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verlegen gewesen. Sobald ich die Antwort habe, werde ich mich
weiter expectoriren.
Daß Ew. Hochwohlgeboren nicht mit Graf Thun Händel
anfangen oder aufnehmen, billige ich sehr. In den mir mit-
getheilten Aeußerungen des Herrn v. Nostitz') mag etwas Wahres
sein, indeß darf man dabei nicht übersehen, daß gerade das
conforme Auftreten der Großmächte den Mittelstaaten fatal ist.
So lange Deutschland zweiköpfig ist, wird man immer nur
dann etwas erreichen, wenn wir einig sind, und wir würden
uns dabei zuletzt auch ganz leidlich stehen, wenn Oestreich nur
nicht ein so wunderbarer Gesell wäre, bei dem sich unmäßige
Körper-Größe und sogar Kraft mit häßlichen Krankheitsformen
und daraus entstehende momentane Schwäche und Ungeschlacht-
heit, Conservatismus und Radicalismus, wahre Vornehmheit
mit Gemeinheit, Schlauheit mit Grobheit, List mit Dumm-
dreistigkeit vereinigt fänden. Eine Beseitigung dieser Uebelstände
erscheint ebenso wünschenswerth als unmöglich, da sie tief mit
der innersten Natur dieses Staates verwachsen sind. Da man
nun Oestreich ebensowenig ignoriren kann, so bleibt nichts weiter
übrig, als entweder drauf zu schlagen oder sich so gut es geht
zu vertragen, ohne sich von ihm etwas gefallen zu lassen. Man
muß also die Ueberlegenheit fühlen lassen, unter Umständen auf
die Finger schlagen, wenn es niemand sieht, damit der Riese
nur den Eindruck der schmerzlichen Empfindung, nicht aber die
Wuth gekränkter Eitelkeit davon trägt. Ueberhaupt ist das
Bedenkliche an dem Verkehr mit Oestreich, daß dasselbe da,
wohin seine Kräfte reichen, unberechenbar ist und bereit va banque
zu spielen. Dies darf nicht abhalten, ihm, wo man es für un-
erläßlich und angemessen hält, entgegenzutreten, aber ernst und
rathsam eine gewisse Reservation eintreten zu lassen, wodurch
man sich nicht mehr vergiebt, als wenn ein besonnener mäßig
*) Preußen im Bundestag IV, S. 55.
1851
23. 11.