Contents: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

314 Zweiundzwanzigstes Kapitel 18. Februar 1872 
schon bei andern Gelegenheiten gefährliche Stockungen erzeugte. Der 
Staatsmann, der über den Parteien stehend durch sein Genie und durch 
seinen energischen Geist jene Stockungen überwand, wird, so hoffen 
wir im Interesse einer gedeihlichen Weiterentwicklung, auch hier sein 
Werk unentwegt fortzusetzen imstande sein. Aber wir dürfen uns 
nicht verhehlen, daß die Situation eine ernste und gespannte ist.“ 1 
18. Februar. Bucher bringt vom Chef Auftrag und De— 
peschenmaterial zu einem längern Aufsatze über das deutschfeindliche 
Verhalten des Königs von Schweden, der in ein nichtoffiziöses Blatt 
kommen soll, und den ich den Grenzboten übersandte (die ihn, wie 
ich gleich hinzufüge, in ihrer zehnten diesjährigen Nummer unter 
dem Titel „Stockholmer Velleitäten“ brachten). Es hieß darin nach 
einer Einleitung, nach der die großen Mächte Europas außer Frank— 
reich als mit der Gründung des Deutschen Reichs ziemlich zufrieden, 
uns als günstig, wenigstens für jetzt nicht gerade feindlich gesinnt 
dargestellt waren, wie folgt: 
„Dagegen haben Preußen und das neue Deutschland in einigen 
Kleinstaaten Nachbarn, an deren Höfen ihm hartnäckige Verstim- 
mung, um nicht zu sagen, bittrer und dauerhafter Haß, natürlich 
nicht offen und unverhüllt, aber darum nicht minder herzlich, ent- 
gegengetragen wird. Dahin gehören z. B. die Königin von Holland 
und der Prinz Heinrich 'der Niederlandel, der Luxemburg als 
Stellvertreter des Großherzogs in möglichst deutschfeindlichem Sinne 
zu regieren bestrebt ist, und dahin werden wir auch die Mojestät 
von Schweden und Norwegen, Karl XV. zu zählen haben, mit 
dessen Stellung zu Deutschland und Frankreich wir uns nunmehr 
mit einigen Andeutungen — unumwunden möchte nicht geraten 
sein, auch ists hier nicht abgesehen zu ärgern, sondern einen nütz- 
lichen Wink zu geben — beschäftigen wollen. 
„Was die Ursachen der Abneigung des erlauchten Herrn gegen 
Deutschland sind, ist vom Standpunkt politischer Betrachtungen 
nicht wohl zu ergründen. Die Interessen Schwedens und Nor- 
wegens stehen den unsern in keiner Beziehung feindlich gegenüber. 
Im Gegenteil, was uns Deutschen nützt, gereicht fast ausnahmslos 
auch den beiden Nachbarn im Norden zum Vorteil. Ein mächtiges 
  
1 Vgl. G. u. E. II, 127 ff. 142 ff.
	        
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