Rotzkrankheit
liche Umgrenzung der Seuche ist erst neueren
Datums, seitdem es Anfang der 80er Jahre
des vorigen Jahrhunderts gelungen ist, in einem
stäbchenförmigen Bazillus den spezifischen Er-
reger der eigentlichen Rotlaufseuche zu ent-
decken. Der Bazillus kann sich gleich dem Er-
reger des Milzbrands (s. d.) lange Zeit an feuchten
oder nassen Stellen erhalten, weswegen der
Rotlauf in vielen Orten und Gehöften ein ständig
wiederkehrender Gast geworden ist. Die Gene-
sung erkrankter Tiere ist selten. In den meisten
Fällen verenden die Schweine in wenigen Tagen.
Die Anzeigepflicht (s. d. II) ist zunächst für die
östlichen, sodann für die westlichen Provinzen
in den Jahren 1894 und 1895 (s. jetzt Bek. vom
8. Sept. 1898 — RBl. 1039) für das ganze
Reich eingeführt. Seitdem wird die Seuche
veterinärpolizeilich durch Absperrung der ver-
seuchten Gehöfte, unschädliche Beseitigung der
Rotlaufkadaver und abfälle, sowie durch Des-
infektionsmaßregeln bekämpft. Die neueste An-
weisung zur Bekämpfung des R. nebst einer
gemeinfaßlichen Belehrung über ihn ist durch den
Erl. vom 4. Febr. 1907 (MlMssp#. 71) vogl.
auch Erl. vom 27. Jan. 1908 — ebenda 117) be-
kanntgegeben. Dem Zwecke der Verhütung
des Verbreitens des R. ist auch der Erl. vom
4. Dez. 1909 (MBlMfL. 1910, 12) gewidmet,
der eine Uberwachung des Handels und Verkehrs
mit Schweinen anregt. Auch für den Fall der
Feststellung des R. bei der Fleischbeschau (s. d. IV)
ist eine Unschädlichmachung aller im Fleische usw.
vorhandenen Krankheitserreger vorgesehen (§ 33
Abs. 1 Ziff. 9, 8 35 Ziff. 11, § 37 unter III Ziff. 2,
§ 38 unter II b Nr. 1 der AusfBest. A zum
Fleischbeschaugesetz s. Beilage zu Nr. 52 des ZBl.
vom 27. Nov. 1908). Daneben spielen bei der
Unterdrückung der Seuche eine stark hervor-
tretende Rolle die Schutzimpfungen, von
denen sich diejenigen nach der Lorenzschen
Methode und mit Susserin am besten bewährt
haben, und jedenfalls zu den bedeutsamsten Er-
rungenschaften der modernen Veterinärwissen-
schaft gehören; die Immunisierung erfolgt durch
Einspritzung zunächst einer Dosis Rotlausserum,
sodann einer Kultur von virulenten, wenn auch
abgeschwächten Rotlaufbazillen. Durch erstere
wird eine kurze, durch letztere eine längere Immu-
nität gegen die Seuche erreicht. Das Verfahren
hat nur selten zu Mißerfolgen oder Verlusten
geführt, und man kann sagen, daß jeder Besitzer
in der Lage ist, sich durch die Impfung mit fast
nie versagender Sicherheit gegen Schädigung
durch den Rotlauf zu schützen. Allerdings ist,
trotzdem die Immunisierung eine ziemlich große
Verbreitung erlangt hat, ein nennenswerter
Rückgang der Verseuchungsziffern noch nicht er-
zielt. Absolut ist sogar eine Erhöhung dieser
Ziffern eingetreten. Während in den Jahren
1896—1902 die Zahl der verseuchten Gemeinden
(Gutsbezirke) zwischen 7800 u. 12 000, die der
Gehöfte zwischen 17 500 und 27500 schwankte,
sind seitdem diese Grenzzahlen für die Gemein-
den auf 12 000 bis 17 000, für die Gehöfte auf
25 000 bis 43 000 gestiegen. Erkrankt sind von
1895 bis 1908 insgesamt 663 000 Schweine, ge-
fallen 564 000. In den Jahren 1903, 1904,
1906 u. 1907 ist der Durchschnitt der früheren
Jahre erheblich überschritten. Man muß sich aber
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vergegenwärtigen, daß der Schweinebestand
der Monarchie von 7 726 601 Stück im Jahre
1892 auf 13 422 373 im Jahre 1908, also um
740% gestiegen ist. Verhältnismäßig ist daher
doch eine Abnahme der Verseuchung eingetreten.
