Anlage 6. Das Bereinsgesetz vom 19. April 1908. 221
810.
Jede öffentliche politische Versammlung muß einen Leiter
haben. Der Veranstalter ist berechtigt, die Leitung selbst zu über-
nehmen, sie einem andern zu übertragen oder die Wahl des Leiters
durch die Versammlung zu veranlassen. Der Leiter oder, solange
dieser nicht bestellt ist, der Veranstalter hat für Ruhe und Orv-
nung in der Versammlung zu sorgen. Er ist befugt, die Ver-
sammlung für aufgelöst zu erklären.
11.
Niemand darf in einer öffentlichen Versammlung oder einem
Aufzuge, der auf öffentlichen Straßen oder Plätzen stattfinden soll,
bewaffnet erscheinen, es sei denn, daß er vermöge öffentlichen
Berufs zum Waffentragen berechtigt oder zum Erscheinen mit Waffen
behördlich ermächtigt ist. «
12.
Die Verhandlungen in öffentlichen Versammlungen find in
deutscher Sprache zu führen. —
Diese Vorschrift findet auf internationale Kongresse sowie auf
Versammlungen der Wahlberechtigten zum Betriebe der Wahlen
für den Reichstag und für die gesetzgebenden Versammlungen der S. 151.
Bundesstaaten und Elsaß-Lothringens vom Tage der amtlichen Be-
kanntmachung des Wahltags bis zur Beendigung der Wahlhand-
lung keine Anwendung.
Die Zulässigkeit weiterer Ausnahmen regelt die Landesgesetz-
gebung. Jedoch ist in Landesteilen, in denen zur Zeit des In-
krafttretens dieses Gesetzes alteingesessene Bevölkerungsteile nicht-
deutscher Muttersprache vorhanden sind, sofern diese Bevölkerungs-
teile nach dem Ergebnisse der jeweilig letzten Volkszählung sechzig
vom Hundert der Gesamtbevölkerung übersteigen, während der
ersten zwanzig Jahre nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes der
Mitgebrauch der nichtdentschen Sprache gestattet, wenn der Veran-
stalter der öffentlichen Versammlung mindestens dreimal vierund-
zwanzig Stunden vor ihrem Beginne der Polizeibehörde die An-
zeige erstattet hat, daß und in welcher nichtdeutschen Sprache die
Verhandlungen geführt werden sollen. Uber die Anzeige ist von.
der Polizeibehörde sofort eine kostenfreie Bescheinigung zu erteilen.
Als Landesteile gelten die Bezirke der unteren Verwaltungs-
behörden.
Ferner sind, soweit die Landesgesetzgebung abweichendes nicht