Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Zweiter Band (L-Z). (2)

Steuer 
Schul- usw.) Steuern. Die Einteilungen in 
Schatzungen und Aufwandsteuern (Rau), in 
allgemeine direkte Steuern, direkte Spezial- 
oder Sondersteuern, indirekte Verbrauchssteuern 
und indirekte Erwerbssteuern (Neumann), in 
Personalsteuern, Einkommensteuern, Vermögens- 
steuern, Vermögensverkehrssteuern, Aufwand- 
steuern und spezielle S. als Ersatz für dem 
Staate sonst zu leistende Dienste [Wehrsteuer) 
(Eheberg) kommen auf die Einteilung in direkte 
und indirekte mit gewissen Abweichungen in 
  
der Bestimmung des Unterscheidungsmerkmals 
hinaus. Wagner unterscheidet Erwerbssteuern, 
Besitzsteuern und Gebrauchssteuern, wobei sich 
unter den ersteren sowohl direkte (Einkommen- 
und Ertragsteuern) als auch indirekte (Verkehrs- 
steuern) befinden; Besitzsteuern sind solche, die 
sich an die Tatsache des Vermögensbesitzes an- 
schließen, aber nicht auch Ertrags= oder Ein- 
kommensteuern; will man den Begriff der 
Besitzsteuern nicht auf direkte beschränken, so 
können als indirekte Besitzsteuern doch nur solche 
anerkannt werden, die aus Anlaß eines Ver- 
mögens umsatzes oder zuwachses erhoben 
werden, wie Erbschaftssteuern, nicht auch Ver- 
kehrssteuern, die einen Rückschluß auf Höhe oder 
Vermehrung des Vermögens nicht zulassen, 
weil sie sich, wie Besitzwechselabgaben (Umsatz-, 
Wertzuwachssteuern) nicht an eine Vermögens- 
gesamtheit, sondern an einzelne Vermögens- 
objekte knüpfen, namentlich wenn sie nicht 
nach deren Belastung mit Forderungen und 
Rechten Dritter fragen. 
IV. Steuerprinzipien sind allge- 
meine von der Wissenschaft aufgestellte Grund- 
sätze der Besteuerung. Man unterscheidet: 
A. finanzpolitische, nämlich a) Aus- 
reichendheit, d. h. die Forderung, daß die 
S. den anderweit nicht gedeckten Finanzbedarf 
zu decken geeignet seien, und b) Beweg- 
lichkeit, d. i. die Forderung, daß die Be- 
steuerung Bestandteile oder Arten enthalte, 
welche in ihren Aufkommen sich dem Wechsel 
des Finanzbedarfs anpassen; B. volkswirt- 
schaftliche Prinzipien, nämlich a) richtige 
Wahl der Steuerquelle, b) Berück- 
sichtigung der Uberwälzung, c) möglichst 
geringe Belästigung und Störung 
des wirtschaftlichen Verkehrs. Von 
besonderer Wichtigkeit sind C. die Prinzipien der 
Gerechtigkeit, nämlicha) Allgemein- 
heit, b) Gleichmäßigkeit; doch ist 
a in b enthalten, da ein Verstoß gegen die 
Allgemeinheit auch den fundamentalsten gegen 
die Gleichmäßigkeit bedeutet. In der Frage, 
was die Gleichmäßigkeit der Besteuerung er- 
fordere, stehen sich zwei Theorien gegenüber, 
die Aqguivalenz= oder Interesse- 
und die Opfertheorie. Jene fordert, 
daß sich die S. nach den Vorteilen des Steuer- 
pflichtigen von den Veranstaltungen des steuer- 
berechtigten Verbandes bzw. nach den Lasten, die 
er diesem verursacht, also nach Leistung und Gegen- 
leistung richte, die Opfertheorie, daß die S. 
allen Steuerpflichtigen tunlichst gleich fühlbare 
Opfer auferlege, also nach deren steuerlicher 
Leistungsfähigkeit bemessen werde. Darüber, 
was ein gleiches Opfer sei, streiten wieder die 
Anhänger der Proportional und die der 
  
