Metadata: Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechtes.

192 Zweites Buch. Vierter Abschnitt. $ 77. 
jahr folgenden Kalenderjahres, sofern sie nicht nach ärztlichem 
Zeugnis die natürlichen Blattern überstanden haben, b) Zöglinge 
von öffentlichen Lehranstalten und Privatschulen mit Ausnahme der 
Sonntags- und Abendschulen innerhalb des Jahres, in welchem sie 
das zwölfte Lebensjahr zurücklegen, sofern sie nicht nach ärztlichem 
Zeugnisse in den letzten fünf Jahren die natürlichen Blattern über- 
standen haben oder mit Erfolg geimpft worden sind®. Bei Be- 
rechnung dieses Zeitraumes ist das Jahr, in welches die Impfpflicht 
fallt, mit einzurechnen. Ein Aufschub der Impfung darf nur statt- 
finden, wenn der Impfpflichtige nach ärztlichem Zeugnis ohne Gefahr 
für sein Leben oder seine Gesundheit nicht geimpft werden kann. 
Bleibt die Impfung erfolglos, so muß sie spätestens im nächsten 
Jahre, und bleibt sie auch dann erfolglos, spätestens im dritten Jahre 
wiederholt werden ®. 
2. Personen, die dafür zu sorgen haben, daß die 
Impfung vollzogen wird. Dies sind, da die Impfpflicht in die 
Zeit der Unmündigkeit fällt, nicht die impfpflichtigen Personen selbst, 
sondern deren Eltern, Pflegeeltern oder Vormünder. Sie haben die 
Pflicht: a) die Kinder impfen zu lassen, b) sie in der Zeit vom 
sechsten bis achten Tage nach der Impfung, d. h. nach dem Tage, 
an welchem geimpft ist, dem impfenden Ärzte vorzustellen, damit 
dieser entscheiden kann, ob die Impfung Erfolg gehabt hat®, c) sie, 
falls die Impfung erfolglos geblieben ist, binnen der gesetzlich be- 
stimmten Zeit nachimpfen zu lassen. — Ist die Impfung unterblieben, 
so muß zunächst eine amtliche Aufforderung zur Vornahme derselben 
ergehen. Ebenso hat eine amtliche Aufforderung zur Vornahme 
einer neuen Impfung stattzufinden, wenn zwar die Impfung erfolgt, 
aber die nachherige Vorstellung unterblieben ist. Die Nichtbeachtung 
der amtlichen Aufforderung wird mit Geldstrafe bis zu fünfzig Mark 
oder mit Haft bis zu dreißig Tagen bestraft”. Die Strafbarkeit tritt 
aber nur ein, wenn die amtliche Aufforderung zur Kenntnis der ver- 
pflichteten Personen gelangt ist. Dagegen wird nicht erfordert, daß 
sie denselben speziell mitgeteilt ist; es genügt auch eine allgemeine 
Bekanntmachung, wenn nur die Kenntnis zweifellos festsieht®. Bei 
fortgesetztem Ungehorsam kann die Bestrafung wiederholt und even- 
tuell die Impfung nach den Grundsätzen der administrativen Exekution 
zwangsweise vollzogen werden. 
Sinne verstanden sind, daß die Aufforderung zur Kenntnis der verpflichteten 
Person gelangt sein müsse, ergibt sich aus den Verhandlungen des Reichstages 
vom 9. März 1874. Vgl. namentlich die Äußerungen des Antragstellers Abe. 
Prinz Radziwill (Sten. Ber. 1, 264). Denselben Standpunkt vertreten auc 
zwei Erkenntnisse des preußischen Obertribunals in Hartmanns Zeitschrift 
4, 579; 5, 194; v. Roenne, preuß. Staatsr. 4, 275%. 
® Für wiederholte Bestrafung, da es sich in jedem einzelnen Falle um 
eine neue Übertretung handelt, der Grundsatz „ne bis in idem“ also keine An- 
wendung findet, Jolly, V.R.W. 1, 671 und verschiedene gerichtliche Erkennt-
	        
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