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rekter Vertheidiger der Besitztheorie, doch in seinen Gedanken derselben
überhaupt vielfach verwandt ist, tritt Bluntschli als entschiedener
Gegner derselben auf und ist ebenso der Theorie der Volkssouverai-=
nität in jeder Gestalt feindlich; nichtsdestoweniger ist das Haupt-
moment der von ihm angenommenen staatlichen Verjährung ebenfalls
die Anerkennung, als deren Träger er bald das (staatlich geordnete)
Volk, bald die Organe des Staats, bald den Staat selbst bezeichnet;
unter Anerkennung versteht er aber das in den neuen Lebenserschei-
nungen sich offenbarende Rechtsbewußtsein w). — Endlich legen
selbst Schriftsteller, welche mehr oder weniger der legltimistischen
Richtung beigezählt werden müssen, Werth auf die staatsrechtliche
Anerkennung; freilich drücken sie sich meist in sehr schwankender,
unbestimmter Weise aus. So rechnet Walter zu den „Thatsachen
von wichtigem Erfolge,“ welche zur Befestigung des Besitzstandes
und damit zum Beweis der göttlichen, Fügung wesentlich beitragen,
die Anerkennung der Majorität des Volkes 71). Held dagegen ver-
langt für die „staatsrechtliche monarchische Legitimität" nicht allein Tod
oder Verzicht des legitimen Prätendenten und Eintritt des legalen
Nachfolgers des Usurpators, sondern auch „die Anerkennung der
verfassungsmäßigen bei der Gesetzgebung zur Mitwirkung berufenen
Faktoren in ihrer verfassungsmäßigen Organisation,“ falls dieselbe
noch möglich sei w). Gerber sieht in der spätern Anerkennung des
Volks im Ganzen (besonders durch seine Vertreter) ein allgemeines
Heilmittel für „Staatshandlungen“, welche an sich nicht rechtsbe-
ständig sein würden; aber er fügt hinzu, daß dessen Bedentung und
Tragweite nur nach Maßgabe des einzelnen Falles geschätzt werden
könne79).
Gegenüber diesen verschiedenen und zum Theil unklaren Auf-
fassungen halten wir ein ähnliches Verfahren wie bei Prüfung der
Verjährungstheorie für geboten. Wir werden demnach zuerst (I)
Begriff und rechtliche Bedeutung der Anerkennung überhaupt ent-
wickeln, dann (II) die Anwendbarkeit derselben auf unsere Frage
untersuchen, schließlich (III) die so gewonnenen Resultate mit den
oben skizzirten Ansichten vergleichen.
170) Bluntschli, Staatswörterbuch, VI, S. 356; Allgemeines Staatsrecht, I,
S. 23—24, II, S. 61—62.
171) 1. c. S. 222—223.
172) Held, Ueber Legitimität, S. 44.
173) Staatsrecht, §& 6, N. 13.