Die Truppen zogen begeistert herrlichen Taten entgegen,
beneidet von den Zurückbleibenden, deren starke Stellung
der Gegner nicht anzugreifen wagte. Die sächsischen Land-
wehrtruppen kehrten aus der Herbstschlacht in der Cham-
pagne ruhmbeladen zur 47. Landwehrbrigade zurück. Die
Landwehrleute hatten an festem Willen und beharrlicher
Auodauer es allen übrigen in der Champagne eingesetzten
Truppen gleichgetan. Die Berichte der Bataillone geben
ein ergreifendes Bild der furchtbaren Kampftage wieder
und der fast ebenso schrecklichen Zeit nachher, in der es
galt, die zerschossenen Kampfgräben wieder verteidigungs-
fähig zu machen. Die Erde zermürbt, die Unterstände ver-
schüttet und voller Leichen, ebenso die Gräben und das
Vorgelände, überall ein entsetzlicher Leichengeruch, kein Was-
ser, kein warmes Essen, Verbindung weder zwischen den
einzelnen Kampfgruppen noch nach rückwärts, dazu das
umunterbrochene wilde Feuer der französischen Artillerie und
der dicht vor der unfertigen eigenen Stellung nur 10 bis 20
Meter entfernt stehende Feind, das ist das Bild, welches
in allen Gefechtoberichten der heimbehrenden Bataillone wie-
derkehrt. Aber Ausdauer und kameradschaftliches Eintreten
überwanden alles. Die Hilfsbereitschaft, welche unsere Wehr-
leute in dieser schrecklichen Zeit betätigten, wurde auch von
den benachbarten Truppen besonders anerkannt. Unermüd-
lich trugen die Wehrleute die unglücklichen Verwundeten
durch die engen Verbindungswege in dem nie unterbrochenen
feindlichen Feuer zurück und gruben wiederholt im schärfsten
Feuer Unglückliche aus verschütteten Unterständen aus.
Die Teilnahme von Teilen der 47. Landwehrbrigade
an der Herbstschlacht in der Champagne im einzelnen
II. Bataillon Landwehr-Infanterie-
regiments 106.
Das Bataillon wurde am 20. September mit der Bahn
nach Somme-Py befördert und zunächst nach dem Sachsen-
lager etwa ein Kilometer ösilich Navarin-Ferme noch an
demselben Abend herangezogen. Dort bildete eo mit einem
aus sächsischen Kavalleristen zusammengestellten Bataillon
v. Humbracht ein neuzusammengestelltes Regiment im
Rahmen der Division v. Aebert des VIII. Armeekorps. Die
Franzosen hatten gegenüber der deutschen Stellung, die
im großen Bogen nördlich um Souain verlief, ihre Lauf-
gräben seit vier Wochen bis auf Sturmentfernung vor-
getrieben. Die deutsche Stellung war nur flach auogebaut,
vor allem fehlte es an Verbindungsgräben. Die Mann-
schaften wurden deshalb sofort zum Ausbau herangezogen.
was der Gegner durch das bereits am 21. September ein-
setzende Trommelfeuer mehrfach wirksam verhinderte.
Als der Feind am 25. September den Durchbruch der
Stellung durchführte, wurde gegen Mittag das Bataillon
aus der Bereitstellung vorgezogen, gelangte aber nur noch
bis in die Reservestellung der Division südlich des Sachsen-
lagers, weil die vordere Stellung inzwischen verloren-
gegangen war. Dort wies das Bataillon am folgenden
Tage, zwischen Teilen des Infanterieregiments 184 und
Reserve-Infanterieregiments 117, alle Angriffe des Geg-
ners ab.
Ja es gelang sogar an diesem Tage wie auch an den
folgenden, Gefangene zu machen, 29. Jäger vom VI. fran-
zösischen Korps, meist Rekruten von lols, gut genährte
und gut ausgerüstete Truppen mit Stahlhelmen. Die Ge-
fangenen sagten aus, daß hier drei Regimenter angegriffen
hätten
Am 28. September beteiligte sich ein Teil des zäh aus-
haltenden Bataillons sogar an einem Gegensioß, der leider
im feindlichen Maschinengewehrfeuer zusammenbrach.
Erst am 30. September wurde das zu Tode erschöpfte
267
Bataillon aus der vordersten Kampflinie, die es unerschütter-
lich gehalten hatte, herausgezogen und nach St. Etienne
zum Ausruhen zurückgeschickt.
