Full text: Die Legitimation einer usurpirten Staatsgewalt. Erste Abtheilung. (1)

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Suchen wir nichtsdestoweniger eine Ordnung in dieses schein- 
bare Chaos zu bringen, so können wir vor Allem die beiden schon 
oben (§ 3) erwähnten Kategorien unterscheiden: die Einen verwer- 
fen jede nachträgliche Legitimation einer usurpirten Staatsgewalt, 
die Andern statuiren gewisse rechtliche Heilmittel, wodurch die usur- 
patorische Herrschaft zur legitimen wird. Die Ansichten der ersten 
Kategorie theilen sich wiederum in zwei Classen: von der einen 
Seite wird das einmal bestehende Recht auf die Souverainität als 
durch keine rechtliche Thatsache (mindestens gegen den Willen des, 
resp. der Berechtigten) zerstörbar angesehen, von der andern Seite 
wird das Recht auf die Herrschaft als eine unmittelbare Folge der 
Innehabung derselben (des Besitzes, des fait accompli, der Ueber- 
macht u. s. w.) aufgefaßt. Innerhalb der ersten Classe treten uns 
zwei, in der Theorie nahe verwandte, im Leben feindlich geschiedene 
Richtungen entgegen: die erste, gewöhnlich vorzugsweise legitimistisch 
genannte, bezieht sich principiell nur auf die Erbmonarchie und 
schreibt der fürstlichen Dynastie ein unentziehbares Recht zu; dic 
andere nimmt für das Volk als die Gesammtheit der Staatsbürger 
ein allgemein gültiges, „unveräußerliches und unverjährbares“ Recht 
auf die Souverainität in Anspruch. — Die Ansichten der zweiten 
Hauptkategorie, welche eine Verwandelung der illegitimen Herrschaft 
in eine legitime zulassen, sehen entweder in erster Linie auf die 
Thatsache der Herrschaft und fordern nur eine längere Dauer der- 
selben, oder sie räumen den Beherrschten (dem Volk in diesem 
Sinn) einen maßgebenden rechtlichen Einfluß ein; die letzteren hal- 
ten theils einen bestimmten, auf die Legitimation der usurpirten 
Staatsgewalt gerichteten Willensakt des Volkes für erforderlich, 
theils begnügen sie sich mit einer Anerkennung der usurpatorischen 
Herrschaft durch das Volk. « 
Darnach unterscheiden wir im Ganzen sechs Theorien, drei negative 
— die s. g. legitimistische Theorie, die der unveräußerlichen Volkssouve- 
rainität, die Besitztheorie —, und drei positive — die Verjährungstheorie, 
  
der Fürstengewalt schreibt: „Durch Verjährung wurde sie sanctionirt; durch 
Verjährung kann sie erlöschen und an der Stelle einer entsetzten Dynastie eine 
neue das Prädikat der Legitimität erwerben, wenn sie im Interesse des Volks 
regiert, die ausdrückliche oder stillschweigende, aber wirklich freie und nachhaltige 
Zustimmung desselben erwirbt und die entsetzte Dynastie jede vernünftige Hoff- 
nung auf Restauration verloren hat, oder dieselbe mit größern Uebeln für die 
Nation verbunden wäre.“
	        
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