lich die mit hochtönenden Worten angekündigten Einarmer-
werkzeuge findiger Geschäftsleute), alles das stellt von
vornherein den Erfolg in Frage. Die hierbei unausbleib-
lichen Mißerfolge stimmen wiederum den Mut und die
Auodauer der Kriegsbeschädigten herab. Und diese Eigen-
schaften müssen stets in der Oberhand bleiben!
Alo praktisch und erfolgreich hat es sich erwiesen, wenn
von allem Anfang zur Feder, nicht zum Stift gegriffen
wird. Aber nicht die spitzen Stahlfedern, denen wir, wie
Fachgelehrte nachweisen, die Unschönheit der nationalen
Schreibschrift verdanken, sondern solche mit breiten, weichen
Schnäbeln (etwa die 3 mm breite Redisfeder) sind zu
wählen. Und wie mancher der bejahrten Buchstabenschützen
zunächst über das ungewohnte Schreibgerät stutzt, wundert
er sich auch über die ersten Schreibformen: Steinschrift,
Grotesk, nur aus der senkrechten, wagerechten und schrägen
Linie, sowie dem einfachen linken und rechten Bogen zu-
sammengesetzt! Die Fortsetzung der Ubungen läßt aber
bald die Vorteile der Methode erkennen: die Hand wird
frei, locker, die Schwerfälligkeit, das Ungelenke, Steife ver-
liert sich. Durch die Ubungen mit der breiten Feder —
auch zur lateinischen Kursioschrift wird sie anfangs noch
benutzt —, wird der sichere Grund für die erstrebte Hand-
schrift, deutsche Kurrent, gelegt. Und unbemerkt werden die
Schreiber auf diesem Wege von der steilen Schriftlage zur
rechtsgeneigten Schräglage geführt. Den Hauptanteil an
der Bestimmung der Schriftlage hat die schreibende Hand,
der schreibende Arm und der Lauf der Schrift von links
nach rechts.
Ebenso, wie dieser gesamte Unterricht kein plan= und
geistloses Drauflosschreiben sein darf, ist es notwendig,
daß das eigentliche Schreiben von technischen Ubungen
aller Art, freien und gebundenen (ehythmischen) Arm-,
Hand= und Fingerbewegungen begleitet wird. Überhaupt
tritt die praktische Tätigkeit in den Werkstätten hier hel-
fend und unterstützend ein.
Außer dem Erlernen des Schreibens mit der linken
Hand ist in vielen Fällen die Benutzung einer besonde-
ren Schreibhilfe, einer Prothese geboten. Da die hier
berührten Fälle ganz verschiedener Art sind, so müssen
auch die Behelfsmittel ganz persönlicher Art sein. Es ist
ein Unterschied, ob an einige Fingerstümpfe, an den Unter-
arm oder Oberarm angeschlossen werden kann, ob der
Schreibende die Hand auflegen kann oder nicht. Hier kön-
nen die Erzeugnisse der Industrien, so gut gemeint und
scharfsinnig ausgearbeitet sie auch sein mögen, ihren Zweck
in der Regel nur dann erfüllen, wenn sie für den einzelnen
Fall besonders umgearbeitet worden sind. Am besten ist
es, wenn die Herstellung dieser Behelfsstücke, wie über-
haupt aller Prothesen, in der Lazarettwerkstatt selbst ge-
schieht. Dann bekommt der Kriegöbeschädigte nicht nur eine
Arbeitshilfe, die lediglich für ihn gearbeitet, also gewisser-
maßen ein Stück von ihm ist, sondern er lernt sie auch
von Grund aus kennen, verstehen und schätzen.
