— 21 —
84.
Was sind Bundesglieder?
Die in der staatsrechtlichen Literatur vielfach erörterte Frage,
ob die Reichsverfassung dem Ausdrucke „Bundesglied“ immer den—
selben Sinn beilege, insoferne als unter „Bundesgliedern“ oder „Mit-
gliedern des Bundes“ entweder die Bundesländer (Bundesstaaten) oder
die Bundesfürsten und die Senate der drei Hansastädte zu verstehen
seien, mag hier unberücksichtigt bleiben, weil beide Ansichten darin
übereinstimmen, daß sich eine Exekution nur gegen Staaten richten
könne. Die Antwort auf die Frage nach den Bundesgliedern ergibt
sich ohne weiteres aus Art. 6 Abs. 1 der Reichsverfassung, wo als
Mitglieder des Bundes die Staaten insofern genannt werden, als es
dort heißt: „Der Bundesrat besteht aus den Vertretern der Mitglieder
des Bundes, unter welchen die Stimmführung sich in der Weise ver-
teilt, daß Preußen 17 Stimmen, Bayern 6 Stimmen 2c." führt.
Wir müssen also als Bundesglieder alle, aber auch nur diejenigen
Laband Bd. 1 S. 245.
Zorn Rd. I S. 140.
1. Oeydel erblicht selbstverständlich in konsequenter Durchführung seiner
Annahme in der Bundesexekution eine dem Reiche von den souveränen Glied-
staaten vertragsmäßig eingeräumte Gewalt.
2. Trieps sieht in der Bundesexekutive das offensichtliche Zutagetreten des
genossenschaftlichen Charakters. Die Exekution übertrage den Gedanken der In-
teressenschaft auf die in Frage stehenden staatlichen Verhältnisse und stehe gleich-
zeitig, wie mit der Annahme einer Untertanenqualität, so andererseits mit dem
Vorhandensein eines nur obligatorischen Verhältnisses unter den Staaten im Wider-
spruche.
3. Hänel bezeichnet die Bundesexekution als rechtliches Mittel der Beauf-
sichtigung. Wenn nämlich der Einzelstaat einer im Wege der Mängelabhilfe er-
gangenen Aufsichtsverfügung den Gehorsam verweigert, dann ist die Exekhution das
verfassungsmäßige Zwangsmittel, welches die Reichsverfassung dem Reiche gegen
ein unbotmäßiges Bundesglied an die Hand gibt. Keineswegs können jedoch die
Grundsätze des Strafrechtes zur Anwendung kommen, da die Exekution nicht unter
den Gesichtspunkt einer Strafe gebracht werden kann.
4. Schulze bezeichnet die Bundesexekution als einen Verwaltungsakt des
Reiches, bezüglich dessen der Bundesrat als Organ der Reichsverwaltung sich mit
dem Kaiser in die Mitwirkung teilt.
5. Nach Wunder charakterisiert sich die Bundesexekution nicht nur als ein
Verwaltungsakt des Reiches, sondern auch als ein Regierungsakt von weittragender
politischer namentlich innerpolitischer Bedeutung, dessen formeller Vollzug nach der
Reichsverfassung dem Kaiser allein zukommt, hinsichtlich dessen Anordnung aber die
Entschließung des Kaisers wie bei allen entweder ihrer Natur nach oder infolge
der Verhältnisse wichtigeren Akten staatsrechtlich durch die Mitwirkung des Bundes-
rates gebunden ist und deren Betätigung er nur nach vorher eingeholter Zustim-
mung des Bundesrates vornehmen darf. (Art. 11 Art. 24 R..)
6. Laband faßt die Bundesexekution als nichts anderes als einen Akt
der Administrativjustiz auf, die dem Reiche gegen die Einzelstaaten als notwendiges
Correlat der den Einzelstaaten gewährten, umfassenden Selbstverwaltung zusteht.
7. Zorn sieht in der Bundesexekution das einzige Zwangsmittel, welches
dem Reiche zusteht, um Einzelstaaten bezw. deren Organe zur Erfüllung ihrer
Bundespflichten zu veranlassen.