkehrs-
vorgang einen Erwerb gewährt, Vermögens-
steuern, weil sie aus dem Nachlaß entnommen
werden. In der Wissenschaft werden sie deshalb
auch als in der Form einer „intermittierenden“
Vermögenssteuer erhobene Verkehrssteuern be-
zeichnet.
Die Steuerquelle und die Bemes-
sungsgrundlage für sie ist bei der Nach-
laßsteuer der Nachlaß, also das Vermögen des
Erblassers, nicht insofern es als Ganzes mit dem
Erbfall auf die Erben übergegangen ist, sondern
insofern es in der Person des Erblassers zu einer
Einheit zusammengefaßt war, bei der Erb-
schaftssteuer der Erwerb des Erben von