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sein Recht sich befinden, so wird derselbe regelmäßig auf einem un-
entschuldbaren Rechtsirrthum beruhen. Und selbst wenn man von
diesem Erfordernisse absehen könnte, würde in der ungeheuren Mehr-
zahl der Fälle wenigstens die Gewalt, durch welche der Usurpator
sich in den Besitz der Staatsgewalt gesetzt, als ein absolutes Hin-
derniß der Verjährung gelten müssen #).
IV. Die f. g. unvordenkliche Zeit unterscheidet sich von der
Verjährung nicht allein dadurch, daß der Eintritt ihrer Wirkung
nicht an eine bestimmte Frist gebunden ist, sondern vornehmlich
durch die Verschiedenheit der Wirkung selbst: sie ist nicht dazu be-
stimmt, eine Veränderung in den Rechten hervorzubringen, sondern
erzeugt nur eine rechtliche Vermuthung für die rechtmäßige Begrün-
dung des (seit Menschengedächtniß bestehenden) Zustandes). In
Folge dieses Unterschieds können die meisten Bedenken, welche wir
gegen die Anwendung der Verjährung auf eine usurpirte Steatsge-
walt erhoben haben, gegenüber der Annahme, daß die unvordenkliche
Ausübung eine usurpirte Staatsgewalt als rechtmäßig erworben
erscheinen lasse, nicht geltend gemacht werden. Nichtsdestoweniger
müssen wir auch jene Annahme aus zwei Gründen zurückweisen.
1. Der erste Grund hat freilich nicht für alle Staaten, son-
dern nur für die überwiegende Mehrzahl Bedeutung. Die Unvor-
denklichkeit ist ebenso wenig wie die Verjährung eine Rechtsquelle
und bedarf daher ebenso gut wie jene der Sanktion eines positiven
Rechtssatzes. Durch ein gemeines Deutsches Gewohnheitsrecht ist
nun in der That die unvordenkliche Zeit, welche im Römischen Recht
nur für wenige vereinzelte Fälle vorkommt, als ein allgemeines, auf
alle Rechte, welche der Verjährung entzogen sind, anwendbares In-
stitut anerkannt worden"). Dagegen haben die neueren Gesetz-
121) Der Code civil, der guten Glauben nur für die Ersitzung von Im-
mobilien verlangt, hat dafür den allgemeinen Grundsatz (Art. 2233): „Les
actes de violence ne peuvent fonder non plus une possession capable
g’'’opérer la prescription. — La possession utile ne commence que lorsque
la violence a cessé.“
122) Arndts, §& 91; v. Savigny, IV, S. 529—530.
123) v. Savigny, IV, S. 485—505 (Kömisches Recht), S 505—512 (Neue-
rres Recht); Windscheid, § 113. Auch die hervorragendsten Lehrer des Deutschen
Staatsrechts, welche die Verjährung im Staatsrecht gar nicht oder nur in weni-
gen Fällen zulassen, erkennen die Wirksamkeit der unvordenklichen Zeit für staats-
rechtliche Befugnisse an (Zöpfl, I, & 44 III, 6 75 II; Gerber, § 6. N. 12
Held, Deutsches Verf.-R., I, S. 50, ogl. S. 47, N. 4; H. A. Zachariä. 1,
8 63, ID.