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Progressivbesteuerung; jene sehen in 
gleichen Steuersätzen von gleichen Steuerein- 
heiten ein gleiches Opfer, diese verlangen pro- 
zentual stärker als die den Steuermaßstab bilden- 
den Werte usw. wachsende Steuersätze, daß also der 
Steuer fuß gegenüber Steuerpflichtigen, welche 
eine größere Zahl von Steurereinheiten ver- 
steuern, höher sei, als gegenüber den eine ge- 
ringere Zahl versteuernden (vgl. den Artikel 
Progressive Einkommensteuern). 
Eine Konsequenz dieser Theorie ist die Forde- 
rung der Freilassung ganz kleiner Steuerkräfte, 
der „Steuerfreiheit des Existenz- 
minimums“, und eine Weiterbildung der 
Theorie führt auf dem Gebiet der direkten 
S. zu der Forderung der höheren Be- 
lastung des „sundierten"“, d. h. aus 
Vermögen herrührenden und daher vererblichen, 
von Leben und Gesundheit unabhängigen Er- 
trages und Einkommens im Verhält- 
nis zu gleich hoheim „unfundierten“, d. h. durch 
persönliche Arbeit höherer oder niederer Art 
gewonnenen. Als weitere Forderung der 
Gerechtigkeit wird aufsgestellt ch Gesetz- 
mäßigkeit der Besteuerung hinsichtlich der 
Steuerpflicht, des Maßstabes, der Höhe der S., 
der Fälligkeitstermine und sonstiger Modalitäten. 
Doch handelt es sich hier offenbar um eine 
„Gerechtigkeit" in ganz anderem, formalen 
Sinne als bei a und b, und stellt man daher 
dieses Prinzip besser als solches einer besonderen 
Art neben die zu A, B und C aufgeführten. 
Endlich sind als D. Grundsätze der 
Steuerverwaltung aufgestellt a) Ge- 
meinverständlichkeit und Einfachheit 
der Steuernormen, b) möglichste Beguem- 
lichkeit der Besteuerung für die Steuer- 
pflichtigen, insbesondere hinsichtlich der Steuer- 
vorschreibung (Veranlagung), des Ortes und 
Zeitpunktes der Erhebung, c) tunlichste Bil- 
ligkeit der Veranlagung und Erhebung. 
Daß sich nicht alle diese Postulate gleichzeitig 
bei derselben S. verwirklichen lassen, darüber 
ist indes die Wissenschaft einig, und soweit eine 
solche Vereinigung nicht möglich ist, kommt es 
auf die Abwägung von Fall zu Fall an, welche 
Forderung als minder wichtig gegenüber einer 
anderen zurückgestellt werden muß; beispiels- 
weise muß Begquemlichkeit und Billigkeit der 
Veranlagung, der eine Einkommensteuer mit 
Deklarationspflicht weniger gerecht wird, als 
eine lediglich auf behördlicher Schätzung be- 
ruhende, zurücktreten vor der Forderung der 
Gleichmäßigkeit, die nur durch Deklaration in 
etwas zu verwirklichen ist. 
Im übrigen s. außer den im Texte schon 
zitierten Artikeln über die einzelnen S. 
die Lehr. und Handbücher der Finanzwissenschaft, ins- 
besondere Rau, Leipzig und Heidelberg 1864, 1365; 
Roscher-Gerlach, Stuttgart 1901; Wagner, 
Leipzig 1389, 1890, 1899, 1896, 1899; Stein, Stutt- 
art 1335-,/14 36; C ohn, Stuttgart 1889; Umpfen 
ach, Stuttgart 13871 Eheberg, Leipzig 1909: 
Heckel, Leipzig 1902; Hoffmann, Lehre von den 
Steuern, Berlin 1810; Vocke, Abgaben, Auflagen und 
Steuer, Stuttgart 1837: Meyver, Prinzipien der ge- 
rechten Besteucrung, Berlin 183834; Neumann, Die 
Steuer und das öffentliche Interesse „Leipzig 1887; 
Schäffle, Steuervolitik, Tübingen 1330; der (., 
Die Steuern, Leipzig 1895/97; Fuisting, Grund. 
züge der Steuerlehre, Berlin 1002; vol. hierzu die Kritik 
von Strusz im Verw Arch. Bd. 1
	        
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