$ 29. Die Schranken der Verwaltung im Rechtsstaat. 65
Der Gesetzgebung war kein bestimmtes Gebiet vor-
behalten; die allgemeine Wohlfahrt war genügende Be-
gründung für ihr Eingreifen: ihre Schranken bildeten
unbestimmte „wohlerworbene Rechte“ der Einzelnen
und Korporationen und die wechselnden Einflüsse der
allgemeinen Meinung und politischen Lage. Im 19. Jahr-
hundert gelangten die Anschauungen vom Rechtsstaat,
in dem alle öffentliche Gewalt im Gesetz ihre Grund-
lage und Schranke hat, zur Geltung, die dann durch die
Verfassung zu Grundlagen der geltenden Staatsordnung
wurden.
Von der Verwaltung wurde das Gebiet der Justiz
abgesondert und den Gerichten übertragen. Die Gerichte
wurden unabhängig gestellt, vor jedem Eingriff der
Verwaltung geschützt; die Grenzen von Justiz
und Verwaltung wurden im einzelnen festgestellt
unten $ 31). Auf dem ihr verbliebenen Gebiet ist die
Verwaltung an das Gesetz gebunden; die Behörden
können es nicht aufheben oder ändern, dürfen nicht
dagegen verstoßen.
Der Rechtsstaat erkennt ferner eine Freiheits-
sphäre der Einzelnen gegenüber dem Staat an, in
die nur das Gesetz eingreifen darf. Eingriffe der Ver-
waltungsbehörden in die Freiheit der Person, in das
Eigentum bedürfen der gesetzlichen Grundlage. Die
Verfassungen bezeichnen mit der herkömmlichen Auf-
zählung der Grundrechte die Grenzen jener Freiheits-
sphäre gegenüber der Verwaltung (oben $5). Die Grund-
sätze der Freiheit der Person, der Unverletzlichkeit des
Eigentums, der Wohnung, der Vereins- und Versamm-
lungsfreiheit bedeuten, daß die Verwaltungsbehörden
Eingriffe durch Verhaftung der Person, Entziehung oder
Beschränkung des Eigentums, Auflösungen von Ver-
einen oder Versammlungen nicht vornehmen dürfen,
es sei denn, daß ein Gesetz sie dazu ermächtigt. Das
Ideal des Rechtsstaates geht dahin, dabei die Bindung
Bollmann, Bremen, Ö