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keiten vorgeschriebenen Reichsprozesse nicht, und das Bundesamt insbesondere ist nach den sein Ver-
fahren regelnden Bestimmungen jenes Gesetzes außer Stande, dem ersten Richter auf dem von ihm
eingeschlagenen prozessualischen Wege zu folgen. ·
Die §§. 38, Abs. 1, 39— 41 des Reichsgesetzes haben für den Reichsprozeß in I. Instanz
überall nur eine Entscheidung angeordnet, durch welche die Streitsache nach allen Seiten ihre
definitive Entscheidung finden muß. Sofern nach dem Schlusse der Verhandlungen zwischen den
Parteien noch Anstände gefunden werden, deren Erledigung vor der Entscheldung erfolgen muß,
so sind die erforderlichen Auflagen durch eine Verfügung zu treffen, gegen welche kein Rechtsmittel
gegeben ist, welche aber auch der endlichen Entscheidung nicht präjudizirt. Insbesondere ergiebt der
§. 39, daß besondere Beweiserkenntnisse der hier in Anwendung gebrachten Art in dem hier frag-
lichen Administrativprozesse nicht zu erlassen sind, die für die Entscheidung zuständige Landesbehörde
vielmehr den ihr erheblich erscheinenden, angetretenen Beweis sofort erheben und dann nach §. 40
ihre Entscheidung erlassen soll. Nur gegen die letztere, nicht gegen die zu ihrer Vorbereitung er-
lassenen Verfügungen findet nach §§. 40 und 46 die Berufung an das Bundesamt statt, und auch
die Entscheidung des letzteren kann stets nur eine definitive sein. Erachtet dasselbe vor Fällung
dieser Entscheidung noch eine Ausklärung über das Sach- und Rechtsverhältniß für erforderlich, so
ist dieselbe auf dem im §. 49 vorgezeichneten Wege, durch Vermittelung der zuständigen Landes-
behörde vorzunehmen, also nicht eine Vorentscheidung zu treffen, sondern eine vorläufige Verfügung
in Gestalt einer Requisition zu erlassen, nach deren Erledigung dann die endliche Entscheidung er-
folgt, ohne daß das Bundesamt hierbei formell an die erlassene vorläufige Verfügung gebunden
wäre. Was nun speziell den vorliegenden Fall anlangt, so widerspricht es der ganzen Dekonomle
des Reichsprozesses vollkommen, daß das Bundesamt über präjudizlelle Rechtsfragen und über die
vom ersten Richter als Bedingung der bereits eventuell ausgesprochenen Verurtheilung festgestellte
Beweisnorm durch ein Erkenntniß entscheiden soll, was zur Folge haben würde, daß auf Grund
des aufrecht erhaltenen oder modifizirten Beweisinterlokuts der Bewels vom ersten Richter zu er-
heben und dann von ihm abermals in der Sache nach den vom Bundesamte rechtskräftig im Vor-
erkenntnisse festgestellten Direktiven zu entscheiden wäre. Ein solches Prozetzverfahren kann daher
nicht zugelassen werden.
Der erste Richter hätte hiernach, nachdem er schlüssig geworden war, welcher Beweise es zur
Begründung der Klage in ihrem ganzen Umfange bedurfte, die Aufnahme des in dieser Richtung
etwa angetretenen Beweises verfügen und nach geschlossener Bewelsaufnahme in der Sache definitio
entscheiden müssen. Wie die Sache jetzt liegt, erübrigt, um die Prozedur in die gesetzlichen Formen
umzuleiten, nur den Bescheid des ersten Richters, soweit derselbe angegriffen ist, auszuheben und die
Sache zu anderweitiger weiterer Veranlassung nach Maßgabe der §§. 39 und 40 des Reichsgesetzes
zur ersten Instanz zurückzuweisen.
Wohnsitz; gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne der preußischen Armengesetzgebung.
In der Streltsache des Ortsarmenverbandes Hörde gegen den Landarmenverband der Provinz Westphalen, in
welcher der erstere Erstattung der zur Unterstützung der Familie des zu Hörde, ohne daselbst einen Unterstützungs-
wohnsitz erworben zu haben, verstorbenen Bergmanns R. verwendeten Summe verlangt, hatte der Landarmenverband
eingewendet, daß der R. unter der Herrschaft der preußischen Armengesetzgebung zu Hespert durch polizellich ge-
meldetes einjähriges Wohnen, eventuell durch mindestens dreijärigen gewöhnlichen Aufenthalt daselbst Unter-
stützungswohnsitz erworben und denselben bei seinem Tode noch nicht wieder verloren gehabt habe. Der klagende
Armenverband hatte diese Behauptung bestritten und unter Bezugnahme auf amtliche Verhandlungen aufgestellt.
daß der R. sich allerdings zum Zweck der Niederlassung in Hespert seiner Zeit polizeilich gemeldet habe, daß
ihm aber die Niederlassung für seine Person verweigert und nur seiner aus Hespert gebürtigen Frau und den
Kindern gestattet worden sei; daß demgemäß R. persönlich nicht in Hespert Wohnsitz genommen, auch sich während