Full text: Central-Blatt für das Deutsche Reich. Erster Jahrgang. 1873. (1)

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In Sachen des Ortsarmenverbandes der Stadt Stettin wider den Ortsarmenverband der Stadt Swinemünde 
hat das Bundesamt für das Heimathwesen in selner Sitzung vom 6. Oktober 1873 ausgesprochen, daß ein 
Anerkenntniß als Beweismittel keinen Werth hat, wenn es mit den obwaltenden thatsächlichen und rechtlichen 
Verhältnissen nicht im Einklang steht. 
Die Lage des Falles ergiebt sich aus den Entscheidungsgründen, welche folgendermaßen lauten: 
in Erwägung, 
daß der N. N., dessen Familie zu Swinemünde seit dem 20. Februar d. Is. der öffentlichen Armen- 
pflege anheim gefallen ist, unbestritten bis gegen Ende Oktober 1871 als Kapitulant im preußischen 
Heere gedient hat, — 
in Erwägung, 
daß nach der Bestimmung des erst mit dem 1. Juli 1871 außer Geltung getretenen 8. 13 des 
preußlschen Armenpflegegesetzes vom 31. Dezember 18142 die Fürsorge für Militärpersonen, welche 
nicht lediglich zur Erfüllung der allgemeinen Militärpflicht im Heere gedient haben und welche nach 
ihrer Emlassung in Hülfsbedürftigkeit gerathen, von dem Landarmenverbande zu übernehmen ist, 
— es sei denn, daß sie in eine Gemeinde als Mitglieder ausdrücklich ausgenommen worden oder 
nach ihrer Entlassung in einem Gemeinde= oder Gutsbezirke einen Wohnsitz erworben oder drei 
Jahre hindurch sich aufgehalten haben, — 
daß der N. N. bis zum 1. Juli 1871 hiernach einen Unterstützungswohnsitz in Stettin weder 
durch Wohnsitzergreifung noch durch bloßen fortgesetzten Aufenthalt hat erwerben können, 
daß die Möglichkeit eines solchen Erwerbes in der Zeit seit dem 1. Juli 1871 schon durch 
den Umstand ausgeschlossen erscheint, daß die öffentliche Armenpflege für die Familie des N. N. 
bereits am 20. Februar d. Is., also vor Ablauf eines zweijährigen Zeitraums seit dem 1. Juli 
1871, nothwendig geworden ist, 
daß Kläger die erfolgte ausdrückliche Aufnahme des N. N. in den Gemeindeverband von 
Stettin nicht behauptet hat, 
daß bei dieser Lage der Sache auf das Schreiben der Armendirektion zu Stettin vom 18. März 
1871, in welchem dieselbe sich bereit erklärt, die Familie N. N. (welche damals schon in Swine- 
münde eine öffentliche Unterstützung erbeten hatte), zu übernehmen, keinerlei Gewicht zu legen ist, 
da das in diesem Erbieten zu findende Anerkenntniß, dem Obigen nach, mit den obwaltenden that- 
sächlichen und rechtlichen Verhältnissen nicht im Einklange steht und einen Werth als Beweismittel 
daher nicht in Anspruch nehmen kann, u. s. w. 
Ebenso hat das Bundesamt am 18. Oktober in Sachen Landarmenverband Berlin gegen Joachims- 
thal entschieden. 
Das Bundesamt für das Heimathwesen hat wiederholt neuerlich in Sachen Alt-Pommern wider Trept ow 
a./Toll. am 6. Oktober 1873 angenommen, daß die Unterstützung von landarmen Personen, welche rücksichtlich 
des Unterstützungswohnsitzes einer andern Person folgen würden, durch denjenigen Landarmenverband zu erfolgen 
hat, in dessen Bezirk sich der Unterstützte befindet. 
Gründe. 
Da der Arbeiter N. N. unbestritten im Mai 1847 außerehelich geboren ist, mithin erst im 
Mai 1871 sein 24. Lebensjahr vollendete, so hat derselbe weder vor dem 1. Juli dess. Is. nach dem 
älteren preußischen, noch bis zu dem Eintritt seiner Hülfsbedürftigkeit — im Januar 1872 — nach 
dem Reichsgesetze vom 6. Junt 1870 selbstständig einen Unterstützungswohnsitz erwerben können. 
Nach §. 21 des Reichsgesetzes sind deshalb die Heimathsverhältnisse seiner Mutter beim Eintritt 
jenes Alters auch rücksichtlich seiner maßgebend. Diese theilte bei dem Ableben ihres Ehemannes 
dessen Landarmen-Eigenschaft. Ist aber die Qualität der Mutter des N. N. als einer Landarmen 
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