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geschieht nichts durch die Zeit, während Alles in der Zeit geschieht.
Am wenigsten aber kann allein durch Zeitablauf ein anfängliches
Unrecht zu Recht werden: quod initio vitiosum est, non potest
tractu temporis convalescere ꝰ9). Nur die Ereignisse, namentlich
menschliche Handlungen und Unterlassungen, welche innerhalb der
Zeit vor sich gehen, haben juristische Wirkungen und können unter
gewissen Voraussetzungen auch ein unrechtmäßiges Verhältniß in ein
rechtmäßiges verwandeln. — Dagegen bildet die Verjährung einen
festen juristischen Begriff: man versteht darunter den Erwerb oder
Verlust eines Rechts durch fortgesetzte Ausübung, beziehungsweise
Nichtausübung desselben 91). Es fehlt jedoch viel, daß Diejenigen,
welche die Legitimirung einer usurpirten Staatsgewalt auf Verjäh-
rung zurückführen, diesen Begriff in seiner Reinheit zur Anwendung
brächten; vielmehr finden sich in den Voraussetzungen, welche sie
aufstellen, die mannichfachsten Zusätze und Abweichungen. Diese
auffallende Erscheinung, so weit sie nicht einfach auf unklarem Den-
ken beruht, erklärt sich theils durch eine von der gewöhnlichen ju-
ristischen Terminologie verschiedene Deutung des Worts, theils da-
durch, daß mehrere Rechtsinstitute zwar die oben bezeichneten Merk-
male gemeinsam haben, aber in ihren sonstigen Erfordernissen aus-
einander gehen, endlich durch den Umstand, daß ein Institut, bei
welchem nicht einmal jene Merkmale zutreffen, häufig als Verjäh-
rung bezeichnet wird (die s. g. unvordenkliche Verjährung). Um
die Ansichten der Anhänger der Verjährungstheorie gehörig zu prü-
fen, wird es daher räthlich sein, nachdem wir dieselben vorgeführt
haben (1), zunächst den allgemeinen Begriff und Grund der Ver-
jährung (II), dann die einzelnen Ausbildungen derselben (III), end-
lich die Unvordenklichkeit (IV) in ihrer Anwendbarkeit auf eine
usurpirte Staatsgewalt unter steter Berücksichtigung jener Ansichten
zu untersuchen.
Frage, welche Gr. versucht und deren Inhalt schon die Ueberschrift des Capitels
genügend andeutet, völlig verfehlt: nicht allein weil ein stillschweigender Verzicht
in der Regel sehr schwer nachzuweisen ist, sondern vor Allem, weil eine erledigte
Staatsgewalt, wie Gr. selbst an einem andern Orte (II, 9, 1) eingesteht, kein
Gegenstand der Occupation sein kann.
90) Paulus in 1. 29 D. De R. J
91) Arndts, Lehrbuch der Pandekten, & 87; Windscheid, Lehrbuch des
Pandektenrechts, I, & 105. Mit Unrecht will Savigny (IV, S. 309—318), den
allgemeinen Verjährungsbegriff verwerfen, weil es kein allgemeines Verjährungs-
institut giebt.