Full text: Die Legitimation einer usurpirten Staatsgewalt. Erste Abtheilung. (1)

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bücher dasselbe nicht aufgenommen, der Code civil es sogar für die- 
jenigen Rechte, bei denen es bisher in französischen Landestheilen 
zur Auwendung kam, ausdrücklich aufgehoben "). Das Englische 
Recht kennt zwar eine unvordenkliche Zeit, aber bindet ihre Wirk- 
samkeit an einen Anfang der Ausübung, welcher vor den Regie- 
rungsantritt König Richard's l. (1189) fällt ½5); keine der seitdem 
in England vorgefallenen Usurpationen der Staatsgewalt kann also 
durch Unvordenklichkeit legitimirt worden sein; zudem würde eine 
solche Legitimirung durch den bereits erwähnten Grundsatz „Nullum 
tempus occurrit regi“ ausgeschlossen werden. Es ist demnach eine 
juristische Unmöglichkeit, daß insbesondere der Thronbesitz des Hau- 
ses Braunschweig durch unvordenkliche Zeit rechtmäßig geworden 
seins). 
2. Usurpation und unvordenkliche Zeit (als Rechtsinstitut) 
sind Jsberhaupt unvereinbare Begriffe: Die unvordenkliche Zeit, 
da sie die Vermuthung des rechtmäßigen Beginns der Aus- 
übung begründet, setzt voraus, daß kein unrechtmäßiger Beginn 
nachgewiesen werden kann“); die Usurpation aber ist ein unrecht- 
mäßiger Beginn. Im einzelnen Fall mag es freilich bestritten sein, 
auch wohl Vielen zweifelhaft scheinen, ob eine Usurpation vorliegt 
  
124) Art. 691. Vgl. v. Savigny, IV, S. 512; Arndts, §& 91, N. 3. 
125) Stephen, IV, S. 650—651. 
126) Man könnte meinen, daß, wo es sich nicht um das Organ der Staats- 
gewalt, sondern um die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Staate handelt, die 
unvordenkliche Zeit allgemein, ohne Rücksicht auf das positive Staatsrecht, des- 
halb wirksam sein müßte, weil sie, mindestens nach der gewöhnlichen Annahme, 
(ogl. die Citate bei H. A. Zachariä, & 63, N. 7) ein Institut des Völkerrechts 
sei. Aber einerseits ist nach richtigerer Ansicht der Schutz, welchen das Völker- 
recht im Fall eines unvordenklichen Besitzes gegen Jeden gewährt, nur eine An- 
wendung des Satzes, daß der gegenwärtige Besitzer Niemanden, der nicht ein 
besseres Recht auf den Besitz nachzuweisen vermag, zu weichen braucht (G. F. 
de Martens, Préois du droit des gens, &+ 70 fin.); andererseits würde die 
völkerrechtliche Legitimität nichts für die staatsrechtliche beweisen. 
127) Arndts, §& 91 (S. 126 fin.) — Windscheid, § 113 (S. 271); (Der 
Beweis der Ausübung während zwei Menschenalter) „kann nicht durch den Ge- 
genbeweis beseitigt werden, daß der betreffende Zustand zu irgend einer Zeit nicht 
bestanden habe, was für alle Zustände ohne Weiteres sicher ist, wohl aber nach 
einer in Theorie und Praxis durchaus feststehenden Annahme durch den Gegen- 
beweis, daß der betreffende Zustand zu irgend einer Zeit einen solchen Anfang 
genommen habe, welcher ein Recht zu begründen nicht im Stande ist.“
	        
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