Abwechselnd regierende Parteien. 127
in eine Verfassungsform hinübergleiten, die jenen parla-
mentarischen ähnlich ist, oder liegen die Dinge so, daß wir
im Gegenteil erwarten können, daß die neue politische Form
(kompliziert durch den bundesstaatlichen Charakter des
deutschen Reiches) in der Weltgeschichte sich als etwas
Dauerndes behaupten werde?
Gibt es eine Art natürlicher Fortentwicklung vom
konstitutionellen zum parlamentarischen System? Von zwei
Seiten wird heute nicht ganz selten diese Behauptung auf-
gestellt, erstens von der äußersten Linken, die darauf hofft,
und zweitens von der äußersten Rechten, die es der Regie-
rung zum Vorwurf macht, daß sie sich nicht genügend
dagegen stemme.
Um ein parlamentarisches Regiment zu haben, ist
Voraussetzung, daß die Parteien trotz ihres Gegensatzes sich
ziemlich nahe stehen. In Amerika gibt es die demokratische
und die republikanische Partei. Wie schon die beiden
Namen zeigen, ist ein sehr wesentlicher Unterschied zwischen
ihnen nicht. Die einen sind mehr unionistisch, die andern
sind mehr föderalistisch. In England haben wir die Whigs
und Tories, jetzt übersetzt in Liberale und Konservative.
Die Unterschiede sind so wenig tief, daß sehr häufig die
eine Partei wichtige Programmpunkte von der anderen
übernommen hat. Beide Parteien zusammen haben einst
die Stuartkönige vertrieben und die Wahlreform von 1867
wurde von den Konservativen gemacht*). Solche Parteien
können leicht, ohne den Staat aus dem Gleichgewicht zu
bringen, in seiner Leitung abwechseln. Nicht möglich ist
es aber, Parteien abwechseln zu lassen, die etwa so weit
*) Daß die beiden englischen Parteien trotz der ständigen Be-
kämpfung sich innerlich sehr nahe stehen, wird von vielen neueren Beob-
achtern, besonders auch von Belloc und Lowell betont.
Wird auch
Deutschland
parlamentarisch
werden?