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Daß ein Staat über das Maß dessen, wozu er völkerrechtlich ge-
nöthigt ist, sein Gebiet den Fremden öffnet und ihnen ein Recht auf
Aufenthalt gewährt, bildet die verschwindende Ausnahme. Nur im englisch-
amerikanischen Rechte, soweit nicht gesetzliche Ausnahmen bestehen, und
im belgischen Rechte hinsichtlich der nicht ausweisbaren Fremden zeigen
sich Ansätze nach dieser Richtung. Im Uebrigen nimmt jeder Staat das
Recht für sich in Anspruch, aus den mannigfachsten Gründen, besonders
von dem Gesichtspunkte der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, einzelne
Fremde von seinem Gebiete auszuschließen, indem er entweder von vorn
herein den Eintritt versagt oder den im Lande sich bereits aufhaltenden
Fremden ausweist. Die nach den allgemeinen völkerrechtlichen Grund-
sätzen noch vorhandene Lücke über die Grenzen des Ausweisungsrechtes
erscheint dabei gleichfalls ausgefüllt. Es bleibt völkerrechtlich zulässige
Ausschließung einzelner Fremden und nicht ein Abschluß gegen Angehörige
eines fremden Staates überhaupt, wenn bestimmte Arten von Fremden
allgemein ausgeschlossen werden. In dieser Beziehung hat namentlich
die völkerrechtlich unangefochten gebliebene amerikanische Praxis das nach
den allgemeinen Grundsätzen zweifelhafte Gebiet näher abgegrenzt. Was
aber von der Zurückweisung Fremder gilt, muß auch auf die Ausweisung
Anwendung finden. Denn beide fallen zusammen in dem gemeinsamen
Begriffe des Abschlusses des Gebietes gegen fremde Staatsangehörige.
Die Thatsache, daß auf Grund des Ausweisungsrechtes auch ganze Klassen
von Fremden vertrieben werden können, findet daher nothwendig auch
völkerrechtliche Anerkennung.
III.
Nach Art. 4 Nr. 1 der Reichsverfassung unterliegt der Beaufsichtigung
seitens des Reiches und seiner Gesetzgebung u. A. die Fremdenpolizei
Was man sich beim Erlasse dieser Bestimmung in den verschiedenen
Kreisen der gesetzgebenden Faktoren gedacht hat, erscheint jetzt von unter-
geordneter Bedeutung. Maßgebend ist vielmehr nur, was der Gesetzgeber
zum Ausdruck gebracht hat. Hiernach unterliegt aber die Fremdenpolizei
in vollem Umfange und damit auch das Ausweisungswesen der Zuständig-
keit des Reiches.
Das Reich hat jedoch hier wie auf den anderen Gebieten von seiner
Befugniß nicht in vollem Umfange Gebrauch gemacht.
Gesetzlich geregelt ist von Reichswegen die Zulässigkeit von Aus
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9) Uebereinstimmend v. Martitz a. a. O. Bd. 1, S. 19 N. 2 im Anschlusse an
die preußische Praxis hinsichtlich der polnisch-jüdischen Ueberläufer.