Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

Sumpfgelände nicht recht vorwärts kam, erhielt die 58. 
Infanteriedivision den Befehl, zusammen mit der 1. Land- 
wehrdivision den Brückenkopf von Tykotzin baldmöglichst in 
Besitz zu nehmen. Während die 1. Landwehrdivision nach 
kurzem Kampfe in Tykotzin eindrang, vermochte die S8. In- 
fanteriedivision erst nach schwerem Kampfe die Höhen bei 
Sjerki zu erstürmen. Bis zum Abend war der nördliche 
Teil der Narewhalbinsel südöstlich von Tykotzin vollstän- 
dig vom Feinde gesäubert. Der Armeeoberbefehlshaber, der 
General der Artillerie v. Scholtz, traf an diesem Tage an 
der Gefechtsfront der Division ein und sprach sich äußerst 
befriedigt über ihre Erfolge aus. 
Nunmehr galt es, möglichst schnell über den Narew in 
Nichtung auf Bialystok vorzudringen, um Hand auf die- 
sen wichtigen Bahn= und Handelsmittelpunkt zu legen. Der 
24. August verging mit dem Bau von Brückenstegen bei 
Babino und bei Joltki, welchen die feindliche Artillerie jen- 
seits des Flusses hartnäckig zu stören suchte. Tags darauf 
überschritt die Division bei Babino und Zendziany den Na- 
rew und griff zunächst mit dem I. Bataillon Infanterie- 
regiments 107 in den Kampf der 75. Reservedioision ein. 
III. Bataillon Infanterieregiments 107 erstürmte dabei den 
Kirchhof und die Höhe 136 westlich des Ortes, erbeutete 
207 
drei Maschinengewehre, nahm 2 Offiziere und 140 Mann 
gefangen und stieß durch die Stadt bis in die Waldstücke 
östlich davon durch. Von der Schwierigkeit des dortigen 
Flußgeländes macht man sich nur schwer eine Vorstellung. 
So bestand der Übergang bei Zoltki aus einem 1500 Meter 
langen Damm, in dem fünf Holzbrücken von 40 bis 120 
Meter Länge über offenes Wasser eingebaut waren. Die 
Brücken waren natürlich sämtlich vorher von den Nussen 
niedergebrannt worden. Aber die deutscherseits schnell her- 
gestellten Brückenstege konnten nur die Fußtruppen über- 
gehen, alle berittenen Truppen und alle Fahrzeuge mußten 
den Umweg über die Brücke von Kruschewo machen. 
Am 26. August überschritt die 58. Infanteriedivision 
die Biala und erreichte mit ihrem rechten Flügel das lang 
ersehnte Bialystok, aber am Abend traf schon der Befehl ein, 
welcher die Division aus der vorderen Gefechtslinie heraus- 
zog und zunächst im Naume um Fasti—Choroscz südlich 
der Suprasl bereitstellte. Von dort aus wurde die 58. In- 
fanteriedivision über Knyszyn und Osowiec nach der ost- 
preußischen Grenze in der Zeit zwischen 27. und 30. August 
zurückgeführt, um am 31. August von den Einladepunkten 
Ruda, Grajewo und Prostken aus auf einen neuen Kriegs- 
schauplatz abbefördert zu werden. 
Die 58. Infanteriedivisson im Wilnafeldzug, September 1015 
(Skizze 52) 
Noch waren die sächsischen Marschkolonnen im Vormarsch 
auf Bialystok, da setzte schon die neue Gruppierung der 
Hindenburgarmeen zu dem Kesseltreiben zwischen Wilna 
und dem Oberlauf des Niemen ein. « 
Während rechter Flügel und Mitte der deutsch-öster- 
reich-ungarischen Armeen von Czernowitz bis nördlich von 
Baranowitschsf in die neue fast gradlinige Südnord-Abwehr- 
linie einrückten, drückte Hindenburgs rechter Flügel, die 
12. Armee Gallwitz, über Wolkowysk auf Nowo Grudok die 
fliehenden Russen allmählich nordwärts in das unwegsame 
Gebiet nördlich des oberen Niemen. 
Die achte Armee Scholtz schob sich links und fesselte 
zwischen Grodno und Lida die Mitte der russischen Nord- 
front. Die zehnte Armee Eichhorn schloß mit gleichem 
Auftrag links von Olita bis Wilbomierz an, den Feind bei 
Wilna festhaltend. Die Niemenarmee Belows drang gleich- 
zeitig gegen die Düna unterhalb von Dünaburg vor und 
sicherte die linke Flanke der zehnten Armee, deren ver- 
stärktem linken Flügel die Ausabe zugedacht war, durch 
überraschendes Vorbrechen über Smorgon-Molodetschno in 
Richtung auf Minsk den Ring um das russische Nordheer 
zu schließen. 