Dazu kommt, daß die Anzeigepflicht infolge all-
mählicher Einbürgerung neuerdings besser er-
füllt wird und deshalb die Statistik zuverlässiger
geworden ist. Für das Jahr 1903 aber, das ein
anscheinend sehr beträchtliches Hinaufschnellen
der Verseuchungsziffern gezeigt hat, ist besonders
zu berücksichtigen, daß am 1. April 1903 die all-
gemeine Fleischbeschau für gewerbliche Schlach-
tungen auch auf dem platten Lande eingeführt
ist und daß hierbei Seuchenherde in viel größerer
Zahl als früher aufgedeckt worden sind. Man ist
hiernach berechtigt, trotz der absoluten Zunahme
der amtlichen Zahlen von einem gewissen Er-
folge der mit den veterinärpolizeilichen Maß-
nahmen und der Immunisierung eingeleiteten
Bekämpfung des Rotlaufs zu sprechen.
Rotzkrankheit. Der Rotz (Wurm) ist eine
dem Pferdegeschlecht eigentümliche, durch kleinste
stäbchenförmige Pflänzchen (Spaltpilze), die
sog. Rotzbazillen, hervorgerufene ansteckende
Krankheit. Die Übertragung erfolgt mit dem
Nasenausfluß und den Absonderungsprodukten.
der kranken Pferde. Auch Menschen können
an Rotz erkranken. Er kommt in verschiedenen
Formen, namentlich als Nasen= oder auch als
Lungen= und Hautrotz vor. In den selteneren
akuten Fällen führt er bereits nach 3 bis 14
Tagen zum Tode. Bei dem häufigeren chroni-
schen Verlauf ist die klinische Diagnose sehr
schwierig. Es können Monate und Jahre ver-
gehen, ehe der Rotz sich äußerlich bemerkbar
macht. Dieser Umstand bereitet auch der veteri-
närpolizeilichen Bekämpfung große Schwierig-
keiten. Man hatte früher geglaubt, in der
Impfung mit Mallein (einer Abkochung von
künstlich gezüchteten Rotzbazillenkulturen, nach
dem lateinischen Namen für Rotz: Malleus be-
nannt) und in der Reaktion der infsizierten
Tiere auf diese Impfung durch fieberhafte Er-
höhung der Körperwärme ein Mittel zur Er-
kennung des latenten Rotzes gefunden zu haben.
Indessen hat sich in Preußen das Mallein weder
nach der positiven noch nach der negativen
Seite hin als zuverlässig erwiesen. Mehr Aus-
sicht auf Erfolg bot ein neuerdings angewendetes
Verfahren, das entsprechend einem übrigens
allgemein gültigen bakteriologischen Gesetz auf
der agglutinierenden (zusammenballenden) Wir-
kung des Blutserums rotzkranker Pferde auf
Rotzkulturen beruht. Es gelingt mittels dieses
Verfahrens und des dabei ermittelten besonders
hohen oder besonders niedrigen Agglutinations-
wertes der Blutproben, zweifellos rotzige und
zweifellos gesunde Tiere ausfindig zu machen.
Allein angewandt hat jedoch auch dieses Ver-
fahren noch Fehlerquellen aufzuweisen und erst
nach einer weiteren Ergänzung der Blutunter-
suchung nach dem sog. Gesetze der Komplement-
ablenkung ist die diagnostische Methode so ver-
vollkommnet, daß sie eine vollständige Ermitte-
lung aller rotzigen Pferde eines Bestandes ge-
währleistet. Sie wird deshalb im pathologischen
Institute der Tierärztlichen Hochschule in Berlin
für den Westen und die mittleren Provinzen,