II. Bataillon Landwehr-Infanterie-
regiments 104.
Das Bataillon, mittels Bahn und zuletzt mit Fußmarsch
bei Beginn der Durchbruchskämpfe in der Champagne ber-
angebracht, erreichte am 25. September gegen s Uhr nach-
mittags als erste eintreffende Unterstützung die Reserve-
stellung des Reserve-Infanterieregiments 133 im Abschnitt
der 24. Reservedivision des XII. Reservekorps. Der Feind
hatte an mehreren Stellen die vorderen Gräben überrannt
und sollte noch vor Abend durch einen Gegenstoß zurück-
geworfen werden. Schon vor dem Eintreffen des Bataillons
hatten Reserve-Infanterieregiment 133 und Teile des Re-
serve-Infanterieregiments 102 die Franzosen größtenteils
zurückgeworfen. Das Bataillon säuberte den Raum zwischen
der vorderen und Zwischenstellung von durchgedrungenen
Franzosen und befreite vier Geschütze der I. Abteilung Feld-
artillerieregiments 40 mit dem überlebenden Rest ihrer
Bedienung. Eo erlitt an diesem ersten Kampftage einen
Gesamtverlust von 9 OÖffizieren, 20 Unteroffizieren und
384 Mann. In der nächsten Nacht mußte das Bataillon
auf ausdrücklichen Befehl der Division die wiedererkämpfte
Kampfstellung räumen, weil das Nebenkorps auf die weiter
rückwärts gelegene Reservestellung zurückgegangen war. Die
Ausführung dieses Befehls erfolgte unter Mitnahme sämt-
licher Maschinengewehre, alles Fernsprech= und sonst wich-
tigen Geräto, ohne daß der Feind nachdrängte.
Es wurde nunmehr die Zwischenstellung besetzt und bis
zum Morgen des 27. September gehalten, wo durch In-
fanterieregiment 193 Ablösung eintrat.
Die nächsten Tage lag das Bataillon in der Reserve-
siellung. Der Aufenthalt dort stellte bei dem nie unter-
brochenen Trommelfeuer die härtesten Ansprüche an die
Nerven jedes einzenin. Am 3. Ok.ober kehrt: das Bataillon
dann mit Kraftwagen und Eisenbahn zur verstärkten 47.
Landwehr-Infanteriebrigade zurück.
I. Bataillon Landwehr-Infanterie-
regiments 106.
Als am 6. Oktober 1915 der große Durchbruchoversuch
der Franzosen in der Champagne nochmals auflebte, wurde
das I. Bataillon Landwehr-Infanteri ts 106 nach dem
Abschnitt des Reserve-Infanterieregiments 104 (24. Ne-
servedivision, XII. Reservelorps) über die Mühle von St.
Souplet nach dem Kampfgraben östlich von Aubérive her-
angezogen. In der Nacht zum 8. Oktober erreichte das
Bataillon die Unterstände der Regimentsreserve. Dort muß-
ten auf engstem Naume die Leute sich zusammendrängen
und auch noch den zahlreichen Versprengten anderer Trup-
penteile Aufnahme gewähren. Der Morgen des 8. Oktober
entschleierte ein wüstes Bild. Das Waldlager, das in ruhiger
Jeit ein ganz angenehmer Aufenthalt gewesen sein mochte,
war besät mit französischen und deutschen Waffen, Män-
teln und Ausrüstungsstücken aller Art. Patronen lagen
zu Tausenden herum. Die Bäume des Waldes selbst waren
massenhaft durch die Granaten umgeknickt. Der Tag ver-
ging mit Einrichten und Aufräumen. Sächsischer Ordnungs--
sinn bewältigte endlich das gröbste Durcheinander und den
ärgsten Schmutz. Bei angespanntester Arbeit gab es viel
Neues und Ungewohntes zu erleben, besonderes Vergnügen
machten den Leuten die zahlreich herumliegenden französi-
schen Stahlhelme mit der platzenden Bombe als Stirn-
schmuck, dem „Radieschen“, wie sie der Soldatenwitz mitten
im Trommelfeuer taufte.
Schon in der Nacht zum 9. Oktober wurde das Batail-
lon in vorderste Linie vorgezogen und kam gegenüber dem