Zu diesem linken Umgehungeflügel gehörte die sächsische. 
58. Infanteriedivision, welche dicht hinter dem Heeres- 
kavalleriekorps 6 des Generals von Garnier die Spitze der 
Vorstoßgruppe Eichhorns bildete. . 
Die Flieger Eichhorns hatten rechtzeitig alle Bahnver- 
bindungen auf Minsk im Rücken der Russen unterbrochen 
und von Norden her war das Kavalleriekorps Garnier 
gegen Rücken und Nordflanke der Russenmasse im An- 
marsch. Garnier unterbrach bis 15. September die russi- 
schen Bahnverbindungen östlich von Wilna, bei Molo- 
detschno, Smorgon und Soly. Zu gleicher Zeit drückte 
Eichhorn von West und Nord auf Wilna und östliches 
Hinterland, Scholtz von Westen her gegen Lida und Gall- 
witz von Südosten her auf Nowo Grudok. Ein neues 
Riesen-Canné schien sicher. Aber die Russen hatten in den 
12 Monaten bitterer Hindenburg-Schule viel gelernt, ins- 
besondere das rechtzeitige Ausreißen. Sie entzogen sich im 
lehten Augenblick der Einkreisung durch die Flucht, indem 
sie ihre Uberzahl, ihre mächtigen rückwärtigen Reserven und 
ihr Bahnnetz dazu ausnutzten, sich östlich von Wilna, im 
Raume von Smorgon—Molodetschno ein Loch zum Durch- 
schlüpfen wenigstens von Trümmern freizumachen. 
Dort stieß die russische Ubermacht auf das Kavallerie= 
korps Garnier und die Sachsen der §38. Infanteriedioision. 
Sie mußten nach Tagen heldenmütigen Ausharreno schließ- 
lich die Bahn den verzweifelten Russen freigeben. Ihr toll- 
kühner Vorstoß in Flanke und Rücken des Nussenheeres war 
aber nicht umsonst gewesen, 40 000 Gefangene, zahlreiche 
Geschütze, über 100 Maschinengewehre, Tausende von Fahr- 
zeugen und fast das gesamte Heeresgerät der Nussen blieben 
in den Händen der Hindenburgarmeen. — 
Soweit der Verlauf des Wilnafeldzuges im Großen. 
Die S8. Infanteriedivision unterstand bei diesem Feldzuge 
dem I. Armeekorps General der Infanterie v. Eben, Stabs- 
chef Oberst Wachs. 
Die Gefechtsstärke der s 8. Infanteriedivision betrug im 
Wilnafeldzug 181 Offiziere, 9993 Mann, 31 Maschinen- 
gewehre, 45 Feld= und 8 schwere Geschütze. Sie war also 
um 72 Offiziere und 1022 Mann und 2 Feldgeschäütze 
schwächer als bei Beginn des Narewfeldzuges. 
Die Division fuhr zunächst mit der Bahn über Goldap 
Gumbinnen nach Kowno. Die Fahrt erlitt bedeutende Ver- 
zögerungen dadurch, daß die von den Russen gründlichst 
zerstörte Bahnlinie noch nicht wieder ganz hergestellt und 
in ihrem letzten Teile nur eingleisig zu befahren war. Der 
Bahnhof von Kowno konnte noch nicht benutzt werden, 
da die hohe Eisenbahnbrücke über das tief eingeschnittene 
Niemental gesprengt war. Infolgedessen wurde auf freier 
Strecke und an einigen weiterzurückgelegenen Haltepunkten 
ausgeladen. Die Leerzüge mußten auf der eingleisigen 
Strecke erst zurückgeführt werden, ehe der nächste Zug vor- 
fahren konnte. Gleichzeitig mit der §8. Infanteriedioision 
wurden bereits Teile der 2. Infanteriedivision und der 
Kavalleriedivisionen befördert, welche zu dem Kapvallerie= 
korps 6 des Generals von Garnier stoßen sollten, das auf 
dem Nordflügel der Armee v. Eichhorn in der Versammlung 
begriffen war. Außer den Truppen hatte diese eingleisige 
Bahn für die zehnte Armee noch den gesamten Heeresbedarf
	        
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