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Gesetzgebung beginnt bald nach der Unabhängigkeitserklärung in periodischen
Fremdengesetzen seit 1835, die regelmäßig auf drei Jahre erlassen wurden.
Nach Art. 128 der Verfassung genießen Ausländer auf belgischem Gebiete
für Person und Vermögen denselben Schutz wie Inländer vorbehaltlich
der vom Gesetze bestimmten Ausnahmen. Die Ausweisung kann hiernach
nur auf Grund des Gesetzes erfolgen. Die Ausweisung beruht entweder
auf armenrechtlichen oder sicherheitspolizeilichen Gründen. Bedürftige
Ausländer, die keinen Unterstützungswohnsitz haben oder keinem Lande
angehören, mit dem wegen Ersatz der Kosten ein Vertrag geschlossen ist,
werden an die Grenze gebracht. Außerdem kann die Regierung Aus-
länder, die durch ihre Aufführung die öffentliche Ruhe gefährden oder
im Auslande wegen Verbrechen und Vergehen, die die Auslieferung be-
dingen, verfolgt werden, zwingen, sich von einem bestimmten Orte zu
entfernen, an einem bestimmten Orte zu wohnen oder selbst das König-
reich zu verlassen. Die Ausweisung aus sicherheitspolizeilichen Gründen
kann aber nur durch einen im Ministerrate beschlossenen königlichen Erlaß
erfolgen. Gegen gewisse Arten von Ausländern, insbesondere solche, die
zur Wohnsitznahme im Königreiche ermächtigt oder mit einer Belgierin
verheirathet und entweder von ihr im Lande geborene Kinder oder seit
mindestens fünf Jahren ihren Wohnsitz im Lande haben, ist die Aus-
weisung überhaupt nicht anwendbar. Der Ausländern muß zum Verlassen
des Landes mindestens einen Tag Frist erhalten und kann selbst die
Grenze bezeichnen, über welche er gehen will.
Ebenso wie durch seine Gesetzgebung kann ein Staat auch durch
Vertrag mit einem anderen Staate seine Befugniß zur Ausweisung der
Angehörigen der Letzteren näher regeln und Beschränkungen unterwerfen.
Dies ist die Bedeutung der sogenannten Niederlassungsverträge, wie sie
namentlich von der Schweiz mit einer Reihe anderer Staaten abgeschlossen
sind. Insbesondere wird dadurch den Angehörigen der anderen vertrag-
schließenden Theile ein Recht auf Aufenthalt gewährt, soweit sie unbe-
scholten sind und die Gesetze und Polizeiverordnungen des Aufnahme-
staates nicht verletzen. Der Aufenthaltsstaat hat damit vertragsmäßig
auf die Ausübung seines Ausweisungsrechtes verzichtet, es sei denn, daß
die vertragsmäßig vorgesehenen Ausnahmen vorliegen.
Die Staatenpraxis hat hiernach innerhalb des völkerrechtlichen
Rahmens das Ausweisungsrecht meist selbständig für jeden einzelnen Staat
geregelt und damit gleichzeitig die nach den allgemeinen Grundsätzen des
Völkerrechtes zweifelhaften Punkte näher bestimmt. ·
8) Vgl. z. B. Niederlassungsvertrag zwischen dem Deutschen Reiche und der
Schweiz vom 31. Mai 1890 (R.G.Bl. 1890, S. 131).