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4. Zoll= und Steuer-Wesen.
Der Bundesrath hat in seiner Sitzung vom 23. v. M beschlossen, der nachstehenden
Instruktion
für
I. die zolltechnische Unterscheidung des Talgs und der unter Nr. 26 i des Zolltarifs
fallenden Kerzenstoffe,
II. die Untersuchung der Konsistenz thierischer Fette und
III. die Denaturirung des Talgs schmalzartiger Konsistenz.
I. Zur Entscheidung der Frage, ob eine zur zollamtlichen Abfertigung gestellte Waare als
Talg zum Zollsatz von 2 M für 100 kg nach Nr. 26 1 des Zolltarifs anzusprechen oder zu den
unter dem Namen Stearin in den Handel kommenden, nach Nr. 26 i zum Zollsatz von 10 M
für 100 kg zu tarifirenden festen, harten Fettsäuregemischen der Stearin= und Palmitinsäure und
ähnlichen Kerzenstoffen zu rechnen sei, bietet deren Untersuchung nach bloßem Augenschein, Geruch
oder durch Anfühlen keine Sicherheit. Von den Zollstellen ist deshalb zu diesem Zweck, sofern die
Waare nicht nach ihrer sonstigen Beschaffenheit als schmalzartiges Fett nach Nr. 26 h des
Tarifs zum Zollsatz von 10 M für 100 kg zu behandeln ist oder für dieselbe nicht ohne Weiteres
der Zollsatz der Nr. 26 i des Tarifs angeboten wird, stets eine Prüfung derselben in Bezug auf
ihren Erstarrungspunkt beim Kaltrühren einer davon entnommenen Durchschnittsprobe vorzu-
nehmen.
Die Durchschnittsprobe ist in der Weise herzustellen, daß mittelst eines Bohrlöffels aus ver-
schiedenen Höhenlagen des zu prüfenden Fetts, und zwar sowohl aus der Mittelaxe als auch aus den
gegen die Seitenränder hin gelegenen Theilen desselben, Proben entnommen und mit einander ver-
mischt werden. Nachdem von diesem Gemisch eine Menge im Gewicht von 150 g in einem
Porzellanschälchen zur vollständigen klaren Aufschmelzung gebracht worden, ist bei dem darauf vor-
zunehmenden Kaltrühren der Masse die Temperatur derselben beim Eintritt der Erstarrung mit dem
Thermometer zu beobachten und, sofern der ermittelte Erstarrungspunkt nicht über 320 R. liegt,
die Waare als Talg, bei höher liegender Temperaturgrenze aber als Stearin zu verzollen.
Bestehen über die Richtigkeit der Ermittelungen nach diesem Verfahren Zweifel oder Meinungs-
verschiedenheiten, oder handelt es sich um die Unterscheidung des Stearins von dem sogenannten
Preßtalg, d. i. dem unreinen Preßrückstande des unzersetzten Talgs von der Kunstbutterfabrikation,
dessen Erstarrungspunkt in der Regel über 320 R. liegt, so hat eine Untersuchung der von der
Waare zu entnehmenden Durchschnittsprobe in Bezug auf ihren Gehalt an Fettsäure im Wege
des Titrirverfahrens durch Sachverständige einzutreten. Wird bei der Titration in der Waaren-
probe ein Fettsäuregehalt von mehr als 25 Prozent ermittelt, so ist die betreffende Waare als
Stearin oder Stearinsäuremasse anzusehen.
II. Bestehen bei der zollamtlichen Abfertigung eines nicht in Schmalz von Schweinen oder
Gänsen bestehenden thierischen Fetts Zweifel darüber, ob dasselbe bei einer Temperatur von 14
bis 150 R. schmalzartige Konsistenz zeigt oder nicht, so hat eine Untersuchung des Fetts auf seine
von dem Gehalt an flüssigen Oelen bedingte größere oder geringere Diffusions-(Fleckenbildungs-)
Fähigkeit zu erfolgen und sind solche Fette, deren Diffusionsfähigkeit diejenige eines aus gleichen
Gewichtsmengen Schweineschmalz und Rindertalg zusammengesetzten Normalfetts übersteigt, als Fette
von schmalzartiger Konsistenz zu behandeln.
Das Normalfett haben die Zollabfertigungsstellen selbst zu bereiten, indem sie Schweineschmalz
und Rindstalg von einem als reell bekannten Schlächter kaufen, gleiche Gewichtsmengen derselben
in einem Gefäße mischen und das Gemisch durch Eintauchen des Gefäßes in heißes Wasser zusammen-