II. Anhang. Der Entwurf zum Reichsgrundgesetze. 99
stimmigkeit vereinbaren können. Die Auffassung der Mehr-
gahl *5 die im Fortgange der Berathung stärker anwuchs,
ist diese:
n Von der Zeit an, da ein Reichsgrundgesetz dem deutschen
Volk die Reichseinheit und seinen einzelnen Staaten eine Fülle
der edelsten Freiheiten, wie sie noch kein Volk der Erde in so
kurzem Kampfe erwarb, gewährleistete, — Freiheiten, deren
noch weitern Fortschritt nichts hemmen wird, es wäre denn
die eigene Besonnenheit, von dieser Zeit an muß für jeden
Vaterlandsfreund die Bewahrung solcher unschätzbaren Güter
vor umwälzenden Strebungen die Hauptsache seyn. Knüpft
sich nun unser vielverzweigtes Volksleben wesentlich an den
Fortbestand der Dynastieen Deutschlands, so darf das Reichs-
oberhaupt, welches über dem Ganzen zu walten berufen ist,
ebenfalls nur ein gleichartig erbberechtigtes seyn. Verlassen von
dieser Eigenschaft, welche die Wurzel jeder menschlichen Macht
bildet, würde es ungleich berechtigt denjenigen gegenüberstehen,
welche, um der Wohlfahrt des Ganzen Willen, der Verpflichtung
anerkannt haben, ihre Erbmacht seiner Hoheit unterzuordnen.
Es würde eben darum, wenn von aus aus mächtig, das
Reichsregiment als eine vergängliche Nebenaufgabe, nur allen-
falls zu Hauszwecken nutzbar, betrachten und behandeln; ohne
Hauslande aber an den höchsten Platz gestellt, wie könnte ein
solches, bloß mit den Fictionen der Macht bekleidetes Reichs-
oberhaupt nur anders, als in den erblichen Dynastieen seine
geborenen Gegner erblicken? Je kraftvoller ein solches Reichs-
oberhaupt an den ihm übertragenen Rechten hielte, um so
gewisser sähe sich das deutsche Volk in den verderblichsten
innern Zwiespalt, den gefährlichsten Kampf der Pflichten
hineingerissen. Nicht unwahrscheinlich würde die eine und
untheilbare Republik, mit einem Präsidenten an der Spitze,
den Sieg davon tragen, aber sicherlich nur auf einem mit
deutschen Bürgerblut bespritztem Pfade; denn es ist eine
Fabel, die allein in der verzehrenden Unruhe der letzten
Wochen vorübergehenden Glauben finden konnte, als sey aus
den Herzen der Deutschen die Geltung ihrer Fürstenhäuser auf
einmal verschwunden. Diese werden vielmehr in dem Volks-
bewußtseyn eine um so freundlichere Stätte finden, weil sie
dem allgemeinen Wohle schmerzliche Opfer gebracht haben.
Darum darf der Anfang unserer neuen Ordnung keineswegs
mit der Bestellung eines wechselnden Oberhauptes gemacht
werden, und die Mehrzahl unserer Versammlung hat, indem
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