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Dieser zwischen den beiden Verfassungen bestehende fundamentale
Unterschied ist jedoch lediglich ein Ausfluß der grundsätzlichen Ver-
schiedenheiten in der staatsrechtlichen Natur des deutschen und des nord-
deutschen Bundes.
Der deutsche Bund — ein Staatenbund, der kein imperium
über den Staaten schafft, dessen Pflichten nicht auf der Verbindlichkeit
des Gebots einer höheren Macht beruhen, der norddeutsche Bund —
ein Bundesstaat, dessen Gliedstaaten zur Duldung der Aufhebung ihrer
Souveränität in bestimmter Richtung, zum Gehorsam auf den Gebieten
verpflichtet sind, ro sie in ihrer Eigenschaft als dem Bundesstaate
eingegliederte höhere Verbände Funktionen für diesen zu vollziehen
haben.
Es würde dem Charakter eines Staatenbundes zuwiderlaufen,
wenn seine Verfassung eine unmittelbare Exehution zuließe, weil deren
äußerste Konsequenz, nämlich die Ergreifung der Regierungsgewalt,
nur einer über dieser Regierungsgewalt stehenden Macht gestattet sein
könnte, die aber bei der Natur des Staatenbundes ausgeschlossen ist.
Wenn wir im deutschen Bunde — dem Staatenbunde — von
einer Exekution zur Erzwingung der Bundestreue sprachen, so müssen
wir im norddeutschen Bunde — dem Bundesstaate — die Exehkution
als auf eine Herstellung des reichsverfassungsmäßigen Zustandes, auf
eine Erzwingung des Gehorsams gerichtet ansehen; denn im Bundes-
staate steht nach der von den meisten Staatsrechtslehrern adoptierten,
nur von Seydel scharf bekämpften Theorie die Souveränität, als deren
prägnantestes Merkmal die Kompetenz-Kompetenz anzusehen ist, allein
beim Ganzen, dem Reiche, das aber dadurch zu einer über den Einzel-
staaten stehenden Macht höheren Ranges erhoben wird.