Contents: Deutsches Kolonialblatt. V. Jahrgang, 1894. (5)

breitgetretene seitliche Negerpfade ein, sowie eine neue 
Treppe zu ihren Füßen sich abwärts senkte. Hoffent- 
lich übernimmt es die nächste Regenzeit, die manchmal 
auf Tage alle Wege am Kilimandjaro in Bäche ver- 
wandelt, die „Nachtigallenstiegen“, wie ein boshaft 
angehauchter Mzungu sie nennt, vom Erdboden 
wieder verschwinden zu lassen. Den Mondjo, den 
Nua, zulezt den Himo, den westlichen Grenzfluß 
Marangus, in welchen die vorgenannten beiden 
Wässerchen sich ergießen, auf leidlichen Brücken über- 
querend, erreichen wir nach kaum 1½ stündigem 
Worch die katholische Missionsstation Kilema. 
Es ist diese Niederlassung der Congrégation 
du St. Esprit et du St. Coeur de Marie schon 
mehrfach und zwar immer in Ausdrücken der un- 
getheiltesten Anerkennung beschrieben worden, zuleßt 
von meinem Kollegen Dr. Lent in der Deutschen 
Kolonialzeitung (1894, Nr. 1). 
Die Gebäude der Missionsstation Kilema um- 
schließen im Geviert einen ausgedehnten Hofraum, 
der, mit jungen Casuarinen bestanden, in der Mitte 
von einem Leitungsgraben durchschnitten ist. Gleich 
links am Eingang findet sich, fast bis zum Dach 
vollendet, die Kirche; da die alte aus Lattenwerk 
und Lehm errichtete den Witterungseinflüssen nicht 
mehr widerstand, hat man sie kurz entschlossen nieder- 
gerissen und führt jeßt aus Luftziegeln eine neue 
auf. Pere Flick, wie alle anderen Brüder ein 
Elsässer von Geburt und Deutsch sprechend, erblicke 
ich im Arbeitsanzug auf einem Gerüst stehend dabei, 
sich mit Zollstock und Loth in der Hand von der 
Geradheit einer Seitenmauer zu überzeugen. Nach 
herzlicher Begrüßung giebt er mir die Erklärung, 
daß seinem Ueberschlage gemäß 60 000 Ziegel für 
den Bau nöthig wären, daß aber dank der eifrigen 
Thätigkeit der Zöglinge, die jeden Tag bis zu 1000 
davon anfertigten, binnen Kurzem der ganze Bedarf 
gedeckt sei. Für das Dach wäre Wellblech vor- 
gesehen. Stündlich könne die Karawane eintreffen, 
die ihnen solches von Mombassa her zutrüge. Nach- 
dem ich noch einen Blick auf die Nundbogenfeuster 
geworfen, in welche eben die frisch aus der Tischler- 
werkstatt hervorgegangene Holzbekleidung eingesetzt 
wird, schreiten wir quer über den Hofraum, die 
Unterkunftsstätten für die Schüler zur Seite lassend, 
dem Wohngebäude zu. 
An ihm, einem einfachen, mit Bananenblättern ge- 
deckten Giebelhause, erkennt man schon von außen die 
eminenten Vortheile, die die Verwendung von Luft- 
ziegeln dem sonst am Kilimandjaro bei Europäern 
üblichen Fachwerksystem gegenüber voraus hat. Wäh- 
rend bei diesem der Lehmbewurf mit dem Austrocknen 
in tausend unschöne Sprünge zerreißt, ständig da 
und dort auch große und kleine Brocken herabfallen, 
hat man hier durchaus glatte Wände vor sich, die 
es gestatten, durch Kalktünche dem ganzen Mauer- 
werk ein freundliches Aussehen zu geben. Aber ein 
noch viel wichtigerer Vorzug kommt hinzu, nämlich 
der bei Weitem größeren Solidität und Haltbarkeit. 
  
309 
  
Von allen Häusern der militärischen wie der wissen- 
schaftlichen Marangustation muß man sich sagen, daß 
sie selbst bei unausgesetzter Ausbesserung der ent- 
stehenden Schäden höchstens drei Jahre gebrauchs- 
fähig sind. Das den Mauern als inneres Gerüst 
dienende Gerippe von starken Vertikalhölzern und 
schwachen doppelseitig daraufgebundenen Querstangen 
verfällt zum Theil dem Faulen, zum Theil wird 
es ein Opfer der unermüdlich schaffenden Bohrkäfer. 
P. Flick führt mich in das gemeinsame große 
Eßzimmer, dessen innere Einrichtung zwar nicht reich 
ist, aber einen arbeitsfreudigen Menschen darum von 
vornherein anheimelt, weil man sieht, Tische, Stühle, 
Bänke, Blücherregale sind der eigenen Hände Werk. 
Bruder Blanchard, der Schöpfer all der Herrlich- 
keiten, einst Lüneburger Dragoner, streckt mir, aus 
einem Lehnsessel sich erhebend, mit einem freudigen 
„Grüß Gott“ die Hand entgegen. Wir sind alte 
Bekannte, haben wir doch acht unruhevolle Tage mit- 
einander verlebt, die Kriegszeit, wo auf Wunsch des 
Gouverneurs die Missionare ihr Heim verlassen und 
sich theils nach Taveta, theils auf die wissenschaft- 
liche Station begeben hatten. An seiner Seite durch- 
wandere ich die weiteren Anlagen der Mission. 
Gleich neben dem Wohnhause steht in einer tief- 
ausgeschachteten Grube eine Anzahl Massaiknaben 
und ist in eifriger Arbeit, die abgestochene Erde mit 
Wasser zu durchkneten. Das so gewonnene Material 
pressen andere in viereckige Holzformen, noch andere, 
Bürschchen oft, die mir kaum bis zur Brust reichen, 
legen die nassen Ziegel in gleichen Abständen und 
schnurgeraden Reihen zum Trocknen aus. Alles sind 
ja einfache Manipulationen, aber ich weiß, welche 
Mühe und Geduld es gekostet hat, die Kinder so 
weit zu bringen. Allein schon daß sie ein Ver- 
ständniß für die gerade Linie gewonnen haben — 
die Neihenanordnung beweist dies —, ist ein Er- 
ziehungsresultat von gar nicht zu unterschätzender 
Bedeutung. Jeder, der Neger bei Haus= oder 
Gartenarbeit zu beaufsichtigen gehabt, wird mir darin 
beipflichten. 
Der Thongrube gegenüber liegen die Werkstätten 
und die Schule. In einer der ersteren verwandeln 
ällere Jungen die rohen, nur mit der Apxt zu- 
gehauenen Bohlen, wie sie die Eingeborenen liefern, 
mit dem Hobel in der Hand in glatte Bretter. 
Von zwei erwachsenen Wasuahelis, die im Mutter- 
hause in Bagamoyo unter Bruder Oskars kundiger 
Leitung rite das Tischlerhandwerk erlernt haben, 
baut der eine eine Karre, das Auge des anderen 
ruht wohlgefällig auf einem gepolsterten, schön ge- 
schnitzten Lehnsessel, den er eben fertiggestellt hat. 
Gleichsam sinnbildlich lehnt neben diesem Kunstwerk 
ein Ungethüm, von dem man nur ahnen kann, daß 
es einen Stuhl vorstellen soll. Ein Dschaggamann, 
wohl vom Nachahmungstrieb veranlaßt, hat ihn frei- 
händig aus einem Holzblock herausmodellirt. 
Die Schule ist jebt leer, da Unterricht nur 
1½ Stunden vor und ebenso lange nach der Mittags-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.