Das Schreiben ist aber nur ein Teil, wenn auch ein be-
stimmender und wesentlicher, des Unterrichts der Einarmer=
schulen. Nebenher werden noch viele Ubungen laufen, die
dem Kriegsbeschädigten die unzähligen Behelfvarbei=
ten ermöglichen, die das tägliche Leben erfordert. Der
Einarmer lernt nicht nur das Schreiben, sondern auch den
sonstigen Gebrauch der Schreibwerkzeuge und des dazu
notwendigen Materialos. Wie man einen Brief öffnet,
indem derselbe unter den Kunstarm oder den Armstumpf
geklemmt wird, während die andere Hand den Umschlag
aufreißt oder mit einem Messer aufschneidet, wie weiter
der Brief seiner Hülle entnommen wird unter geschickter
Benutzung des Körperg oder einer Tischkante, nach Befinden
auch mit den Zähnen, wie ein Brief mit einer Hand unter
geeigneter Verteilung der einzelnen Finger in den Umschlag
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gesteckt, dieser geschlossen und gesiegelt wird, alles dies
und noch viele Griffe muß der einarmige Schreiber lernen.
Bei Besprechung der Bureauhilfsarbeiten wird noch dar-
auf zurückzukommen sein.
Bei den Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens
benutzt der Einarmer mit Vorliebe Geräte, die wenig oder
gar nicht von der üblichen Form abweichen, höchstens eine
Sondervorrichtung besitzen. Die meisten der sog. Einarmer-
hilfsgeräte sind mindestens überflüssig, oft sogar gefährlich,
wie z. B. die Taschenmesser mit den durch Druck auf-
springenden Klingen, die sich oft in der Tasche durch
Reibung usw. außlösen und zu Verletzungen Anlaß geben.
Im Handel erscheinen täglich neue derartige Geräte, die
oft viel Scharfsinn verraten, da sie aber meistens nicht von
Einarmern entworfen sind, entsprechen sie auch nicht deren
Bedürfnissen. Der Einarmer zeigt sich vor allem, je nach
der mit Energie betriebenen lbung, viel geschickter und er-
findungsreicher als der Laie annimmt. Man braucht da
noch gar nicht an Künstler und Schaubühne zu denken,
die schon in Friedenszeiten angestaunt wurden. Wenn
Kriegsbeschärigter, mit Handprothese schreibend
Elnarmerschule des Krelsverbandes Heimatdank, Leipzig
wir sehen, daß jemand ohne Arme und Beine einen Be-
ruf ausüben kann, wie etwa der bekannte Königsberger
Drechslermeister, oder wenn wir den bekannten Grafen
Zichy mit der Linken meisterhaft Klavier spielen hören, so
sind wir freudig überrascht, und wir wünschen, daß ein
Abglanz dieser Höchstleistungen sich auf jeden Kriegs-
beschädigten übertragen möchte. Und wenn dies auch nur
einzelne, gottbegnadete Talente sind, deren Leistungen sich
keineswegs verallgemeinern lassen, so sind schon in Frie-
denöozeiten überraschende Leistungen vieler Industrie-Inva-
liden bekannt geworden, die meistens einer besonderen, ihrem
Zustand entsprechenden Schulung entbehrten. Es wird noch
bei Besprechung der einzelnen Berufe auf die besonderen
Verwendungsmöglichkeiten und Arbeitsbehelfe der Einarmer
hingewiesen werden. Die Ergebnisse praktischer Arbeit
bängen ungemein viel von der Schulung in den Lazaretten
ab. Je planmäßiger die Einarmerschulen vorgehen, je
bereitvoller die Kriegobeschädigten sich dieser Führung hin-
geben, desto rascher und sicherer wird sich die Einübung der
bisher nicht an die entsprechende Tätigkeit gewöhnten Glie-
der vollziehen und der Ubergang in geregelte und lohnende
Erwerbsarbeit vollziehen.
Jedenfalls liefern die Einarmerschulen den Beweis,
daß der Verlust eines Armes, bzw. einer Hand, einen
Menschen keineswegs zur Hilflosigkeit verurteilt. Ja, er
braucht noch nicht einmal auf manche Annehmlichkeit,
manchen Genuß zu verzichten. Die Einarmerschulen pflegen
aus diesem Grunde Turnen und Sport. Wir sehen mit