Full text: II. Anhang zu den Gedanken und Erinnerungen. Aus Bismarcks Briefwechsel. (6)

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verlegen gewesen. Sobald ich die Antwort habe, werde ich mich 
weiter expectoriren. 
Daß Ew. Hochwohlgeboren nicht mit Graf Thun Händel 
anfangen oder aufnehmen, billige ich sehr. In den mir mit- 
getheilten Aeußerungen des Herrn v. Nostitz') mag etwas Wahres 
sein, indeß darf man dabei nicht übersehen, daß gerade das 
conforme Auftreten der Großmächte den Mittelstaaten fatal ist. 
So lange Deutschland zweiköpfig ist, wird man immer nur 
dann etwas erreichen, wenn wir einig sind, und wir würden 
uns dabei zuletzt auch ganz leidlich stehen, wenn Oestreich nur 
nicht ein so wunderbarer Gesell wäre, bei dem sich unmäßige 
Körper-Größe und sogar Kraft mit häßlichen Krankheitsformen 
und daraus entstehende momentane Schwäche und Ungeschlacht- 
heit, Conservatismus und Radicalismus, wahre Vornehmheit 
mit Gemeinheit, Schlauheit mit Grobheit, List mit Dumm- 
dreistigkeit vereinigt fänden. Eine Beseitigung dieser Uebelstände 
erscheint ebenso wünschenswerth als unmöglich, da sie tief mit 
der innersten Natur dieses Staates verwachsen sind. Da man 
nun Oestreich ebensowenig ignoriren kann, so bleibt nichts weiter 
übrig, als entweder drauf zu schlagen oder sich so gut es geht 
zu vertragen, ohne sich von ihm etwas gefallen zu lassen. Man 
muß also die Ueberlegenheit fühlen lassen, unter Umständen auf 
die Finger schlagen, wenn es niemand sieht, damit der Riese 
nur den Eindruck der schmerzlichen Empfindung, nicht aber die 
Wuth gekränkter Eitelkeit davon trägt. Ueberhaupt ist das 
Bedenkliche an dem Verkehr mit Oestreich, daß dasselbe da, 
wohin seine Kräfte reichen, unberechenbar ist und bereit va banque 
zu spielen. Dies darf nicht abhalten, ihm, wo man es für un- 
erläßlich und angemessen hält, entgegenzutreten, aber ernst und 
rathsam eine gewisse Reservation eintreten zu lassen, wodurch 
man sich nicht mehr vergiebt, als wenn ein besonnener mäßig 
*) Preußen im Bundestag IV, S. 55. 
1851 
23. 11.
	        
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