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ein selbständiger im Sinne 8. 17 des Unterstützungswohnsitz-Gesetzes angesehen werden. Denn als bösliche Ver-
lassung ist es zu betrachten, wenn der Ehemann sich von seiner Familie entfernt, sie hülflos zurückläßt und
sich vagabundirend in der Welt herumtreibt. Unter diesen Umständen kann um so weniger die der gedachten
Familie gewährte öffentliche Unterstützung als mittelbar dem Ehemann geleistet angesehen werden.
Das Bundesamt für das Heimathwesen hat am 31. März 1883 unter Abänderung der
letztgedachten Entscheidung den Beklagten nach dem Klageantrage verurtheilt. In den Gründen heißt es:
Die Ansicht der Vorinstanz stützt sich zunächst auf die Erwägung, daß die Verpflichtung des Land-
armenverbandes lediglich durch den Aufenthalt des Unterstützten, hier des 2c. Karl P., bestimmt werde. Dabei
ist außer Acht gelassen, daß — wie das Bundesamt in zahlreichen Präjudikaten ausgeführt hat — das
landarme Familienhaupt in seinen Angehörigen unterstützt wird, daß daher die im Bezirk des beklagten Land-
armenverbandes der Familie P. gewährte Unterstützung als dem rc. P. selbst gewährt anzusehen ist. (Vergl.
Wohlers, Entscheidungen XI S. 94). Das Bundesamt hat ferner wiederholt dargelegt, daß eine einmal
begonnene Unterstützung so lange von dem betreffenden Landarmenverbande fortgewährt werden muß, als die
Hülfsbedürftigkeit dauert (Wohlers, Entscheidungen II S. 72; XI S. 94; XIII S. 94). Im vorliegenden
Falle hatte die in der Person der Angehörigen hervorgetretene Hülfsbedürftigkeit des 2c. P. noch nicht auf-
gehört, als er selbst der öffentlichen Armenpflege bedürftig wurde. Es liegt also nicht eine neue, sondern
eine erweiterte Hülfsbedürftigkeit vor, gerade so wie von einer neuen Hülfsbedürftigkeit nicht die Rede sein
kann, wenn ein wegen Krankenpflege in Armenpflege befindliches Individium der Unterstützung durch Kleidung
bedarf, weil die seinige abgerissen ist. (Vergl. Wohlers, Entscheidungen XI S. 96.)
Die auf den Begriff der Landarmen-Eigenschaft als den Mangel eines Unterstützungswohnsitzes ge-
stützte Ausführung des Vorderrichters ist in veröffentlichten Entscheidungen des Bundesamts widerlegt (vergl.
Central-Blatt für das Deutsche Reich 1883 S. 87). Einer ausdrücklichen Vorschrift, daß Angehörige der-
selben Familie nicht gleichzeitig in verschiedenen Landarmenverbänden unterstützt werden könnten, bedurfte es
nicht, weil sie aus dem, das Unterstützungswohnsitz-Gesetz beherrschenden — vom Vorderrichter bezüglich des
Unterstützungswohnsitzes anerkannten und mit Unrecht bezüglich der Landarmen bestrittenen — Prinzipe der
Familieneinheit von selbst folgt.
Es bleibt noch auf Wohlers, Entscheidungen II S. 70 und III S. 80 zu verweisen, um das Be-
denken des Vorderrichters hinsichtlich des Umstandes zu beseitigen, daß 2c. P. zur Zeit der in Riesa hervor-
getretenen Hülfsbedürftigkeit der Familie sich für seine Person dem Anscheine nach nicht im Bezirk des be-
klagten Landarmenverbandes befand.
Endlich ist von dem Bundesamt wiederholt (vergl. Wohlers, Entscheidungen XI S. 20 und XllI
S. 30) ausgeführt worden, daß der Ehemann auch in der Person der befugter Weise von ihm getrennt
lebenden Ehefrau unterstützt wird. Hiernach sind die Einwendungen des Beklagten hinfällig und war der-
selbe, da die Höhe der klägerischen Forderung nicht bestritten ist, nach dem Klageantrage zu verurtheilen, dem-
gemäß aber das Vorerkenntniß abzuändern.
4. Konsulat-Wesen.
Den Kaiserlichen General-Konsul von Derenthall in Alexandrien und dem Kaiserlichen Konsul Martens
in Cairo ist auf Grund des Gesetzes vom 4. Mai 1870 F. 1, in Verbindung mit §. 85 des Gesetzes vom
6. Februar 1875, für ihre respektiven Amtsbezirke die Ermächtigung ertheilt worden, bürgerlich gültige Ehe-
schließungen von deutschen Reichsangehörigen und Schutzgenossen vorzunehmen, und die Geburten, Heirathen
und Sterbefälle derselben zu beurkunden.
Dem zum Konsul der Vereinigten Staaten von Amerika in Elberfeld ernannten Herrn Albert Rhodes ist
das Exequatur Namens des Reichs ertheilt worden.
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